Zitate von Angelus Silesius
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Nicht du bist, der da lebt, denn das Geschöpf ist tot. Das Leben, das in dir dich leben macht, ist Gott.

Es ist kein Tod. Ich glaube keinen Tod: Sterb‘ ich gleich alle Stunden, So hab‘ ich jedesmal ein besser Leben funden.

Mensch, steig‘ nicht allzu hoch, bild‘ dir nichts übriges ein! Die schönste Weisheit ist: Nicht gar zu weise sein.

Komm‘, schau her Jungfrau Kind, dann siehst du in der Wiegen den Himmel und die Erd‘ und hundert Welten liegen.

Je edeler ein Ding, je mehr ist es gemein: Das spüret man an Gott und seiner Sonnen Schein.

Der Will‘ macht dich verlorn, der Will‘ macht dich gefunden, der Will‘, der macht dich frei, gefesselt und gebunden.

Die kluge Jungfrau hat ihr’n Schmuck in sich allein Die Törin denkt sich schön in schönen Kleidern sein.

Christ, du bedarfst nicht viel zur ewigen Seligkeit; es hilft ein einzigs Kraut, das heißt Gelassenheit.

Mensch, hüte dich vor dir. Wirst du mit dir beladen, Du wirst dir sicher mehr als tausend Teufel schaden.

Die Seel ist eine Flamm, aus Gott, dem Blitz, gegangen, ach, sollte sie denn nicht in ihn zurückgelangen?

Wer Gott in seinem Tun von Herzen loben kann, Der hebt schon in der Zeit das ew’ge Leben an.

Du suchst das Paradies und wünschest hinzukommen, wo du von allem Leid und Unfried bist entnommen. Befriedige dein Herz und mach es rein und weiß, so bist du selbst noch hier dasselbe Paradies.

Verwundere dich nicht, Freund, daß ich auch nichts mag sehn, ich muß mich allezeit nach meiner Sonne drehn.

Die Tugenden sind so verknüpfet und verbunden: Wer ein alleine hat, der hat sie alle funden.

Gott schätzt nicht, was du Gut’s, nur wie du es getan. Er schaut die Früchte nicht, nur Kern und Wurzel an.

Die Einsamkeit ist not, doch seid nur nicht gemein, So kannst du überall in einer Wüste sein.

Willst du die falsche Lieb‘ von wahrer unterscheiden, So schau! Sie sucht sich selbst und fallet ab in Leiden.

Was ist nicht sündigen? Du darfst nicht lange fragen: Geh hin, es werden’s dir die stummen Blumen sagen.

Der Reiche dieser Welt, was hat er für Gewinn? Daß er muß mit Verlust von seinem Reichtum ziehn.

Die Seel‘ ist ein ew’ger Geist, ist über alle Zeit: Sie lebt auch in der Welt schon der Ewigkeit.

Ich sag, es hilft dir nicht, dass Christus auferstanden, wo du noch liegen bleibst in Sünd‘ und Todesbanden.

Der größte Reichtum ist, nach keinem Reichtum streben, Der größeste Gewinn, sich dessen ganz begeben.

Das edelste Gebet ist, wenn der Beter sich In das, vor dem er kniet, verwandelt inniglich.

Weg mit dem Mittelweg! Soll ich mein Licht anschauen, so muß man keine Wand vor mein Gesichte bauen.

Mensch, deine Seligkeit kannst du dir selber nehmen: So du dich nur dazu willst schicken und bequemen.

Jetzt ist der Himmel aufgetan, Jetzt hat er wahres Licht. Jetzt schauet Gott uns wieder an Mit gnädigem Gesicht.

Wer sich den Mittelpunkt zum Wohnhaus hat erkiest, der sieht mit einem Blick, was in dem Umschweif ist.

Gleich wie die Einheit ist in jeder Zahl, so ist auch Gott, der Ein in Dingen überall.

Die Schöpfung ist ein Buch; wer’s weislich lesen kann, Dem wird darin gar fein der Schöpfer kund getan.

Die Rachgier ist ein Rad, das nimmer stille steht. Je mehr es aber läuft, je mehr es sich vergeht.

Wenn du nicht Mensch mehr bist und dich verleugnet hast, so ist Gott selber Mensch und traget deine Last.

Rein wie das Gold, stark wie ein Felsenstein, ganz lauter wie Kristall soll dein Gemüte sein.

Das Maß der Seligkeit miß dir in Liebe ein, Je völler du von Lieb, je stolzer wirst du sein.

Der Abgrund meines Geistes ruft immer mit Geschrei den Abgrund Gottes an: Sag, welcher tiefer sei?

Wer heimlich Gutes wirkt, sein Geld austeilt verhohlen, Der hat das Himmelreich gar meisterlich gestohlen.

Du strebst so emsiglich nach einem Flecklein Erden: Durch Sanftmut könntest du der ganzen Erbherr werden.

Mensch, wenn du noch nach Gott Begier hast und Verlangen, so bist du noch von ihm nicht ganz und gar umfangen.

Gott, weil er groß ist, gibt am liebsten große Gaben, ach, daß wie Armen nur so kleine Herzen haben.

Mensch, wird das Paradies in dir nicht ernstlich sein, so glaube mir gewiß: du kommst nimmer drein.

Der Weise, wenn er stirbt, Begehrt den Himmel nicht; Er ist zuvor darin, Eh ihm das Herze bricht.

Die Lieb ist Flut und Glut: Kann sie dein Herz empfinden, so löscht sie Gottes Zorn und brennt hinweg die Sünden.

Der Mensch hat zwei Augen; eins sieht nur, was sich in flüchtiger Zeit bewegt, das andere, was ewig ist und göttlich.

Das größte Wunderding ist doch der Mensch allein: Er kann, nach dem er’s macht, Gott oder Teufel sein.

Mensch, wenn du so genau das Deine willst beschützen, so wirst du nimmermehr in wahrem Frieden sitzen.

Die Braut verdient sich mehr mit einem Kuß um Gott als alle Mietlinge mit Arbeit bis in’n Tod.

Die Liebe geht zu Gott unangesagt hinein, Verstand und hoher Witz muß lang im Vorhof sein.

Ich sage, weil allein der Tod mich machet frei, Dass er das beste Ding aus allen Dingen sei.

Ruh‘ ist das höchste Gut, und wäre Gott nicht Ruh‘, Ich schlösse vor ihm selbst mein‘ Augen beide zu.

Du selber machst die Zeit, das Uhrwerk sind die Sinnen, hemmst du die Unruh nur, so ist die Zeit von hinnen.

Du willst nicht Sklave sein, und doch ist’s wahr, mein Christ, dass deiner Selbstbegier du vielmal Sklave bist.