Zitate von Mark Aurel
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Betrachte die ganze Natur, wovon du nur ein winziges Stücklein bist, und das ganze Zeitmaß von welchem nur ein kurzer und kleiner Abschnitt dir zugewiesen ist, und das Schicksal, wovon das deinige nur ein Bruchteil bildet.
Es hieße lächerlich und ein Fremdling in der Welt sein, wenn man über irgendein Ereignis in seinem Leben staunen wollte.
Wie wichtig ist es doch, sich bei Delikatessen und ähnlichen Speisen vorzustellen, dass dieses die Leiche eines Fischs, jenes die Leiche eines Vogels oder Schweins ist, ebenso, dass der Falerner der Saft einer Traube ist und das Purpurgewand die Wolle eines Schafes mit Blut einer Muschel benetzt.
Sage dir immer: ich kann wenn noch so einsam, an allen Orten glücklich sein; denn glücklich ist, wer sich selbst ein glückliches Los bereitet, dies ist: gute Gemütsstimmung, gute Neigungen, gute Handlungen.
Die Zukunft darf dich nicht beunruhigen; wenn es nötig werden sollte, wirst du ja an sie im Besitz derselben Vernunft herankommen, die du jetzt gegenüber der Gegenwart gebrauchst.
Die Lebenskunst hat mit der Fechtkunst mehr Ähnlichkeit als mit der Tanzkunst, insofern man auch auf unvorhergesehene Streiche gerüstet sein und unerschütterlich fest stehen muß.
Leib, Seele, Vernunft – dem Leibe gehören die Empfindungen an, der Seele die Triebe, der Vernunft die Grundsätze.
Oft tut auch der Unrecht, der nichts tut. Wer das Unrecht nicht verbietet, wenn er kann, der befiehlt es.
Die Lebenskunst ist der des Ringers ähnlicher als der des Tänzers, denn es gilt, bei unvorhergesehenen Schlägen des Schicksals kampfbereit und unerschütterlich fest dazustehen.
Es kommen doch zu dir nicht die Dinge, denen nachzujagen oder vor denen zu fliehen dich in Aufregung versetzt, sondern in gewissem Sinne gehst du selber zu ihnen.
Siehst du an jemandem einen Fehler, so verbessere ihn sanft und zeig ihm, worin er irrt. Bleibt dein Bemühen erfolglos, klage dich selbst an, oder, was noch besser ist, klage niemanden an, sondern bleibe weiterhin sanft.
Schäme dich nicht, dir helfen zu lassen! Denn du mußt deine Pflicht erfüllen wie ein Soldat beim Sturm auf die Festung. Wie nun, wenn du infolge deiner Lähmung die Zinne nicht allein erklimmen kannst, wohl aber im Bunde mit einem andern?
Fürchte dich nicht vor dem einstigen Aufhören des Lebens, vielmehr nur davor, daß du ein naturgemäßes Leben noch nicht einmal begonnen hast.
Wahrheit sagen ist dasselbe, wie schön schreiben. Dies wird nur durch Übung erreicht, – es ist dies weniger Sache des Willens, als der Gewohnheit, und ich meine nicht, daß es unnütz wäre, jede Gelegenheit zur Kundgabe und Ausbildung dieser Gewohnheit zu ergreifen.
Mache dich nur von den Vorurteilen los, und du bist gerettet. Wer hindert dich aber, dich davon loszumachen?
Sei wie ein Fels, an dem sich beständig die Wellen brechen! Er bleibt stehen, während sich rings um ihn die angeschwollenen Gewässer legen.
Alles ist von Natur zur Umwandlung, zur Veränderung und zum Untergang bestimmt, damit anderes an seine Stelle rücke.
Nur ein Narr sucht im Winter nach Feigen. So handelt der Mann, der sein Kind vermißt, wenn es ihm nicht mehr gelassen ist.
Es ist noch nie jemand unglücklich geworden, weil er sich nicht um das, was in der Seele eines andern vorgeht, gekümmert hat.
Der Schein ist ein furchtbarer Betrüger, und gerade wenn man glaubt, sich mit den allerbedeutendsten Dingen zu beschäftigen, bezaubert er am meisten.
Wenn du deine Pflicht tust, muß es dir gleichgültig sein, ob dich die Leute schmähen oder preisen.
Laß dich das Zukünftige nicht anfechten! Du wirst, wenn’s nötig ist, schon hinkommen, getragen von derselben Geisteskraft, die dich das Gegenwärtige beherrschen läßt.
Verachte nicht den Tod, sondern befreunde dich mit ihm, da auch er eines von den Dingen ist, die die Natur will.
Die Natur steht niemals gegen die Kunst zurück, vielmehr sind die Künste Nachahmerinnen der Natur, und wenn dies ist, so dürfte wohl die vollkommenste und alles andere umfassende Natur der künstlerischen Geschicklichkeit nicht nachstehen.
Herling, reife Traube, Rosine – alles nur Wandlungen, nicht in das Nichtseiende, sondern in das jetzt nicht Seiende.
Jenes ersten Grundsatzes eingedenk, werde ich mit nichts unzufrieden sein, was mir als einem Teile vom Ganzen zugeteilt wird; kann ja doch nichts dem Teile schädlich sein, was dem Ganzen zuträglich ist; denn das Ganze enthält nichts, was nicht ihm selbst zuträglich wäre.
Niemand wird es müde, sich helfen zu lassen. Helfen aber ist eine Handlung der Natur. Werde daher nicht müde, dir helfen zu lassen, indem du anderen hilfst.
Bedenke, wie niedrig Menschen erscheinen, wenn sie essen oder schlafen! Aber danach nehmen sie eine herrische Haltung an.
Es gibt für den Menschen keine geräuschlosere und ungestörtere Zufluchtsstätte als seine eigene Seele. Halte recht oft solche stille Einkehr und erneuere so dich selbst.
Wie lächerlich und weltfremd ist der, der sich über irgend etwas wundert, das im Leben vorkommt.
Prüfe beständig, wer diejenigen sind, nach deren Billigung dich verlangt, und welche leitenden Grundsätze sie haben. Denn alsdann wirst du weder über ihre unvorsätzlichen Fehltritte zürnen noch ihren Beifall begehren, wenn du auf die Quellen ihrer Meinungen und Triebe siehst.
Tu nicht, als wenn du Tausende von Jahren zu leben hättest. Der Tod schwebt über deinem Haupte. So lange du noch lebst, so lange du noch kannst, sei ein rechtschaffener Mensch.
Schau jedem Ding auf den Grund. Seine eigentümliche Beschaffenheit so wenig wie sein Wert entgehe deinem Blicke!
Sei wie ein Fels, an dem sich beständig die Wellen brechen: Er steht fest und dämpft die Wut der ihn umbrausenden Wogen.
Denke, in welcher Beschaffenheit des Leibes und der Seele dich der Tod antreffen wird, sowie an die Kürze des Lebens, an den unermeßlichen Zeitraum hinter dir und vor dir, an die Gebrechlichkeit alles Stoffes.
Du hast schwerlich jemanden zu Gesicht bekommen, der unglücklich geworden wäre, weil er sich mit dem, was in der Seele eines anderen vorgeht, nicht befaßt hat; der aber muß unweigerlich unglücklich sein, der den Regungen der eigenen Seele nicht nachgeht.