Zitate von Seneca
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Es gibt ein altes Sprichwort: Ein Ermüdeter sucht Streit. Dasselbe gilt vom Hungrigen und Durstigen und überhaupt von jedem Menschen, den etwas quält.

Während irgendwo jemand Wäsche aufhängt, während am Himmel ein paar Wolken ziehen, während die Erde sich dreht und das Gras wächst, während Du diese Zeilen liest, denke ich an Dich.

Alles, glaube mir, ist auch dem Glücklichen ungewiß, niemand darf sich von der Zukunft das Geringste versprechen.

Das Gewissen sei die Richtschnur unseres Handelns, das Gerede der Leute soll uns gleichgültig sein!

Massengeselligkeit ist durch die Wucht der Einstimmigkeit für uns eine Schule der Fehler. Mögen wir auch sonst nichts für unser Seelenheil tun, die Abgeschiedenheit ist doch an und für sich schon von Nutzen: wir werden uns bessern, wenn wir vereinzelt sind.

Sieh dir die einzelnen an, überschaue die Gesamtheit: keiner, dessen Leben nicht auf morgen berechnet wäre. „Was ist denn dabei Schlimmes?“ fragst du. Unendlich viel. Denn man lebt nicht, man ist nur immer auf dem Sprunge zu leben. Man verschiebt alles.

Jeder ist so elend, wie er meint, es zu sein. Darum ist es nötig, alles Klagen über schon gehabte Schmerzen zu unterlassen. […] Es ist vorüber. Und es schadet nur, vergangene Schmerzen durch Darandenken wieder aufzufrischen und immer noch elend zu sein, weil man es gewesen ist.

Laßt uns sagen, was wir empfinden, und empfinden, was wir sagen. Laßt die Rede mit dem Leben übereinstimmen.

Der Armut fehlt viel, dem Geiz alles. Der Geizige ist gegen niemand gut, gegen sich selbst am schlechtesten.

Es erschlafft die Tapferkeit ohne Gegner; erst dann tritt ihre Größe und ihre Kraft hervor, wenn sie durch geduldiges Beharren ihre Stärke bezeugt.

Was kann an sich das Reisen einem nützen? Es tut der Genusssucht keinen Einhalt, es zähmt nicht die Begierden, beschwichtigt nicht den Zorn, unterdrückt nicht die ungestümen Erregungen der Liebe, kurz entlastet unsere Seele nicht von ihren Übeln.

Den Freund muss die Seele besitzen: Sie aber ist niemals abwesend, wen immer sie will, sieht sie täglich.

Lass es nicht zu, dass Du durch jemandes Taten zornig wirst. Denn bedenke: wenn einer es schafft, schaffen es alle.

Was entwaffnet den Zorn des Weisen? Der große Haufe der Fehlenden; er sieht ein, es sei ebenso unbillig als gefährlich, über einen Fehler zu zürnen, wenn alle ihn haben.

Oft kommt der Zorn zu uns, öfter wir zu ihm; rufen sollte man ihn nie; auch wenn er kommt, sollte man ihn abweisen. Niemand sagt sich selbst: Das, worüber ich zürne, habe ich wohl auch selbst schon getan, oder ich wäre dazu wenigstens fähig gewesen.

Es steht mit dem Leben ähnlich wie mit einem Theaterstück: nicht auf die Länge kommt es an, sondern auf die Güte des Spiels. Es liegt nichts daran, wo du aufhörst. Höre auf, wo du willst. Nur an einem guten Schluss lass es nicht fehlen.

Was Schrecklicheres als den Tod könntest du deinem Feind wünschen? Beruhige dich: Er wird sterben, ohne daß du deinen kleinen Finger bewegst.

Es ist nützlicher einige Weisheitsregeln, welche dir immer dienlich sein können, zu kennen, als viele Dinge zu lernen, welche dir nichts nützen.

Glückselig kann auch der genannt werden, der, von der Vernunft geleitet, nichts mehr wünscht und nichts mehr fürchtet.

Ich habe damit begonnen, mir selbst ein Freund zu sein. Damit ist schon viel gewonnen, man kann dann nicht mehr einsam sein. Wisse auch, daß ein solcher Mensch, allen ein rechter Freund sein wird.