Zitate von Stendhal
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Ave Maria, die Dämmerstunde, ist in Italien die Stunde der Zärtlichkeit, der Seelenfreuden und der Schwermut: Empfindungen, die durch den Klang jener schönen Glocken noch verstärkt werden. Wonnige Stunden, die einem erst in der Erinnerung bewusst werden.
Die Liebe ist die einzige Leidenschaft, die mit einer Münze bezahlt wird, die sie selber prägt.
Wenn der Italiener, stets zwischen Liebe und Hass hin und her pendelnd, von der Leidenschaft lebt, der Franzose von der Eitelkeit, so leben die guten, einfältigen Nachfahren der Germanen von der Einbildungskraft.
Liebe ist die Freude, ein liebenswertes und liebendes Wesen zu sehen, zu berühren, es mit allen Sinnen und so nahe wie möglich zu fühlen.
In der leidenschaftlichen Liebe beruht das höchste Glück weniger in der Vereinigung als in dem letzten Schritt dazu.
Anständige Frauen haben eine Abneigung gegen alles Ungestüme und Plötzliche, das doch gerade das Merkmal der Leidenschaft bildet. Zudem ruft das Ungestüm ihr Schamgefühl wach und läßt sie sich zur Wehr setzen.
Nur durch die Einbildungskraft bist du sicher, daß die Frau, die du liebst, bestimmte Vorzüge hat.
Ich zwinge mein Herz, stumm zu bleiben, wenn es auch glaubt, viel sagen zu müssen. Stets befürchte ich, daß ich nur Seufzer niedergeschrieben habe, wo ich die Wahrheit aufzuzeichnen wähnte.
Für mich gibt es nur eine Regel: klar zu sein. Bin ich es nicht, so stürzt meine Welt in sich zusammen.
Alle Männer verloren den Kopf; in solchen Augenblicken legen Frauen eine unzweifelhafte Überlegenheit an den Tag.
Ich habe ein Los in einer Lotterie genommen, deren Hauptgewinn heißt: im Jahre 1935 gelesen zu werden…
Man muss in Paris und ausschließlich mit Leuten zusammenleben, die ein fröhliches Leben führen! Sie sind glücklich und daher weniger bösartig. Die Menschenseele ist wie ein verpesteter Sumpf; wenn man nicht rasch darüber hinweggleitet, versinkt man darin.
In Mailand ist die Hauptsache, gut zu essen, in Florenz, so zu tun, als ob man gegessen hätte.
Von Zeit zu Zeit muß ich den Abend mit geistreichen Leuten verplaudern, sonst ersticke ich.
Nicht ein Viertel der großen Meisterwerke der Kunst besäßen wir, wenn nicht zuerst die Frömmigkeit und dann die Eitelkeit das Geld dazu gegeben hätten.
Das Gefühl wird von den Deutschen als eine Tugend, als eine göttliche Schickung, als irgendetwas Mystisches angesehen.
Sollte es eine Wirkung des Schamgefühls sein oder ihrer tödlichen Langeweile, daß die meisten Frauen nichts so sehr am Manne schätzen als die Frechheit? Oder halten sie die Frechheit für Charakter?
Je mehr in einer Liebe die Wollust an Stelle des Gefühls Platz greift, das zuerst das Zusammenleben beherrschte, desto leichter finden Wankelmut und Untreue Eingang.
In der Liebe bezweifelt man oft, was man am festesten glaubt (La Rochefoucauld). In allen anderen Leidenschaften zweifelt man nicht mehr an etwas, das seine Probe einmal bestanden hat.
Die Don Juans sind zeitweise reizlos und haben ein sehr trauriges Alter; aber die meisten von diesen Männern werden nicht alt.
Das Konventionelle, das sind die Vorschriften, die mittelmäßige Leute für mittelmäßige Leute aufgestellt haben.
Um im Verbrechen glücklich sein zu können, müßte es keine Gewissensbisse geben; ich weiß aber nicht, ob ein Wesen ohne diese denkbar ist; ich bin ihm nie begegnet.
Unsere Erkenntnisse begleiten uns für den Rest unseres Lebens; sie sind uns immer nützlich und trösten uns oft über unsere Sorgen hinweg.
Heutzutage nimmt der Genius Rücksicht auf Wesen, an die er nur denken dürfte, ohne sich zu verbergen.
Das größte Glück, das die Liebe zu geben vermag, liegt im ersten Händedruck der geliebten Frau.
Eine Folge der Notwendigkeit der Tagespresse in den Großstädten ist die traurige Notwendigkeit der Scharlatanerie, der Hauptreligion unserer Zeit.
Die lebendigen Schönheiten, die ich treffe, sind mir eine Erholung von der Schönheit der Kunst. Und umgekehrt läßt mich das Studium der Kunstwerke den Reiz schöner Frauen tiefer fühlen und macht mich den Geldinteressen und all den andern traurigen und öden Gedanken unzugänglicher.
Die meisten Weltmänner getrauen sich – aus Eitelkeit, aus Argwohn, aus Furcht vor einem Mißgeschick – eine Frau erst nach ihrer Hingabe zu lieben.
Die Macht einer Frau wird an dem Maß des Unglücks gemessen, das sie über ihren Geliebten verhängen kann.
Ich nenne die Scala das erste Theater der Welt, weil sie das größte musikalische Vergnügen bereitet.
Das Urbild und die Heimat wahrer Liebe ist in den schwärzlichen Zelten der arabischen Beduinen zu suchen.
Nach und nach habe ich gelernt, das man vor allem die Eigenliebe bestärken und besonders die Leidenschaft, die man etwa empfindet, wie das schlimmste aller Übel verbergen muß.
In der frühen Jugend gleicht die Liebe einem alles mit sich fortreißenden Strom, und man weiß, daß sich gegen ihn nicht ankämpfen läßt.
Wirkliche Natürlichkeit und Vertrautheit gibt es nur in der leidenschaftlichen Liebe; denn bei jeder anderen bleibt die Möglichkeit eines erfolgreicheren Nebenbuhlers bestehen.
Neapel ist trotz seiner Drittelmillion Einwohner wie eine Villa, die man in eine herrliche Gegend gesetzt hat.