Zitate von Baltasar Gracián
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Der Mensch ist soviel wert, wie ihm seine Mitmenschen gönnen, und damit sie es ihm gönnen, muß man ihren Mund auf dem Weg über das Herz gewinnen.
Ist man zweifelhaft, so ist das Gescheiteste, sich zu den Klugen und Vorsichtigen zu halten, da diese früh oder spät das Glück einholen.
Ein lange anhaltendes Glück ist allemal verdächtig: das unterbrochene ist sicherer und das Süßsaure desselben sogar dem Geschmack angenehmer.
Alle Vollkommenheiten hängen von Zeitperioden ab: die Schönheit hat nicht immer ihren Tag: die Klugheit versagt ihren Dienst, indem wir den Sachen bald zu wenig, bald zu viel tun: und alles muß, um gut auszufallen, seinen Tag haben.
Eine Schöne zerbreche schlau bei Zeiten ihren Spiegel, um es nicht später aus Ungeduld zu tun, wenn er sie aus ihrer Täuschung gerissen hat.
Einige schätzen die Bücher nach ihrer Dicke; als ob sie geschrieben wären, die Arme, nicht die Köpfe daran zu üben.
Die Anwandlungen der Leidenschaft sind das Glatteis der Klugheit, und hier liegt die Gefahr, sich ins Verderben zu stürzen.
Oft bringt die Arznei die Krankheit hervor. Und nicht die schlechteste Lebensregel ist: ruhen lassen.
Man überlege mit der Vernunft, damit man nicht widerlegt werde vom unglücklichen Ausgang.
Nie wird der die Statue auf dem Altar gehörig verehren, der sie als einen Stamm im Garten gekannt hat.
Die Selbstzufriedenheit entsteht meistens aus Unwissenheit und wird zu einer Glückseligkeit des Unverstandes, die zwar nicht ohne Annehmlichkeit sein mag, jedoch unserm Ruf und Ansehn nicht förderlich ist.
Sich beraten schmälert nicht die Größe und zeugt nicht vom Mangel eigener Fähigkeit, vielmehr ist sich gut beraten ein Beweis derselben.
Sein Beginnen vorher beschlafen, ist besser, als nachmals darüber schlaflos liegen.
Ein schönes Benehmen ist der Schmuck des Lebens, und jeder angenehme Ausdruck hilft wundervoll von der Stelle.
Man soll nichts gleich rund abschlagen: Vielmehr lasse man die Bittsteller Zug vor Zug von ihrer Selbsttäuschung zurückkommen. Auch soll man nie etwas ganz und gar verweigern: Man lasse immer noch ein wenig Hoffnung übrig, die Bitterkeit der Weigerung zu versüßen.
Die Affekte sind die krankhaften Säfte der Seele, und an jedem Übermaße derselben erkrankt die Klugheit: Steigt gar das Übel zum Munde hinaus, so läuft die Ehre Gefahr.
O unglückseliges Jahrhundert, wo die Tugend fremd, die Schlechtigkeit an der Tagesordnung ist!
Viele haben den Beinamen der Großen, der dem Caesar und dem Alexander gehört, angenommen, aber vergeblich, da ohne die Taten das Wort ein bloßer Hauch ist.
Grade die Wahrheiten, an welchen uns am meisten gelegen, werden stets nur halb ausgesprochen; allein der Aufmerksame fasse sie im vollen Verstande auf.
Schnell genug geschieht, was gut geschieht. Was sich auf der Stelle macht, kann auch auf der Stelle wieder zunichte werden: aber was eine Ewigkeit dauern soll, braucht auch eine, um zustande zu kommen.
Aus der Geduld geht der unschätzbare Frieden hervor, welcher das Glück der Welt ist.
Sich anderer Schande angelegen sein lassen, ist ein Zeichen, daß man selbst schon keinen fleckenlosen Ruf mehr hat.
Dergleichen eitle Einbildungen werden eine Quelle der Qualen, wenn einst die wahrhafte Wirklichkeit die Täuschung zerstört.
Wenige sind Freunde der Person, die meisten der Glücksumstände. Die tüchtige Einsicht eines Freundes nützt mehr als der gute Wille vieler andern: daher verdanke man sie seiner Wahl, nicht dem Zufall.
Der aber ist der allergrößte Narr, der es nicht zu sein glaubt und alle anderen dafür erklärt.
Alle sind Götzendiener, einige der Ehre, andere des Interesses, die meisten des Vergnügens. Der Kunstgriff besteht darin, daß man diesen Götzen eines jeden kenne, um mittels desselben ihn zu bestimmen.
Stets handeln, als würde man gesehen: Der ist ein umsichtiger Mann, welcher sieht, daß man ihn sieht oder doch sehen wird. Er weiß, daß die Wände hören und daß schlechte Handlungen zu bersten drohen, um herauszukommen.
Man verliert oft mehr durch halsstarriges Behaupten, als man durch einen Sieg gewinnen kann.
Mehr Dinge hat Geschick durchgesetzt als Gewalt, und öfter haben die Klugen die Tapferen besiegt als umgekehrt.
Hab in deinem Leben immer zwei Eisen im Feuer. Alles muß zweifach sein und besonders die Quellen des Vorteils, der Gunst und des Genusses.