Zitate von Baltasar Gracián
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Sich ehe Anlaß da ist entschuldigen, heißt sich anklagen; und sich bei voller Gesundheit zu Ader lassen, heißt dem Übel, oder der Bosheit, zuwinken.
Die Leidenschaft färbt alles, was sie berührt, mit ihren Farben, bald günstig, bald ungünstig.
Nie übertreiben! Es ist ein wichtiger Gegenstand unserer Aufmerksamkeit, nicht in Superlativen zu reden; teils um nicht der Wahrheit zu nahe zu treten, teils um nicht unseren Verstand herabzusetzen.
Wer immer scherzt, ist nie der Mann für ernste Dinge. – Sein Weilchen mag der Scherz haben, aber alle übrige Zeit gehöre dem Ernst.
Mit zwanzig Jahren herrscht der Wille vor, mit dreißig das Genie, mit vierzig das Urteil.
Das Unglück ist meistenteils Strafe der Torheit, und für die Teilnahme ist keine Krankheit ansteckender.
Fleiß und Talent: ohne beide ist man nie ausgezeichnet, jedoch im höchsten Grade, wenn man sie in sich vereint. Mit dem Fleiß bringt ein mittelmäßiger Kopf es weiter als ein überlegener ohne.
Das Denken ist frei, ihm kann und darf keine Gewalt geschehn. Daher zieht der Kluge sich zurück in das Heiligtum seines Schweigens: und läßt er ja sich bisweilen aus; so ist es im engen Kreise Weniger und Verständiger.
Man sollte eher verehrend als hingebend lieben. Liebe und Herrschertum sind nicht für Genossenschaft geschaffen.
Freiheit ist kostbarer als jedes Geschenk, das dich dazu verleiten mag, sie aufzugeben.
Man unternehme das Leichte, als wäre es schwer, und das Schwere, als wäre es leicht: jenes, damit das Selbstvertrauen uns nicht sorglos, dieses, damit die Zaghaftigkeit uns nicht mutlos mache.
Kopf und Herz – die beiden Pole im Kosmos besserer Fähigkeiten. Eins ohne das andere – halbes Ding.
Jeder sei, in seiner Art, majestätisch. Wenn er auch kein König ist, müssen doch alle seine Handlungen, nach seiner Sphäre, eines Königs würdig sein und sein Tun, in den Grenzen seines Standes und Berufs, königlich.
Die Höhe der Gunst des Glückes wird oft durch die Kürze ihrer Dauer aufgewogen: denn das Glück wird es müde, einen so lange auf den Schultern zu tragen.
Der Weise schätzt alle, weil er in jedem das Gute erkennt und weiß, wie viel dazu gehört, eine Sache gut zu machen.
Es gibt Gelegenheiten, wo das beste Wissen darin besteht, daß man nichts zu wissen scheine.
Es ist sehr verkehrt, wenn man sich das zu Herzen nimmt, was man in den Wind schlagen sollte.
Einige Freunde führt ihre Zudringlichkeit, die meisten der Zufall uns zu. Und doch wird man nach seinen Freunden beurteilt: denn nie war Übereinstimmung zwischen dem Weisen und den Unwissenden.
Man überhäufe sich nicht mit Geschäften und mit Neid, sonst stürzt man sein Leben hinunter und erstickt den Geist. Einige wollen dies auch auf das Wissen ausdehnen: Aber wer nichts weiß, der lebt auch nicht.
Sich vor dem Siege über Vorgesetzte hüten. Alles Übertreffen ist verhaßt, aber seinen Herrn zu übertreffen ist entweder ein dummer oder ein Schicksalsstreich.
Man verliert mehr durch ein halsstarriges Behaupten, als man durch den Sieg gewinnen kann; denn das heißt nicht ein Verfechter der Wahrheit, sondern der Grobheit sein.
Worte kann man nicht essen, sie sind Wind; und von Artigkeiten kann man nicht leben, sie sind ein höflicher Betrug.
Jeder faßt seine Ansichten nach seinem Interesse und glaubt, einen Überfluß an Gründen für dieselben zu haben.
Gegen die List ist die beste Vormauer die Aufmerksamkeit. Für feine Schliche eine feine Nase.
Es gibt keinen, der nicht in irgendetwas der Lehrer des andern sein könnte: und jeder, der andre übertrifft, wird selbst noch von jemandem übertroffen werden.
Jeder träumt sich sein Glück und hält sich für ein Wunder. Die Hoffnung macht die übertriebensten Versprechungen, welche nachher die Erfahrung durchaus nicht erfüllt. Dergleichen eitle Einbildungen werden eine Quelle der Qualen, wenn einst die wahrhafte Wirklichkeit die Täuschung zerstört.
Die letzten Feinheiten der Kunst stets zurückbehalten – eine Maxime großer Meister.
Der Kluge tut gleich anfangs, was der Dumme erst am Ende. Der eine und der andere tun dasselbe, nur in der Zeit liegt der Unterschied: Jener tut es zur rechten, dieser zur unrechten.
Ein weiser Mann zieht mehr Nutzen aus seinen Feinden als ein Dummkopf aus seinen Freunden.
Freunde haben. Es ist ein zweites Dasein. Jeder Freund ist gut und weise für den Freund, und unter ihnen geht alles gut ab.
Falsch angelegte Dinge sind nie von Bestand: schon daß sie so viel verheißen, muß sie verdächtig machen; wie das, was zu viel beweist, selbst nicht richtig sein kann.
Dumm ist nicht, wer etwas Dummes begeht, sondern wer seine Dummheit nachher nicht zu bedecken versteht.
Seine vorherrschende Fähigkeit kennen, sein hervorstechendes Talent; sodann dieses ausbilden und den übrigen nachhelfen. Jeder wäre in irgend etwas ausgezeichnet geworden, hätte er seinen Vorzug gekannt. Man beobachte also seine überwiegende Eigenschaft und verwende auf diese allen Fleiß.
Alles schmeckt besser nach dem Entbehren. Der Besitz der Dinge vermindert nicht nur unseren Genuß, sondern er vermehrt auch unseren Verdruß.
Man begnüge sich mit dem Tun und überlasse andern das Reden darüber. Man gebe seine Taten hin, aber verkaufe sie nicht. Auch miete man sich nicht goldene Federn, die Unflat schreiben, zum Ekel der Klugen. Man strebe lieber danach, ein Held zu sein, als es zu scheinen.