Zitate von Baltasar Gracián
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Die meisten schätzen nicht, was sie verstehen; aber was sie nicht fassen können, verehren sie.

Von einem Augenblick der Wut oder der Fröhlichkeit wird man weiter geführt, als von vielen Stunden des Gleichmuts; und da bereitet manchmal eine kurze Weile die Beschämung des ganzen Lebens.

Der geistige Mut übertrifft die körperliche Kraft; er sei ein Schwert, das stets in der Scheide der Klugheit ruht, für die Gegenwart bereitet.

Mit dem Fleiße bringt ein mittelmäßiger Kopf es weiter, als ein überlegener ohne denselben. Die Arbeit ist der Preis, für den man den Ruhm erkauft; was wenig kostet, ist wenig wert.

Den Beleidigungen zuvorkommen und sie in Artigkeiten verwandeln: es ist schlauer sie zu vermeiden, als sie zu rächen.

Es gibt fremdartige Beschäftigungen, welche die Motten der kostbaren Zeit sind. Sich mit etwas Ungehörigem beschäftigen, ist schlimmer als Nichtstun.

Widerstand findet, und denkt bisweilen, daß noch mehr da ist, als er denkt: Dergestalt reicht sein Nachdenken ebensoweit als seine Besorgnis.

Keiner ist zu arm dafür, es kostet nichts, bewirkt doch viel und erhält seinen Wert erst, wenn man es weitergibt: ein böses Wort.

Hochachtung erlangt man desto weniger, je mehr man darauf ausgeht: denn sie hängt von der Meinung andrer ab, weshalb man sie sich nicht nehmen kann, sondern sie von den andern verdienen und abwarten muß.

Der Arzt beherrsche gleich viel Wissenschaft zum Nichtverschreiben wie zum Verschreiben, und oft besteht die Kunst gerade in Nichtanwendung der Mittel.

Hat man einmal die Meinung gewonnen, so ist es leicht, auch die Zuneigung zu gewinnen.

Wer alles verspricht, verspricht nichts: aber Versprechungen sind die Falle für die Dummen.

Man lerne, ein Gesicht zu entziffern und aus den Zügen die Seele herauszubuchstabieren. Man erkenne in dem, der immer lacht, einen Narren, in dem, der nie lacht, einen Falschen.

Man muß in allen Dingen stets etwas in Reserve haben: dadurch sichert man seine Bedeutsamkeit.

Die Handlungen sind die Frucht der Gedanken: waren diese weise; so sind jene erfolgreich.

Das meiste und das beste, was wir haben, hängt von andern ab: Freunde haben, ist ein zweites Dasein.

Leidenschaftslos sein: eine Eigenschaft der höchsten Geistesgröße, deren Überlegenheit selbst sie loskauft vom Joche gemeiner äußerer Eindrücke.

Es zeugt nicht von Klugheit, daß man den Übeln entgegengeht; es sei denn um sie zu überwinden.

Man darf nie dem kleineren Übel die Tür öffnen; denn hinter ihm werden sich stets viele andere und größere einschleichen.

Das Gedächtnis ist nicht allein widerspenstig, indem es uns verläßt, wenn wir es am meisten brauchen, sondern auch töricht, indem es herangelaufen kommt, wenn es sich gar nicht schickt.

Nicht bloß Ergötzen, sondern auch Nutzen muß man aus seinem Freunde schöpfen; denn er muß die drei Eigenschaften besitzen, welche einige dem Guten, andre dem Dinge überhaupt beilegen: Einheit, Güte und Wahrheit.

Einst war es die Kunst aller Künste, reden zu können: jetzt reicht das nicht aus; erraten muß man können.

Die Fähigkeit und die Größe soll man nach der Tugend messen und nicht nach den Umständen des Glücks. Sie allein ist sich selbst genug: Sie macht den Menschen im Leben liebenswürdig und im Tode denkwürdig.

Der Weise weiß, daß der Leitstern der Klugheit darin besteht, daß man sich nach der Gelegenheit richtet.

Jeder Dumme ist fest überzeugt; und jeder fest Überzeugte ist dumm: je irriger sein Urtheil, desto größer sein Starrsinn.

Don Juan ist nicht der Mann, der die Frauen liebt, sondern der Mann, den die Frauen lieben.

Es gibt Leute, welche mehr zum Hindernis als zur Zierde der Welt da sind, unnütze Möbeln, die jeder aus dem Wege rückt.

Dem Unglücklichen scheint es, daß das Glück und der Tod sich verschworen haben, ihn zu vergessen.

Andere wieder glauben durch ihre Beredsamkeit zu unterhalten und martern den Geist durch ihre Geschwätzigkeit.

Nie die Geheimnisse der Höheren wissen. Man glaubt, Kirschen mit ihnen zu essen, wird aber nur die Steine erhalten. Vielen gereichte es zum Verderben, dass sie Vertraute waren: Sie gleichen einem Löffel aus Brot und laufen nachher dieselbe Gefahr wie dieser.

Sogar in der Freundschaft sei es eine Ausnahme, daß man seine Fehler dem Freund anvertraut; ja, sich selber sollte man sie, wenn es sein könnte, verbergen.

Herz und Kopf: die beiden Pole der Sonne unserer Fähigkeiten: eines ohne das andere, halbes Glück. Verstand reicht nicht hin; Gemüt ist erfordert. Ein Unglück der Toren ist Verfehlung des Berufs im Stande, Amt, Lande, Umgang.

Man sei daher so ganz Herr über sich und so groß, daß man sich weder im größten Glück, noch im größten Unglück die Blöße einer Entrüstung gebe, vielmehr, als über jene erhaben, Bewunderung gebiete.

Ein Kluger weiß Verdrießlichkeiten zu vermeiden; aber ein dummer Freund schleppt sie ihm zu.

Man sei eher im Besitz einer verehrenden als einer hingebenden Liebe: so ist sie ganzen Leuten angemessen.

Es ist eine Schwäche großer Herren, mit dem Grundbaß von Ich sage etwas zu reden, zur Marter der Zuhörer: Bei jedem Satz horchen sie nach Beifall oder Schmeichelei und treiben die Geduld der Klugen aufs Äußerste.