Zitate von Emanuel Geibel
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Und dräut der Winter noch so sehr Mit trotzigen Gebärden; Und streut er Eis und Schnee umher, es muß doch Frühling werden.
Des Schülers Kraft entzündet sich am Meister – doch schürt sein jugendlicher Hauch zum Dank des Meisters Feuer auch.
Heißt dein Herz dich Gutes tun, Tu‘ es rein um deinetwillen; Läßt das Schöne dich nicht ruhn, Bild‘ es, deinen Trieb zu stillen; Doch das lasse dich ungeirrt, Was die Welt dazu sagen wird.
Ahnung sieht vom fernen Gipfel Oft das Künft’ge scharf und klar; Näher decken Busch und Wipfel Was von weitem deutlich war.
Denn zwischen uns ist eine Kluft gezogen, die sich verbinden läßt durch keine Brücke.
Der Maulwurf hört in seinem Loch ein Lerchenlied erklingen und spricht: Wie sinnlos ist es doch, zu fliegen und zu singen!
Glaube, dem die Tür versagt, steigt als Aberglaub‘ ins Fenster. Wenn die Götter ihr verjagt, kommen die Gespenster.
Der Pfad, auf dem der Held zur Größe wallt, ist steil und schmal, die meisten schreiten ihn in Einsamkeit.
Das ist der Bildung Fluch, darin wir leben, Daß ihr das Beste untergeht im vielen; Mit jedem Elemente will sie spielen Und wagt sich keinem voll dahinzugeben.
So ist der Tod auch ein Bad nur. Aber drüben am anderen Ufer liegt uns bereitet ein neu Gewand.
Oft wie der Goldfrucht Ball, frühzeitig gebrochen, im Schiff erst ausreift, wird dir das Glück erst als Erinnerung süß.
Kommt dir ein Schmerz, so halte still und frage, was er von dir will! Die e’wge Liebe schickt dir keinen, bloß darum daß du mögest weinen.
Wider den Schmerz sich zu vermauern ist so verkehrt wie maßlos Trauern; du sollst von ihm dich mahnen lassen, in dir dein Höchstes doppelt fest zu fassen.
Man soll kein Leben auf Gefühle bauen, Die mit den Dingen nicht im Einklang sind; Das Herz ist wandelbar, die Dinge bleiben.
Das ist des Lyrikers Kunst, aussprechen, was allen gemein ist, Wie er’s im tiefsten Gemüt neu und besonders erschuf; Oder dem Eigensten auch solch allverständlich Gepräge Leihn, daß jeglicher drin staunend sich selber erkennt.
Eifersucht macht scharfsichtig und blind, Sieht wie ein Schütz und trifft wie ein Kind.
Leicht ist’s törichtes Lob zu verschmähen. Erst wer den gesunden Tadel zu ehren versteht, wird als bescheiden gerühmt.
Was der Wissenschaft gefällt, Wird darum der Kunst nicht taugen; Beide schau’n dieselbe Welt, Doch mit ganz verschiednen Augen.
Laß dich nicht irren von Kritikastern, und wie du bist, so gib dich ganz! Trägst du nicht Rosen, so trägst du Astern, sie finden wohl auch ihre Stell‘ im Kranz.
Wenn du getan einen törichten Schritt, So tu‘ zurück ihn schnelle; Du machst ihn nimmer gut damit, Daß du behauptest die Stelle.
Weine dich aus im Schmerz! Dann greif entschlossen zur Arbeit! Was die Träne nicht löst, löst dich erquickend, der Schweiß.
Nur das mag wie mit festem Erz In Freundschaft zwei Genossen binden, Wenn Geist und Geist sich, Herz und Herz In einem höhern Dritten findet.
Freude macht uns Unsterblichen gleich. Das Siegel der Menschheit drückt uns der Schmerz auf die Stirn, wenn er uns beugt und erhebt.
Ahnend sagt dir ein weibliches Gemüt, was gut und was schön sei, doch mißtraue der Frau, wenn sie mit Gründen dir kommt.
Ein guter Witz darf nie zu sehr ins Breite gehen, soll nicht die Poesie selbst in die Weite gehen.
Durstig stehn sie am Gewässer, Stehn und streiten wutentbrannt; Trinkt sich’s aus der Schale besser Oder aus der hohlen Hand?
Sprich von Reue mir nicht, wenn du nichts empfindest als Unmut über die Folgen der Schuld oder aus Furcht des Gerichts. Wirkliche Reue ist verwandelnde Glut; nur weil du ein anderer wurdest, sobald du sie fühlst, hat sie zu sühnen Gewalt.
Darin gleichet der Dichter dem Kind. Es erscheint das Bekannte ihm wie ein Wunder, bekannt das Geheimnis ihn an.
Das Höchste bleibt ein freier Wille, Der, unverwirrt vom Fleisch und Blut, Sich selbst getreu in Stumm und Stille Das Gute, weil es gut ist, tut.
Bringet Kerzen, Wein und Saiten, Doch dann laßt dem Ding den Lauf! Freude läßt sich nicht bereiten, Wie die Blume geht sie auf.