Zitate von Georg Christoph Lichtenberg
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Nichts schmerzt mich mehr, bei allem meinem Tun und Lassen, als daß ich die Welt so ansehen muß, wie der gemeine Mann, da ich doch scientifisch weiß, daß er sie falsch ansieht.
Das Traurigste, was die französische Revolution für uns bewirkt hat, ist unstreitig, daß man jede vernünftige und von Gott- und Rechtswegen zu verlangende Forderung als einen Keim von Empörung ansehen wird.
Aus der Weisheit Gottes manche Sachen schließen zu wollen, ist nicht viel besser, als es aus seinem eignen Verstand zu tun.
Ich bin überzeugt, wenn Gott einmal einen solchen Menschen schaffen wollte, wie ihn sich die Magister und Professoren der Philosophie vorstellen, er müßte den ersten Tag ins Tollhaus gebracht werden.
Die Attraktion scheint bei der leblosen Materie das zu sein, was die Selbstliebe bei der lebendigen ist.
Dieses haben unsere Vorfahren aus gutem Grunde so geordnet, und wir stellen es aus gutem Grunde nun wieder ab.
Es ist eine Schande, die meisten unserer Wörter sind mißbrauchte Werkzeuge, die oft noch nach dem Schmutz riechen, in dem sie die vorigen Besitzer entweihten.
Vielleicht hält ein höheres Geschlecht von Geistern unsere Dichter wie wir die Nachtigallen und Kanarienvögel: Ihr Gesang gefällt ihnen eben deswegen, weil sie keinen Verstand darin finden.
Er war ein geschäftiger Schriftsteller und ein sehr fleißiger Leser seiner eigenen Artikel in den gelehrten Zeitungen und Journalen.
Ein Starker weiß mit seiner Kraft hauszuhalten, nur der Schwache will über seine Kraft hinaus wirken.
Aus einem Augenblick läßt sich kein Gesicht beurteilen, es muß eine Folge da sein.
Die wenigsten Menschen haben wohl recht über den Wert des Nichtseins gehörig nachgedacht. Unter Nichtsein nach dem Tode stelle ich mir den Zustand vor, in dem ich mich befand, ehe ich geboren wurde.
Darin besteht der Fortschritt der Welt, daß jede ältere Generation von der Jugend behauptet, sie tauge nichts mehr.
Man irrt sich gar sehr, wenn man aus dem, was ein Mann in Gesellschaft sagt oder auch tut, auf seinen Charakter oder Meinungen schließen will. Man spricht und handelt ja nicht immer vor Weltweisen; das Vergnügen eines Abends kann an einer Sophisterei hängen.
Wenn Religion der Menge schmecken soll, so muß sie notwendig etwas vom Hautgout des Aberglaubens haben.
Nützlicher wäre ein anderer Weg, den Charakter der Menschen zu erforschen, und der sich vielleicht wissenschaftlich behandeln ließe: Nämlich aus bekannten Handlungen eines Menschen, und die zu verbergen er keine Ursache zu haben glaubt, andere, nicht eingestandene zu finden.
Er schien eher Tischler-Arbeit zu sein als ein wirklich menschliches Geschöpf.
Bei uns liegt das Herz dem Kopf wenigstens um einen ganzen Schuh näher als bei den übrigen Menschen, daher meine große Billigkeit. Die Entschlüsse können noch ganz warm ratifiziert werden.
Es ist sonderbar, daß diejenigen Leute, die das Geld am liebsten haben und am besten zu Rathe halten, gern im Diminutiv davon sprechen: Da kann ich meine 600 Thälerchen dabei verdienen – ein hübsches Sümmchen! – Wer so sagt, schenkt nicht leicht ein halbes Thälerchen weg.
Bon sens, Menschen-Verstand, common sense wird zu oft für einen vollkommenen Sinn gehalten, in der Tat ist [er] aber weiter nichts, als eine immer wachsam anschauende Erkenntnis von der Wahrheit nützlicher allgemeiner Sätze.
Der Gedanke hat in dem Ausdruck noch zu viel Spielraum, ich habe mit dem Stockknopf hingewiesen, wo ich mit der Nadelspitze hätte hinweisen sollen.
Worüber die jetzige Welt lächelt, lächelt deswegen die Nachwelt noch nicht, und Kalender haben ein Recht auf die Nachwelt.
Weil er seine eigenen Pflichten immer vernachlässigte, so behielt er Zeit übrig, zu sehen, wer von seinen Mitbürgern seine Pflichten vernachlässigte, um es der Obrigkeit anzuzeigen.
Die Zahl der legislativen Glieder am physischen Staate werden täglich mehr, der exekutiven immer weniger.
Unsere meisten Ausdrücke sind metaphorisch. Es steckt in denselben die Philosophie unserer Vorfahren.
Die Mathematik ist eine gar herrliche Wissenschaft, aber die Mathematiker taugen oft den Henker nicht.
Bei vielen Menschen ist das Verse-Machen eine Entwicklungs-Krankheit des menschlichen Geistes.
Wer sich in etwas verbeißt, sieht oft nur das, worin die Zähne schlugen. Alles andere darum herum entgeht einem zumeist.
Der Zweck aller Erziehung ist, tugendhafte, verständige und gesunde Kinder zu erziehen.
Die sogenannten schlechten Leute gewinnen, wenn man sie genauer kennenlernt, und die guten verlieren.
Mancher kluge Kerl fiel auf seinen Kopf und wurde ein Narr, und ich erinnere mich, in den Memoiren der Pariser Akademie gelesen zu haben, daß dort einmal ein Narr auf den Kopf stürzte und klug wurde.
Wie geht’s, sagte ein Blinder zu einem Lahmen. Wie Sie sehen, antwortete der Lahme.
Was die wahre Freiheit und den wahren Gebrauch derselben am deutlichsten charakterisiert, ist der Missbrauch derselben.
Einem Esel wurde das Bild der Isis zu tragen auferlegt, und als das Volk das Bild mit Niederfallen verehrte, so glaubte er, die Ehre wäre ihm erwiesen.
Es ist doch sonderbar, daß wir so viele Mittel kennen, eine Krankheit zu befördern, und so wenige, sie zu heilen.
Nichts macht schneller alt, als der immer vorschwebende Gedanke, daß man älter wird.
Es gibt eine Menge kleiner moralischer Falschheiten, die man übt, ohne zu glauben, daß es schädlich sei; so wie man etwa aus ähnlicher Gleichgültigkeit gegen seine Gesundheit Tabak raucht.
Im Deutschen reimt sich Geld auf Welt; es ist kaum möglich, daß es einen vernünftigern Reim gäbe; ich biete allen Sprachen Trotz!
Sie tun die Taten, und wir übersetzen die Erzählungen davon ins Deutsche.
Die wahre Bedeutung eines Wortes in unserer Muttersprache zu verstehen, bringen wir gewiß oft viele Jahre hin. Ich verstehe auch zugleich hiermit die Bedeutungen, die ihm der Ton geben kann.
Man lasse nur einströmen, ohne Vorurteil, in unseren sinnlichen Werkzeugen liegt der Fehler nicht, wenn wir superklug oder Gecken sind, sondern in unserem Lesen und Vorurteilen.
Schöne Frauen werden gegenwärtig zu den Talenten ihres Mannes gerechnet.
Herr Camper erzählte, daß eine Gemeinde Grönländer, als ein Missionair ihnen die Flammen der Hölle recht fürchterlich malte, und viel von ihrer Hitze sprach, sich alle nach der Hölle zu sehnen angefangen hätten.
Bei dem Studio der Mathematik kann wohl nichts stärkeren Trost bei Unverständlichkeiten gewähren, als daß es sehr viel schwerer ist, eines andern Meditata zu verstehen, als selbst zu meditieren.
Die Buchdruckerkunst ist doch fürwahr eine Art von Messias unter den Erfindungen.
Die Zeiten, wo man anfängt die Regeln zu studieren, wie es andere Zeiten gemacht haben, daß sie es so weit brachten, sind böse Zeiten. Die besten Köpfe werden entsetzlich belesene, bleiche, schwindsüchtige Stubensitzer, anstatt gut verdauende, frische Erfinder zu sein.
Wenn wir vernünftig sprechen, sprechen wir nur immer unser Wesen und unsere Natur.