Zitate von Johann Gottfried Herder
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Das gemeinste Werk wird uns schwer, sobald es nur der Körper verrichtet, aber die Liebe macht uns das schwerste Geschäft leicht; sie giebt uns zur langwierigsten, entferntesten Bemühung Flügel.
Ein bescheidenes Gefühl wünscht wenig; es beschneidet der fernhin flatternden Phantasie die Flügel. Diejenigen Wünsche aber, die es in seiner stillen Einsamkeit ausbrütet, sind um so gewisser erfreuliche Boten einer schönen Zukunft.
An nichts verzweifeln! – alles ist möglich; nichts ist ohne Hoffnung; aber auch nichts der Bewunderung wert.
Wie unser Gang ein beständiges Fallen ist zur Rechten und zur Linken, so ist der Fortschritt der Völker zu Cultur.
Zuviel Keuschheit, die da schwächt, ist ebenso Laster als zuviel Unkeuschheit.
Keine Leserei erfordert eine so strenge Diät, als das Lesen abgerissener, hingestreuter Gedanken.
Je mehr die Kultur der Länder zunimmt, desto enger wird die Wüste, desto seltener ihre wilden Bewohner.
Kunst kommt von Können oder von Kennen her (nosse aut potesse), vielleicht von beiden, wenigstens muß sie beides in gehörigem Grad verbinden.
Jeder Mensch hat sein eigenes Schicksal, weil jeder seine eigene Art zu sein und zu handeln hat.
Nirgend auf Erden blühet die Rose der Glückseligkeit ohne Dornen; was aber aus diesen Dornen hevorgeht, ist allenthalben und unter allerlei Gestalten die zwar flüchtige, aber schöne Rose einer menschlichen Lebensfreude.
Der Mensch ist nie so vergnügt, als wenn er nach Wahn handeln kann, zumal nach einem von andern verdammten, von ihm selbst geformten, Lieblingswahne. Da lebt er recht in seinem Elemente und ist seiner Kunst Meister.
Unsere Zeit ist ein großer Wecker! Die grobe eiserne Wanduhr rasselt und ruft mit gewaltigen Schlägen.
Die Ehe soll Freundschaft sein und wehe, wo sie es nicht ist, wo sie nur Liebe und Appetit sein wollte!
Suche die Weisheit, Freund, als würdest du auf ewig hier sein; Tugend, als hätte dich schon der Tod am sträubenden Haar.
Ein Thor, der klaget stets andre an. Sich selbst anklaget ein halb schon weiser Mann. Nicht sich, nicht andre klaget der Weise an.
Zum Empfangen und Geben ist der Mensch geschaffen, zu Wirksamkeit und Freude, zum Tun und zum Leiden.
Was geboren ward, muß sterben; Was da stirbt, wird neu geboren. Mensch, du weißt nicht, was du warest; Was du jetzt bist, lerne kennen, Und erwarte, was du sein wirst.
Auch mit wenigem lebt man glücklich; zu verschmähen den Reichtum ist auch Reichtum; nüchtern-fröhliche Armut machet nüchtern, tapfer und fröhlich.
Aus glücklichen Familien besteht das Wohl des Staates; oder seine Glückseligkeit ist Scheingröße.
Was in den Herzen anderer von uns lebt, ist unser wahrstes und tiefstes Selbst.
Arm an Reizen ist unser Leben und dürftig an Freuden, wenn wir die Sorgen nicht reißen aus unserer Brust. Graue Haare pflanzen sie auf, dem grünenden Scheitel; zehren der Menschen Gemüth wütend und wütender aus.
Zoroasters Religion ist zugleich Philosophie, die Religion der Griechen zugleich Kunst, Mosis Religion zugleich Staat; Christi Religion ist bloß Seele und Leben, aus denen dies alles kommen kann.
Die Sonne geht unter, damit Nacht werde und Menschen sich über eine neue Morgenröte freuen können.
Alles sinkt im Strom der Zeiten; Nur der Freundschaft Blume blühet Unzerstörbar auf den Wellen, Und wie schön jenseit des Stromes!
Jeder Lehrer muß seine eigene Methode haben, er muß sie sich mit Verstande erschaffen haben, sonst frommt er nicht; ein blinder Führer der Blinden!
Wer traut auf Weibertreu, Der trügt sich sehr, der büßt es schwer Mit mancher späten Reu.
Die alten Deutschen faßten Entschlüsse in Trunkenheit und führten sie nüchtern aus, andere werden sie nüchtern fassen und trunken ausführen.
Kein größerer Schaden kann einer Nation zugefügt werden, als wenn man ihr den Nationalcharakter, die Eigenheit ihres Geistes und ihrer Sprache beraubt.
Schönheit der Nachtigall ist der Nachtigall liebliche Stimme, Schönheit des Weibes ist sanfte gefällige Treue.
Wer den Freund aufrichtig empfängt, Verwandte mit Achtung, Frauen mit Höflichkeit, Arme mit Gaben und Gunst, Stolze mit Demut, irrende Menschen mit sanfter Belehrung, Weise nach ihrem Gemüt, der ist ein freundlicher Mann.
Allen Sinnen liegt Gefühl zum Grunde, und dies gibt den verschiedenartigsten Sensationen schon ein so inniges, starkes, unaussprechliches Band, daß aus dieser Verbindung die sonderbarsten Erscheinungen entstehen.
Das Menschengeschlecht, wie es jetzt ist und wahrscheinlich noch lange sein wird, hat seinem größten Teil nach keine Würde. Man darf es eher bemitleiden als verehren.
Wie der köstlichste Wein von seinem Boden Geschmack nimmt, Saft und Farbe, so sind wir die Gewächse der Zeit; Dies kocht reifer die Sonne, dem gibt sie süßere Anmut, Aber des Bodens Natur ändert nicht Sonne noch Zeit.
Und willst Du mir die Frühlingszeit, Die kurze Jugendzeit, zur Freude nicht vergönnen? O Freund, die Parze spinnt den Faden weit Und schwarz und lang genug, um weise sein zu können.
Und was die Vernunft vernimmt, vernahm sie; was geschieht, das wird Geschichte, thierisch und menschlich.
Wer den Ton in Dur angibt, dem wird, früher oder später, in Dur geantwortet.
Wir leben in der Zeit; folglich müssen wir auch mit ihr und für sie leben und leben lernen.