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Ist die Sprache eines Menschen, einer menschlichen Gesellschaft schleppend, hart, verworren, kraftlos, unbestimmt, ungebildet, so ist's gewiß auch der Geist dieser Menschen; denn sie denken ja nur in und mit der Sprache.
Johann Gottfried HerderVenedig ist eine sonderbare Stadt, die gleichsam aus der See emporsteigt, voll Gedränges von Menschen, voll Fleiß und Betrügerei. Es ist mir lieb, dass ich sie gesehen habe.
Johann Gottfried HerderSo wie die Flamme des Lichts auch umgewendet hinauf strahlt, So, vom Schicksal gebeugt, strebet der Gute empor.
Johann Gottfried HerderDer Mensch [ist] zwar ein schwaches Kind, aber doch ein Freigeborner; wenn noch nicht vernünftig, so doch einer bessern Vernunft fähig.
Johann Gottfried HerderHoffnung, Hoffnung, immer grün! Wenn dem Armen alles Fehlet, alles weicht, ihn alles quälet, du, o Hoffnung, labest ihn.
Johann Gottfried HerderSchnelle Vortrefflichkeit steht auch am ehesten still. Vögel, entschlüpfend dem Ei, sind, was sie sollen, von Anfang; langsam wächset der Mensch, aber zum Herrscher der Welt.
Johann Gottfried HerderSeine Muttersprache verstehen, recht und andringend reden, gescheit und vernünftig schreiben lernen, muß jetzt ein jeder. Es ist ein redendes und schreibendes Jahrhundert; das folgende wird es nach allen gegebenen Anlagen nicht minder werden.
Johann Gottfried HerderEin Buch hat oft auf eine ganze Lebenszeit einen Menschen gebildet oder verdorben.
Johann Gottfried HerderWie du im Herzen glaubst, so wird dir das Schicksal begegnen; was du an andern tust, wird dir von andern geschehn.
Johann Gottfried HerderLangsam gehe dir die Freundin Entschließung zur Seite; eilt sie voran, so holt bald auch die Reue sie ein.
Johann Gottfried HerderEinem Menschen sein hiesiges Dasein rauben, um ihn mit einem andern außer unserer Welt zu belohnen, heißt den Menschen um sein Dasein betrügen.
Johann Gottfried HerderDurch feine Spekulationen ist nie der Geist einer Nation geändert, aber durch große Beispiele allemal.
Johann Gottfried HerderWahrheit und Gerechtigkeit, die Ordnerinnen der Welt, als sie sich ein inneres Heiligtum suchten, fanden sie es auf Erden nirgends als im Geist, in der Brust des Menschen. Da wohnen sie noch; da tönt ihre Stimme wieder.
Johann Gottfried HerderWer seinen Sinnen nicht traut, ist ein Tor und muß ein leerer Spekulant werden; dagegen wer sie trauend übt und eben dadurch erforscht und berichtigt, der allein gewinnet einen Schatz der Erfahrung für sein menschliches Leben.
Johann Gottfried HerderRühre die Laute nicht, wenn ringsum Trommeln erschallen; führen Narren das Wort, schweiget der Weise still.
Johann Gottfried HerderGüter sind uns gegeben, des Lebens Last zu erleichtern; nicht das Leben, um uns schwer zu beladen mit Gut. Glücklich ist, wer genießt und sät; wer stirbt und zurückläßt, hieße ein reicher und war doch nur ein unglücklicher Mann.
Johann Gottfried HerderMan spricht oft von unglücklichen Familien und warum sollte es deren nicht geben? Erben sich nicht falsche Grundsätze und Gedankenverwirrungen, böse Anlagen und Leidenschaften wie Seuchen und Gebrechen fort und werden sie nicht oft durch Erziehung genähret?
Johann Gottfried HerderEin edler Held ist, der für's Vaterland, Ein edlerer, der für des Landes Wohl, Der edelste, der für die Menschheit kämpft.
Johann Gottfried HerderEinzeln ist der Mensch ein schwaches Wesen, aber stark in Verbindung mit anderen. Einsam müht er sich oft umsonst. Ein Blick des Freundes in sein Herz, ein Wort seines Rates, seines Trostes weitet und hebt ihm den niedrigen Himmel, rückt ihm die Decke des Trauerns hinweg.
Johann Gottfried HerderDer ist der Tapfere nicht, der den zornigen Löwen hervorlockt. Der ist's, der auch im Zorne die Worte gütig beherrscht.
Johann Gottfried HerderWenn die Bäume voll von Früchten hängen, neigen sie die Äste freundlich nieder.
Johann Gottfried HerderFürchterlicher ist den Bösen nichts, als derer, die sie hassen, fern erworb'ner, schöner Ruhm.
Johann Gottfried HerderDrücke den Pfeil zu schnell nicht ab, der nimmer zurückkehrt! Glück zu zerstören, ist leicht, wiederzugeben so schwer.
Johann Gottfried HerderHomer macht Thersites nicht häßlich, um ihn lächerlich zu machen. Häßlichkeit an Seele und Körper ist sein Charakter, der blos dadurch gemildert wird, daß er auf nichts Schädliches ausläuft.
Johann Gottfried HerderEhe heißt Ordnung; sie ist der älteste und schönste Orden, den der Schöpfer selbst gestiftet und mit seinem Segen beehrt hat.
Johann Gottfried HerderThränen und Seufzer löschen nicht aus die Tafel des Schicksals; Bitten und Schmeichelei'n ändern kein Pünktchen auf ihr. Kümmerte sich der Engel, der über die Winde gesetzt ist, ob sein brausender Hauch irgendein Licht'chen verweh'?
Johann Gottfried HerderAuch den vertrautesten Freund verschone mit deinem Geheimnis: forderst du Treue von ihm, die du dir selber versagst?
Johann Gottfried HerderAlles ist in der Natur verbunden: Ein Zustand strebt zum anderen und bereitet ihn vor.
Johann Gottfried HerderDer tiefste Grund unsres Daseins ist individuell, sowohl in Empfindungen als in Gedanken.
Johann Gottfried HerderDer Aberglaube macht die Gottheit zum Götzen, und der Götzendiener ist um so gefährlicher, weil er ein Schwärmer ist.
Johann Gottfried HerderWohlgereimte Sentenzen sind Machtsprüche; sie tragen im Reim das Siegel der ewigen Wahrheit.
Johann Gottfried HerderDie Schönheit der Welt ist nur für den ruhigen Genuß geschaffen. Mittels seiner allein teilt sie sich dem Menschen mit und verkörpert sich in ihm.
Johann Gottfried HerderDie Moral blühet schön in Worten und zieht ihre Ranken hie und dort hin, ja sie umschlingt jede Ritze einer Menschenseele; die Sonne geht auf und sie ist nicht mehr, der Mensch, der sie erfand, verleugnet sie selbst und kein Ort kennt ihre Stätte.
Johann Gottfried HerderWeise Männer bedürfen minder der Könige Freundschaft, als der König des Rats weiser Männer bedarf.
Johann Gottfried Herder