Zitate von Johann Gottfried Herder
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Nichts in der Welt hat mehr Sprünge und kühne Würfe als die Lieder des Volkes.
Der Mensch soll in seinen künftigen Zustand nicht hineinschauen, sondern sich hineinglauben.
Gibt die Buchdruckerkunst nicht dem Wort Allgegenwart Gemeinnutz und Ewigkeit?
Das Succeßive in den Tönen ist nicht das Wesen der Dichtkunst. Ganz und gar auch nicht mit dem Coexsistenten der Farben zu vergleichen. Aus dem Succeßiven der Poesie folgt nicht, daß sie Handlungen schildere. Das Succeßive der Töne kommt jeder Rede zu.
Eine gute Rede muß so individuell sein, daß sie von keinem andern und zu keinem andern gehalten werden könnte. Sie muß immer Gelegenheitsrede sein.
Ein Ruhm, der wie ein Sturmwind braust, ist selbst ein Sturm, der bald verbraust.
Waren die Römer weiser und glücklicher, als es die Griechen waren? Und sind wir’s mehr als beide?
Liebe ist die größte Weisheit; Liebe ist unser Königreich aus dem Paradiese; worüber wir mit Liebe herrschen, das ist gewiß unser. Je weiter wir also diess verbreiten und je enger zugleich es an uns ziehen können, desto weiser und glücklicher sind wir.
Im Feuer der Widerwärtigkeit und auf dem Amboß der Armut härtet sich edles Metall, während unedles zerrinnt und zerstiebt.
Nicht um meine Sprache zu verlernen, lerne ich andere Sprachen, sondern ich gehe bloß durch fremde Gärten, um für meine Sprache Blumen zu holen.
Liebe, du der Menschen göttlichster Verstand, die des Unglücks Stürme siegend überwand, die im Unglück fester Herz an Herz band, knüpfte Seel an Seele, knüpfte Hand in Hand.
Weißt du, was nie zu sättigen ist? Das Auge der Habsucht. Alle Güter der Welt füllen die Höhle nicht aus.
Weiberschönheit macht durch ihren allmächtigen Zauber weise Männer zu Toren.
Alles Übertreibende und Übertriebene geht vorüber. Jede Bewegung sucht den Schwerpunkt, auf welchem sie ruhen möge.
Humanität ist der Charakter unsers Geschlechts; er ist uns aber nur in Anlagen angeboren und muss uns eigentlich angebildet werden. Wir bringen ihn nicht fertig auf die Welt mit; auf der Welt aber soll er das Ziel unseres Bestrebens, die Summe unserer Übungen, unser Wert sein.
Die Zeit ist ein strenger Buchhalter, ein wahres Kontinuum der Dinge, das nichts übersieht, das nie belügt.
Wer sich hinsetzt und eine trockene Lehre, einen dünnen Sittenspruch in eine Schale nähet, dem ist die wahre Fabelmuse nie erschienen.
Es ist ein Unterschied zwischen Cultur der Gelehrten und Cultur des Volkes. … So ist die Algebra noch jetzt eine geheime Wissenschaft: denn es verstehen sie wenige in Europa, obwohl es keinem durch Befehle verboten ist, sie verstehen zu lernen.
Die erste und letzte Philosophie ist immer Religion gewesen. Auch die wildesten Völker haben sich darin geübt: denn kein Volk der Erde ist völlig ohne sie, so wenig als ohne menschliche Vernunftfähigkeit und Gestalt, ohne Sprache und Ehe, ohne eigene menschliche Sitten und Gebräuche gefunden worden.
Nie erwirbt man sich Hochachtung, wo man alles von sich reißen, alles übersehen läßt.
Wie unser Gang ein beständiges Fallen ist zur Rechten und zur Linken, und dennoch kommen wir mit jedem Schritt weiter, so ist der Fortschritt der Kultur in Menschengeschlechtern und ganzen Völkern.
Manns Verstand zeigt oft auch eine flüchtige Stunde, Manns Gemüt bewährt oft mit den Jahren sich erst.
Aufklären heißt nicht bilden; alle Aufklärungsanstalten verfehlen nicht allein, sie vernichten den letzten Zweck aller Bildung: Menschheit und Glückseligkeit.
Niemand schaden, allen Hilfe leisten, jedermann ein heilger Altar sein, ist Religion. Und diese Freundin geht mit uns, wenn alles einst zurückbleibt.
Der edle Mensch sucht allenthalben das Bessere, das Beste, wie der Zeichner malerische Gegenden aufsucht. Auch hinter dem Schleier böser Gewohnheiten wird jener ursprünglich gute, aber mißbrauchte Grundsätze bemerken, und auch aus dem Abgrunde des Meeres nicht Schlamm, sondern Perlen holen.
Mache deine Bilder der Einbildungskraft so ewig, daß du sie nicht verlierest, wiederhole sie aber auch nicht zur Unzeit!
Junger Mann, die Frauen kennen Ist dir nützlich; dieses Wissen Übersteiget jedes andre; Doch zu weithin – forsche nicht.
Des Menschenfreundes Lüge in der Not Ist edler als des Menschenhassers Wahrheit.
Das Alter ist eine schöne Krone, man findet sie nur auf dem Wege der Mäßigkeit, der Gerechtigkeit und Weisheit.
Der Weise geht auf seinem Wege fort, die menschliche Vernunft aufzuklären, und zuckt nur denn die Achseln, wenn andre Narren von dieser Aufklärung als einem letzten Zwecke, als einer Ewigkeit reden.
Fache den Funken nicht an, der zwischen Freunden erglimmt ist; leicht versöhnen sie sich, und du bist beiden verhaßt.
Die größten Veränderungen der Welt sind von Halbwahnsinnigen bewirkt worden, und zu mancher rühmlichen Handlung, zu manchem scharf verfolgten Geschäfte des Lebens gehörte wirklich eine Art bleibenden Wahnsinns.
Gold, du Vater der Schmeichler, du Sohn der Schmerzen und Sorgen! Wer dich entbehret, hat Müh‘, wer dich besitzet, hat Leid.
Keine zwei Dinge konnten einander an sich fremder sein als das römische Papsttum und der Geist deutscher Sitten: jenes untergrub diese unaufhörlich, wie es sich gegenteils vieles aus ihnen zueignete und zuletzt alles zu einem deutsch-römischen Chaos machte.
Eigne gute Menschenart kann eine fremde Menschenart allein verstehen und trösten und ahnen.