Zitate von Johann Gottfried Seume
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Predigt nur immer brav Geduld, so ist die Sklaverei fertig! Denn von der Geduld zum Beweise, daß ihr alles dulden müßt, hat die Gaunerei einen leichten Übergang.

Man bringt erst schlau genug die Erbsünde in den Menschen hinein, um sich ihrer nachher als Schurkerei zu bedienen.

Apokryphen nenne ich Dinge, aus denen man so eigentlich nicht recht weiß, was man zu machen hat. Es ist also alles in uns und um uns sehr apokryphisch, und man dürfte vielleicht sagen: die ganze Welt ist eine große Apokryphe. Mir ist es sehr lieb, wenn sie anderen verständlicher ist als mir.

Wenn nur erst der zehnte Teil der Menschen leidlich gescheit wäre, so hätte die Vernunft Hoffnung zur Herrschaft.

Wo das Volk keine Stimme hat, steht’s auch um die Könige schlecht, und wo die Könige kein Ansehen haben, steht’s schlecht um das Volk.

Einheit kann nur das Verderben hemmen, Und die Einheit fliehn wir wie die Pest.

Wenn die Menschen endlich vernünftig sein werden, wird die Erde vielleicht am Marasmus senilis [Altersschwäche] sterben.

Gewisse Dinge glaube ich sogleich, wenn ich sie höre, so sehr haben sie den Stempel der Wahrheit; gewisse Dinge, wenn ich sie sehe; gewisse Dinge muß ich sehen und hören, um sie zu glauben; und gewisse Dinge glaube ich nicht, wenn ich sie auch sehe und höre.

Gleichheit ist im Recht, was der Satz des Widerspruchs in der Philosophie ist.

Mich schlägt bei meinem Blicke in die Welt nichts mehr nieder, als daß ich so viele Gesichter sehe, die ihre Ansprüche auf irgendein Privilegium auf die Nase gepflanzt haben.

Wer mit einem guten Gedanken stirbt, ist immer glücklicher, als wer als Sieger über ein Schlachtfeld zieht.

Nur wo Nationen sind, gibt es Taten, sonst ist nichts als despotische Maschinerie.

Wo ein einziger Mann den Staat erhalten kann, ist der Staat in seiner Fäulnis kaum der Erhaltung wert.

Wer den ersten Gedanken der Gerechtigkeit hatte, war ein göttlicher Mensch; aber noch göttlicher wird der sein, der ihn wirklich ausführt.

Wer mehr als gewöhnlichen Respekt verlangt, verdient auch den gewöhnlichen nicht.

Wo sich der ehrliche Mann zu fürchten anfängt, hört meistens der Schurke zu fürchten auf und umgekehrt.

Der Enthusiasmus der Freiheit ist, heller betrachtet, nichts anders als die Vorstellung der allgemeinen Gerechtigkeit.

Wenn ich die Welt ansehe, freue ich mich, daß ich keine Kinder habe. Denn was würden sie anders werden als Sklaven oder Handlanger der Despoten? Freiheit und Vernunft gehören noch nicht in unsere Zeit.

Es ist nur noch ein Ungeheuer, welches gräßlicher ist als Tyrannenunvernunft: Die Volkswut; und nur die Furcht vor der letzten macht die erste erträglich.

Wer die andern neben sich klein macht, ist nie groß. Gewöhnlich sind die sogenannten Großen am kleinsten, wo der goldene und bleierne Pöbel sie anstaunt.

Den Ruhm soll der Weise verachten, aber nicht die Ehre. Nur selten ist Ehre, wo Ruhm ist, und fast noch seltner Ruhm, wo Ehre ist.

Wo die meiste sogenannte positive Religion war, war immer die wenigste Moralität.

Wenn dem Menschen nicht immer etwas teurer ist als das Leben, so ist das Leben nicht viel wert.

Laßt euch nur einmal eine Offenbarung aufbürden, und man wird euch bald soviel Unsinn offenbaren daß ihr vor Angst in der Nacht den großen Bär und am Tage die Sonne nicht finden könnt.

Man wird zum Gotteslästerer und Vernunftleugner beim Blick auf die Welt, und doch ist dieser Gedanke an Gott und Vernunft das einzige Heilige und Große, was wir haben. Der Rest ist Schlamm und Sumpfluft.

Wer in sich nicht Licht und Kraft genug hat, kommt bei dem Studium der Geschichte in Gefahr, sich unbedingt dem Unsinn zu ergeben.

Man darf nur die meisten Menschen bestimmt nötig haben, um sogleich ihre Bösartigkeit zu wecken.

Solange kein Privilegium ist, findet kein Despotismus statt: mit dem ersten Privilegium hält er seinen Einzug.

Einige leben vor ihrem Tode, andere nach ihrem Tode. Die meisten Menschen leben aber weder vor noch nach demselben; sie lassen sich gemächlich in die Welt herein und aus der Welt heraus vegetieren.

Es ist gleich schwach und gefährlich, die öffentliche Stimme zu viel oder zu wenig zu achten.

Die meisten Bücherschreiber verschwenden eine ungeheure Gelehrsamkeit, um nichts zu sagen, und die meisten Diplomatiker machen unendliche Zirkumherumschweife, um nichts zu tun.

Ein Glück für die Despoten, daß die eine Hälfte der Menschen nicht denkt und die andere nicht fühlt.

„Ihr vertraget gern die Narren, die weil Ihr klug seid!“ ist wohl einer der weisesten Sprüche des guten Paulus.

Hoffe nichts und fürchte nichts auf Erden Mit Leidenschaft, und du wirst glücklich werden.

Über einen Regenten muß man kein Urteil haben, als bis er zwanzig Jahre regiert hat.

Wenn nur jeder sicher hätte, was er verdiente, so würde alles allgemein gut genug gehen.