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So verstümmelt ist oft die menschliche Natur, daß Tyrannen ihre Wohltäter werden müssen.
Johann Gottfried SeumeEine gute Tat, wenn sie wirklich die Probe hält, ist besser als Millionen guter Worte, aber manchmal ist das Wort die Tat selbst, und dann hat es hohen Wert.
Johann Gottfried SeumeWer das Wort der Denkfreiheit erfunden hat, war gewiß ein Dummkopf, der weiter nichts erfunden hat.
Johann Gottfried SeumeIhr sagt: Gott schuf die Welt! - Geheimnis, hülle Uns tief in deine volle Wahrheit ein! Er tat's, wir glauben es aus ganzer Fülle. Wie? Wann? Aus was? - Wer wagt dies anzureihn? Dies ist nur Stoff für Gottes Geist allein.
Johann Gottfried SeumePolitisch ist, was zu dem allgemeinen Wohl etwas beiträgt oder beitragen soll.
Johann Gottfried SeumeDie Vernunft ist immer republikanisch, aber die Menschen scheinen, wenn man die Synopse ihrer Geschichte nimmt, doch durchaus zum Despotismus geboren zu sein.
Johann Gottfried SeumeWer die Krankheit hat, keine Ungerechtigkeiten ertragen zu können, darf nicht zum Fenster hinaussehen und muß die Stubentüre zuschließen. Vielleicht tut er auch wohl, wenn er den Spiegel wegnimmt.
Johann Gottfried SeumeDie Kunst lebt im Zwielicht der Vernunft und ist immer eine Jugendtochter des Geistes. Solange der Geist in der Kunst lebt, ist er jung.
Johann Gottfried SeumeDie beste Verwahrung gegen Leidenschaften aller Art ist nahe, gründliche Bekanntschaft mit dem Gegenstand.
Johann Gottfried SeumeDas Schild der Humanität ist die beste, sicherste Decke der niederträchtigsten öffentlichen Gaunerei.
Johann Gottfried SeumeSchmerz und Freude liegen in einer Schale; ihre Mischung ist des Menschen Los.
Johann Gottfried SeumeGeregnet muß es haben, wenn die Sonne lieblich scheinen, gestürmt muß es haben, wenn die Stille uns wohl thun soll; nur durch einen Zusatz von Bitterkeit gewinnt das Leben seinen wahren Hochgenuß.
Johann Gottfried SeumeDer Staat sollte vorzüglich nur für die Ärmeren sorgen. Die Reichen sorgen leider nur zu sehr für sich selbst.
Johann Gottfried SeumeDas Los des Menschen scheint zu sein, nicht Wahrheit, sondern Ringen und Wahrheit, nicht Freiheit und Gerechtigkeit und Glückseligkeit, sondern Ringen darnach.
Johann Gottfried SeumeEs ist eine gewöhnliche Narrheit der sogenannten besseren Gesellschaft, das Gemeine für schlecht zu halten.
Johann Gottfried SeumeLiebe und Hochachtung den Eltern, Treue den Freunden, Ehrfurcht der Religion, Gehorsam den Gesetzen, Mut dem Vaterlande, Gerechtigkeit und Menschlichkeit allen!
Johann Gottfried SeumeUnbedingter Gehorsam ist kein Gedanke unter vernünftigen Wesen. Wo mich jemand nach seiner Willkür brauchen kann, bin ich ihm keinen Gehorsam schuldig, das geht aus der moralischen Natur des Menschen hervor.
Johann Gottfried SeumeWenn die Menschen ohne Leidenschaft wären, würde freilich viel Böses verschwinden, aber auch sehr viel von dem, was jetzt sehr gut aussieht.
Johann Gottfried SeumeDie Geschichte ist am Ende doch ganz allein das Magazin unseres Guten und Schlimmen.
Johann Gottfried SeumeWer keinen Freund hat, verdient keinen; ein halb wahrer Satz. Aber wer keinen Feind hat, verdient keinen Freund, möchte eher zu beweisen sein.
Johann Gottfried SeumeDem Eroberer sind die Menschen Schachfiguren und eine verwüstete Provinz ein Kohlenmeiler.
Johann Gottfried SeumeMit der Furcht fängt die Sklaverei an, aber auch mit Zutrauen und Sorglosigkeit.
Johann Gottfried SeumeWenn ich von jemand höre, er sei fromm, so nehme ich mich sogleich sehr vor seiner Gottlosigkeit in acht.
Johann Gottfried SeumeOb die Menschen Vernunft haben, ist mir entsetzlich problematisch; ich habe wenigstens in ihren politischen, philosophischen und öffentlich moralischen Vorkehrungen sehr wenig davon wahrgenommen. Am meisten Vernunftähnliches findet man noch im Häuslichen.
Johann Gottfried SeumeGroß ist das, wovor ich mit dem ganzen Gefühl meiner physischen und moralischen Kraft staunend stehe und sage: "Das vermag ich nicht!" Meistens macht die Kleinheit die Größe.
Johann Gottfried SeumeEhe der Körper eines großen Mannes Asche ist, kann man selten mit einiger Richtigkeit über seinen Charakter urteilen.
Johann Gottfried SeumeRebellion heißt Widerstand und Empörung, heißt Kraft und Mut, geradezugehen; beides können also schöne, männliche Tugenden sein. Nur die Umstände stempeln sie mit Schande.
Johann Gottfried SeumeDaß ein Narr zehn andere macht, ist freilich schlimm genug, aber weit schlimmer ist es noch, daß auch ein Schurke zehn andere macht. Nur die Vernunft macht wenig Proselyten (neu Hinzugekommene).
Johann Gottfried SeumeKeine Gesetze sind unabänderlich als die Gesetze der ewigen Natur; und dieser sind wenige, und sie sind deutlich.
Johann Gottfried SeumeRuhig lächelnd sagte der Hurone: Seht, ihr fremden, klugen, weißen Leute, Seht, wir Wilden sind doch bess're Menschen! Und er schlug sich seitwärts in die Büsche.
Johann Gottfried SeumeWas als Böses erscheint, ist meistens böse, aber was als Gutes erscheint, ist nicht immer gut.
Johann Gottfried SeumeNun sah ich zurück auf die schöne Gegend, (sc. Meißen) die schon Melanchthon so lieblich fand, dass er dort zu leben wünschte, und überlief in Gedanken schnell alle glücklichen Tage, die ich derselben genossen hatte.
Johann Gottfried SeumeWenn sich nur niemand fürchtete zu sagen, was die Sache ist, so würden alle Sachen besser gehen.
Johann Gottfried SeumeDer Freuden und der Marter Quelle Und Heil und Gift für Seel' und Leib, Der Erde Paradies und Hölle Liegt in dem Worte Weib!
Johann Gottfried SeumeDie Religion ist die beste Führerin durch das Leben, die beste Leiterin in frohen Tagen, die beste Trösterin im Unglücke.
Johann Gottfried SeumeWer reine Wahrheit zu reden wagt, sollte sogleich seinen Stockknopf mit Gift füttern.
Johann Gottfried Seume