Andreas Egert Zitate
seite 5

Bei halbwegs konvertierbaren Wortwechseln muß man erst mal einen devoten Vokabel-Importeur finden, der auch in der gleichen Währung tauschen kann

Zeit: nachtragende Magd, die es allein wegen ihrer aufreizenden Penetranz noch nicht einmal verdient, totgeschlagen zu werden

Aggressivität : gerne unterschätztes Lebenselixier, das in besonders hoch entwickelten Gesellschaften bevorzugt verdammt wird und in einer primitiven Sehnsucht nach einem alter ego allenfalls dem edlen Fremden als liebenswertes Kainsmal zugeschrieben wird

Gleichgültigkeit: angenehmere Todesursache, die, obwohl schleichend, den geringsten Schmerz verheißt.

Verbraucherschutz: harmlose und nützliche Verdauungsstörung einer modernen Demokratie-Diktatur – stärkt die konservierende und illusionäre „Mit mir nicht“ – Attitüde, bei der es noch nicht einmal zu einer anständigen Plattitüde reicht.

Sie schrieb Seifen-Opern, die so steril waren, dass es noch nicht einmal zu Musicals reichte

Prominentenkult, gegenwärtiger : Endstation einer fortschreitenden gesellschaftlichen Entortung – Sieg der blendenden Allusion über die seriöse Illusion

automatisches schreiben: die verachtung grammatikalischer regeln kann einem geistesaristokratischen willen zur ästhetischen formvollendung auf einer wahrlich surrealen weltfolie entspringen

Korrespondent: ehemals halbwegs fähiger Journalist, der sich sein Altenteil aufgrund vermeintlich hervorragender Leistungen in der Vergangenheit nunmehr als überbezahlter Wetterfrosch, bevorzugt in den Vereinigten Staaten, verdient.

An der Trennung zeigt sich die Größe einer Leidenschaft- bei den großen wechselt das Fieber nämlich seinen Takt – es trabt nicht mehr, nein, es galoppiert davon und brennt selbst dem geübteren Reiter durch.

filmmusik: roter klangteppich mit doppeltem boden und meistens der kitt, der ungenauen regisseuren über die schwachstellen ihrer unmusikalischen partituren hinweghilft – fein temperierte tonsaucen sind dabei freilich eine seltene gaumenfreude

Zote: Glückssekunde der Schulterklopfer – versammelt deren gesamten Reichtum an Esprit

Burned-Out-Syndrom (seltene Bereicherung des internationalen Wortschatzes dank eines passiven Amerikanismus): saftige Belohnung und kühlende Beruhigung für leicht entflammbare Gemüter – ein elitärer Geisteszustand, den die meisten gutgelaunten Zeitgenossen nur vom Hörensagen kennen können

Kompetenz: gipfelt meistens im Gerangel, Wirrwarr oder Tohuwabohu – nichts genaues weiß man nicht : Agnostizismus der Krämerseelen

Wasserträger: letzte, ehrenvolle Vertreter der Arbeiterklasse, die, bei allem Übereifer, nicht selten verdursten

Satisfaktion (bildungssprachlich veraltetes Ehren-Wort): Kniefall vor dem Hormonstau – heute fast vollständig im Duell mit der degenerierten Zivilisation enthauptet.

Emanzipation: bemerkenswert erfolgreicher Versuch, sich den Dschungel mit dem Nudelholz zu erobern.

Gott: allmächtiger Vater, der, in seiner unendlichen Güte, seinen unehelichen Sohn ans Kreuz nageln läßt, um seine Allein-Regentschaft zu manifestieren.

Satire: blindes Ringen von geistigen Fliegengewichtlern um den tugendhaft verklärten Willen zur Ohnmacht

Sozialdemokrat : angehender Konservativer, der in seiner großzügig bemessenen Probezeit lediglich noch die ein oder andere Gewerkschaft mit diversen Reformen erledigen muss

Kommunitarismus : Schreckensszenario der fröhlichen Zivilgesellschaft : Zwangs-Geselligkeit mit falschen Schwiegermüttern und andere(r) Familienbande, die sich noch nicht einmal über den eigenen Vorgarten streiten.

Redaktion : manchmal sogar staatlich geförderte Legebatterie für schwer therapierbare Hühner, deren Eier nur anderthalb Minuten kochen können und die deshalb umso lauter gackern müssen