Zitate von Anselm Vogt
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„Hat das Leben einen Sinn?“, fragte der Monist. „Hätte es nur einen, dann hätte es keinen“, meinte der Pluralist.

Während in anderen Zeiten der blinde Seher große Anerkennung genoß, macht in unserem Zeitalter der visuellen Medien der Typus des sehenden Blinden Furore.

Die verbreitete Form der Liebe ist eine Selbstflucht, die wahre Liebe ist eine Selbstüberschreitung.

„Worin liegt der Nutzen der Kultur?“, fragte ihr Verächter. – „Darin, daß sie unnütz ist“, entgegnete der Dialektiker.

Im aphoristischen Raum ist der schräge Gedanke die kürzeste Entfernung zwischen zwei Pointen.

Heutige Terroristen sind dem Gleichheitsgrundsatz verpflichtet: Sie töten ohne Ansehung der Person.

Glück: Die wichtigsten Ziele des menschlichen Lebens, das Glück und die Liebe, widerstreben der Dauer. Kaum scheint man sie erobert zu haben, sind sie wieder verloren.

Wir erkennen zunehmend die neurobiologischen Grundlagen des Geistes. Wer aber kümmert sich um die geistigen Grundlagen der Neurobiologie?

Evolutionärer Vorteil einer Behinderung: Kurzsichtigkeit fördert zuweilen die sexuelle Appetenz.

Er wollte nicht wegen seines Geldes, sondern um seiner selbst willen geliebt werden. Unglücklicherweise blieb nach Abzug seines Vermögens nichts von ihm übrig.

Geist: Die Vorstellung, unser Gehirn sei ein komplizierter Computer, beruht auf der Verwechslung von Geist und Intelligenz.

Manche Liebende klammern sich wie Schiffbrüchige aneinander, um dann gemeinsam unterzugehen.

Die Flucht in die Multioptionalität beseitigt nicht die Versäumnispanik, denn es besteht die Gefahr, daß das Möglichkeitswesen die Wirklichkeit versäumt.

Manche Machtmenschen genießen in Liebesbeziehungen nicht die überwältigende Macht der Lust, sondern erfahren lustvoll die Macht der Überwältigung.

Die inferiore Menge dünkte sich überlegen, als sie über den Humoristen lachte und bemerkte nicht, daß er ihr ihr eigenes Spiegelbild vorgehalten hatte.

Während einer Kur ist vieles anders – sogar die physikalischen Gesetze: So kommt es vor, daß ein Schatten zum einzigen Licht avanciert.

Die Errichtung des Rechtsstaates beruht auf der Einsicht, daß der Staat nicht immer recht hat.

Wie kann man als Ehrlichkeitsfanatiker überleben? Indem man anderen die Wahrheiten sagt, die man selber nicht erträgt.

Der Ordnungsliebhaber verhinderte das von ihm gefürchtete Durcheinander, indem er seine Gedanken zu einer Art Isolationshaft in geistigen Schubladen verurteilte.

Die Schwierigkeit, leere, unerfüllte Zeit zu ertragen, weist nicht auf die Unerträglichkeit der Zeit als solcher, sondern auf die unangenehme Erfahrung der Konfrontation mit uns selbst hin.