Zitate von Antoine de Rivarol
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Ein Bürger wird den Vergleich mit einem Schuhflicker mit weniger Verdrossenheit hinnehmen als ein Adliger den Vergleich mit einem Bürger.
Die Dichter haben uns mehr interessiert, wenn sie den Göttern menschliche Schwächen als wenn sie den Menschen die Vollkommenheit der Götter zuschrieben.
Die öffentliche Meinung muß man mit ihren eigenen Waffen angreifen; man schießt nicht mit Gewehren auf Ideen.
Freiheit außerhalb der Gesellschaft schließt nicht die Idee der Sicherheit in sich, und diese läßt sich nicht begreifen ohne Freiheit und ohne Gesellschaft.
Die außerordentlichen Geister wenden sich vor allem den alltäglichen, vertrauten Dingen zu, während den gewöhnlichen Köpfen nur die außerordentlichen Dinge auffallen.
Ist ein Mensch wertvoller als sein Besitz, so muss er arm sein; darum scheinen die Reichen so wenig zu gelten; und daher die Vorliebe der Philosophen für die Armen.
Konservatismus ist nicht ein Hängen an dem, was gestern war, sondern ein Leben aus dem, was immer gilt.
Nachsicht mit denen, die man kennt, ist im Allgemeinen seltener als Mitleid mit denen, die man nicht kennt.
Es gibt zwei große Traditionen des Altertums, die man noch nicht genug bemerkt hat: die erste Tradition lehrt, daß die Aufklärung die Völker nicht glücklich macht, die zweite, daß die Undankbarkeit allem Geschaffenen anhaftet.
Das Wort „teuer“ hat etwas Sanftes und Niedriges: es ist der Ausdruck der Liebe und des Geizes und scheint zu besagen, daß, was die Börse angeht, das Herz angeht.
Frauen gegenüber sind junge Leute verschämte Reiche und alte Männer unverschämte Arme.
Von zwanzig Personen, die über uns reden, sagen neunzehn etwas Schlechtes, und der Zwanzigste, der etwas Gutes über uns sagt, sagt es schlecht.
Frei ist, wer, obwohl gezwungen, tut, was er nötig hat, wie ein Diener dienen muß, um leben zu können; Sklave, wer sich zwingen läßt, zu tun, was er nicht nötig hätte.
Neid, der spricht und lärmt, ist immer ungeschickt; fürchten muß man den verschwiegenen Neid.
Das Gesetz ist die Vereinigung von Einsicht und Macht. Das Volk gibt die Macht, die Regierung die Einsicht.
Es ist ein Zeichen großer Schwäche, sich zu empören gegen das unvermeidliche Übel, und die hinzunehmen, die man vermeiden kann. Was soll man sagen zu einem Menschen, der gegen das schlechte Wetter aufbegehrt und Beschimpfungen ruhig hinnimmt.
Ein Reicher, der, ohne geizig zu sein, niemandem Gutes erweist, gleicht einer Sonne, die ihr Licht verloren hat.
Furcht ist die schrecklichste der Leidenschaften, weil sie ihre ersten Anstrengungen gegen die Vernunft macht: sie lähmt Herz und Geist.
Es ist ein ungeheurer Vorteil, nichts getan zu haben, aber man soll keinen Mißbrauch damit treiben.
Wenn das Wort eines Weisen: Wenn du zweifelst, enthalte dich des Urteils, die schönste Maxime der Moral ist, ist es auch die erste in der Metaphysik.
Der absolute Herrscher kann Nero sein, ist aber manchmal Titus oder Marc Aurel, das Volk ist oft Nero und niemals Marc Aurel.
Die Philosophie als spät gereifte Frucht des Geistes und des Lebensherbstes darf nicht dem Volke dargeboten werden, das stets im Kindesalter bleibt.
Unser Glaube hängt mehr von unserem Charakter als von unserer Einsicht ab. Nicht alle, die sich über die Auguren lustig machen, haben mehr Geld als die, die an sie glauben.
Der Mensch ist das einzige Wesen, das Feuer machen kann. Das hat ihm die Herrschaft über die Erde eingebracht.
Der Märtyrer einer alten Religion erscheint als Starrsinniger einer neuen als Begeisterter.
Der Frömmler glaubt an die Visionen der anderen: der Philosoph glaubt nur an seine eigenen.
Es gibt nur eine Moral, wie es nur eine Geometrie gibt; diese beiden Worte haben keinen Plural.
Eine Frömmlerin glaubt den Frömmlern, die Ungläubige den Philosophen; aber beide sind gleich leichtgläubig.
Man muss deutlich zwischen der arithmetischen und der politischen Mehrheit eines Staates unterscheiden.
Der Wille ist ein handfester Sklave, der bald den Leidenschaften, bald der Vernunft zu Diensten steht.
Es mag sein, daß Verschwörungen zuweilen durch geistreiche Köpfe angezettelt werden; ausgeführt werden sie immer durch Bestien.
Dem Geizhals fehlt, was er hat, ebenso sehr wie das, was er nicht hat. Er ist der hassenswerte Mensch schlechthin.
Die Macht ist die organisierte Gewalt, die Verbindung von Werkzeug und Gewalt. Die Welt ist voll von Gewalten, die nur ein Werkzeug suchen, um Mächte zu werden. Wind und Wasser sind Gewalten; in Verbindung mit einer Mühle oder Pumpe, die ihre Werkzeuge sind, werden sie Macht.
Warum will man lieber für seine Tochter einen Dummkopf, der Namen und Rang hat, als einen geistvollen Menschen? Die Vorteile des Dummkopfs lassen sich teilen, die des Geistes sind nicht mittelbar: Ein Herzog macht eine Herzogin, ein geistreicher Mann keine geistreiche Frau.
Um etwas zu gelten in dieser Welt, muß man tun, was man kann, was man soll und was sich schickt.