Zitate von Antoine de Rivarol
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Wenn du reich bist, bedeutet das nicht zugleich, daß du auch glücklich bist, ähnlich wie: wenn du eine Geliebte hast, muß das nicht heißen, daß du sie auch liebst.
Da die Philosophie die Frucht langer Überlegung und das Resultat eines ganzen Lebens ist, so kann und soll sie niemals dem Volk geboten werden, das immer am Anfang des Lebens steht.
Wir leben in einer Zeit, wo Verborgenheit mehr schützt als das Gesetz und sicherer macht als Unschuld.
Ein Baum läßt seine Früchte los, wenn sie reif sind, ein Vater seine Kinder, wenn sie groß sind.
Hat man vierundzwanzig Stunden früher als die übrigen Menschen recht, so gilt man diese vierundzwanzig Stunden lang für närrisch.
Wer das Alphabet erschaffen hat, hat uns den Faden unserer Gedanken und den Schlüssel der Natur in die Hand gegeben.
Hängt die Armee vom Volk ab, so hängt schließlich die Regierung von der Armee ab.
Außerordentliche Geister legen dem Gewöhnlichen großes Gewicht bei, und gewöhnliche Geister schätzen und begehren nur das Außergewöhnliche.
Wer tut, was er kann, was er soll und was sich schickt, müßte eigentlich zur Geltung kommen.
So wie unser Auge getroffen wird durch die Bilder der Gegenstände und nicht durch die Gegenstände selber, so ist unsere Seele berührt von Meinungen über die Dinge und nicht durch die Dinge selber.
Die Philosophen gründen gern die Gleichheit auf anatomische Entsprechungen. Sie schließen daraus, daß die Nerven, die Muskeln und das Äußerliche zweier Bürger denselben Anblick bieten auf deren Gleichheit – doch wenn man ähnlich und gleich verwechselt, gibt man sich einem unheilvollen Irrtum hin.
Die Politik gleicht der Sphinx der Fabel: Sie verschlingt alle, die ihre Rätsel nicht lösen.
Ein wahrer Philosoph verzeiht einen Mangel an Vermögen der Gesellschaft mit der selben Ruhe, mit der ein reicher Bankier der Natur seinen Mangel an Geist nachsieht.
Rechte sind Güter, die sich auf Macht gründen. Mit der Macht sinken die Rechte dahin.
Die Philosophie ist nur für das Einzelwesen verantwortlich, die Religion für die Massen.
Der Bescheidene hat alles zu gewinnen, der Stolz alles zu verlieren: denn die Bescheidenheit hat es immer mit dem Edelmut, und der Stolz mit dem Neid zu tun.
Man wundert sich über gar nichts, wenn man sich über alles wundert: das ist der Zustand der Kindheit.
Den Bekenner des alten Glaubens nennen wir einen Starrkopf. Den Bekenner zu neuen Ideen einen Propheten.
Die Vernunft setzt sich zusammen aus Wahrheiten, die man sagen, und solchen, die man verschweigen muß.
Der Neid, der redet und lärmt, ist immer ungeschickt; was man fürchten muß, ist der Neid, der schweigt.
In den Wörterbüchern gibt es wohl abgebrauchte Wörter, die auf den großen Schriftsteller warten, der ihnen ihre Energie zurückerstattet.
Das Wort teuer hat zugleich Zartes und Gemeines, denn seiner bedienen sich sowohl die Liebe wie der Geiz. Es läßt durchblicken, daß Herz und Geldbeutel ein gemeinsames Fach haben.
Unter den Bösartigen, die alles Böse, das sie nicht bestimmt wissen, unbesonnen sagen, gibt es besonnene Freunde, die vorsichtig verschweigen, was sie wissen.
Selbst wenn ich jeden Tag eine andere Maske trüge und jemand alle diese Masken zeichnen würde, hätte er mich noch lange nicht porträtiert.
Ein Volk ohne Land und ohne Religion müßte zugrundegehen, wie Anthäus schwebend zwischen Himmel und Erde.
In dem Maße, wie der Aberglaube bei einem Volk abnimmt, muss die Regierung die Vorsichtsmaßnahmen steigern und die Zügel der Autorität und Ordnung straffer ziehen.
Der Mensch steht auf der Schwelle des Lebens wie auf einem Kreuzwege, die Tiere haben nur eine Straße: wir sind daher fähig zum Zweifel und zur Schurkerei, die Tiere sind frei von beiden und immer unverderblich.