Zitate von Antoine de Rivarol
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Tacitus hat als wahrer Philosoph gesprochen, als er sagte, es wäre besser, an Gott zu glauben, als über ihn zu diskutieren.
Es gibt zwei Wahrheiten, die sich in dieser Welt niemals trennen lassen: Die erste Wahrheit ist, daß die Souveränität beim Volke liegt, und die zweite Wahrheit ist, daß das Volk die Souveränität niemals ausübt.
Völlige Sicherheit, stets geheiligtes Eigentum eines jeden über seine Person und sein Vermögen, darin besteht die wahre soziale Freundschaft.
Die herrliche Fähigkeit des Geistes zur Bildung von Sammelbegriffen ist die Wurzel fast aller seiner Irrtümer gewesen.
Die Visionen haben einen glücklichen Instinkt und kommen nur denen, die an sie glauben müssen.
Trägheit ist bei manchen Geistern nichts als Überdruß am Leben, bei andern Verachtung des Lebens.
Es bleibt festzustellen: Das Volk bedarf anschaulicher und nicht begrifflicher Wahrheiten.
Der wahre Philosoph schwingt sich allein durch die Kraft seiner Vernunft auf den Standpunkt, zu dem der Durchschnittsmensch nur dank der Wohltat der Zeit gelangt.
Die Gesetze der Natur sind wunderbar, aber ihr Räderwerk zermalmt viele Insekten wie die Regierungen viele Menschen.
Das Wort prekär meint heute eine Sache oder einen Zustand, die schlecht gesichert sind, und es beweist, wie wenig man durch das Gebet (prière) erlangt, denn daher stammt das Wort.
Die zivilisiertesten Völker sind nicht weiter von der Barbarei entfernt als das glänzendste Eisen vom Rost. Die Völker und die Metalle sind nur an der Oberfläche poliert.
Was den Menschen gemeinsam ist, sei das Wesentliche, was sie voneinander unterscheidet, sei geringfügig.
Zu plötzliche Erscheinungen in der Literatur werden nicht geschätzt; selbst der strahlendste Ruhm braucht sein Morgengrauen.
Wer Wunder fordert, vergißt, daß er der Natur die Unterbrechung der ihren zumutet.
Dieselben Gaben, die den Menschen befähigen, ein Vermögen zu erwerben, hindern ihn, es zu genießen.
Man braucht den Appetit des Armen, um das Vermögen des Reichen zu genießen, den Geist eines Privaten, um wie ein König zu leben.
Manche Leute haben nichts weiter von ihrem Vermögen, als die Furcht es zu verlieren.
Günstig für Revolutionen ist die Verquickung einer Masse Dummheit mit einer kleinen Menge Licht.
Der Ungläubige täuscht sich über das jenseitige, der Gläubige über das diesseitige Leben.
Die Herrscher dürfen niemals vergessen, daß die Regierung immer nur Vater ist und sein muß, und das Volk das Kind ist.
Ein jeder Denker, der über Verfassungsfragen grübelt, geht schwanger mit einem Jakobiner: das ist eine Wahrheit, die Europa niemals vergessen darf.
Der Mensch verbringt sein Leben auf Erden mit reden über die Vergangenheit, sich beklagen über die Gegenwart und bangen vor der Zukunft.
Die Religion wäre für das Volk nicht so unentbehrlich, wenn die Reichen nicht so wenig Moral hätten.
Man verdirbt das unschuldige Kind mit freien Reden, und eine zarte Liebe verführt die galante Frau: beides durch den Reiz des Ungewohnten.
Neben den Böswilligen, die uns leichtfertig das Üble nachsagen, das sie vermuten, gibt es diskrete Freunde, die sorgfältig das Gute verschweigen, dessen sie sicher sind.
Wörter sind wie Münzen: Sie haben einen Eigenwert, ehe sie alle möglichen Werte bezeichnen.
Der Mensch befindet sich niemals im Genuß uneingeschränkter Freiheit, sondern er besitzt nur eine zweite Ordnung; zum Beispiel steht es ihm frei, das oder das zu essen, nicht aber, überhaupt nicht zu essen.
Der schönste Kunstgriff des menschlichen Geistes, die Erfindung von Begriffen, ist die Quelle fast all seiner Irrtümer.
Die, welche Wunder begehren, sind sich nicht bewußt, daß sie damit von der Natur die Unterbrechung ihrer Wunder verlangen.
Die Erinnerung begnügt sich mit Teppichen, aber die Phantasie umgibt sich mit Gobelinbehängen.
Die Identität des Zwecks beweist den Verstand der Menschen; die Verschiedenheit der Mittel ist das Maß der Geister, und Widersinnigkeit der Zwecke ist ein Zeichen von Wahnsinn.
Die Moral errichtet ein höheres und fürchterlicheres Tribunal als das der Gesetze. Sie will nicht nur, daß wir das Böse vermeiden, sondern das wir das Gute tun, nicht nur, daß wir tugendhaft erscheinen, sondern daß wir es seien.