Zitate von Arthur Schnitzler
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Freund und Feind Dein Feind? Der über dich Böses spricht, Und glaubt es im Grunde selber nicht. Dein Freund? Der hört es geduldig an Und meint: ’s ist immerhin etwas dran.
In der Tragik gerät der menschliche Geist, so tief er auch hinabsteigen mag, irgendwann einmal auf Grund – im Humor niemals.
Jeder Augenblick des Lebens ist an sich so seltsam, daß er überhaupt nicht zu ertragen wäre, wenn wir imstande wären, diese Seltsamkeit in der Gegenwart ebenso deutlich zu empfinden, wie sie uns in der Erinnerung und in der Erwartung meistens zu erscheinen pflegt.
Mit dem Ohr der Menschheit ist es so beschaffen, daß es den Schall zu verschlafen und erst durch das Echo zu erwachen pflegt.
Wollen – ? Undeutbares Wort. Manches müssen wir wollen – manches dürfen wir wollen – manches können wir wollen. Aber was wollen wir wollen? Nur was wir wollen müssen, wollen wir wirklich. Und dies, ist es noch ein Wollen, ist es nicht schon ein Müssen?
Dankbarkeit ist etwas durchaus Künstliches, in gewissem Sinne gegen die Natur. Undankbarkeit ist das Elementare.
Du hast verstanden? Du hast verziehen? Du hast vergessen? Welch ein Mißverständnis! Du hast aufgehört zu lieben.
Sich durchschauen zu lassen – das ist keineswegs immer Gleichgültigkeit oder Unvorsichtigkeit. Oft ist es nur eine vornehme Geste, wenn nicht gar die feinste Art, die Menschen irre zu führen.
Die Norm in ihren menschlichen Erscheinungsformen ist immer mehr geneigt, sich dem Negativen als dem Positiven zu nähern. Wenn wir von dem Menschen als solchem sprechen, so wissen wir, daß er eher feig ist als mutig, eher gemein als edel, eher bös als gut.
Es ist immer noch besser, wenn sich zwei Menschen über den tiefen Abgrund ewiger Fremdheit hin kühl die Hände reichen, als wenn sie einander über den trügerischen Wirbeln des Verstehens gerührt in die Arme sinken.
Es gibt viele Wege, einer Verantwortung zu entkommen; Flucht in den Tod, Flucht in Krankheit und Flucht in Dummheit. Der letztere ist der sicherste und einfachste, denn selbst intelligente Menschen sind diesem Ziel meist näher, als sie selbst annehmen möchten.
Das Wichtigste im menschlichen Verkehr bleibt immer: die Leute bei schlechtem Gewissen zu erhalten.
Zwei Männer mögen wegen einer Frau in einen noch so erbitterten Streit geraten sein, es kommt immer der Augenblick, in dem sie nahe daran sind, einander – wie über einen Abgrund – die Hände zu reichen.
Nicht jeder Künstler von Genie hat Humor, aber jeder Künstler von Humor (nicht jeder Spaßmacher) hat Genie. Humor ist der weitere und höhere Begriff. Er ist das eigentliche Genie des Herzens, da Güte wohl ohne Humor, aber Humor niemals ohne Güte bestehen kann.
Im heiteren Drama pflegen die Autoren meist nur die Mängel ihres Charakters – im ernsten, untrüglich die ihres Verstandes zu verraten.
Anarchie wäre der wünschenswerteste Weltzustand, wenn die Menschen Maschinen oder Götter wären. Aber dann müßte sie nicht erst gepredigt werden. Sie wäre eben da.
Aus dem Werke manches Dichters spüren wir wohl heraus, dass er irgendwie und irgendwo ein Genie ist, nur leider gerade nicht in seiner Dichtung.
In den Beziehungen zwischen Menschen gibt es so wenig einen Stillstand wie im Leben des Einzelnen.
Wem die Gabe der Gerechtigkeit verliehen ist, ohne die übrigen göttlichen Eigenschaften, Allmacht und Allweisheit, der ist übler dran, als der Ungerechte; denn er ist zur Selbstzerstörung bestimmt.
Woher nur dein Drang, o Dichter, von den köstlichen Stunden deiner Einsamkeit der aufhorchenden Welt zu erzählen? Solltest du im Grunde nicht eine höchst gesellige Natur sein und ein wenig Geck dazu?
Man kann eine Frau zuverlässig von jedem eingebildeten Leiden befreien, indem man behauptet, es sei eine Alterserscheinung.
Alles, was Leben und Bewegung ist, was die Seele durcheinanderrüttelt, ist ein bisschen Glück.
Der Genius des Hasses auf Erden ist vielleicht ein noch gewaltigerer als der Genius der Liebe.
Daß wir geschaffen sind, das Unfaßbare zu fassen und das Unerträgliche zu ertragen – das ist es, was unser Leben so schmerzvoll und was es zugleich so unerschöpflich reich macht.
Das Wesen eines Menschen läßt sich durch drei schlagkräftige Anekdoten aus seinem Leben vielleicht mit gleicher Bestimmtheit berechnen, wie der Flächeninhalt eines Dreiecks aus dem Verhältnis dreier fixer Punkte zueinander, deren Verbindungslinien das Dreieck bilden.
Schlimmer betrogen, wer aus Angst vor Enttäuschung immer wieder sein Glück versäumte, als wer jede Möglichkeit eines Glückes ergriff, selbst auf die Gefahr hin, es könnte wieder nicht das wahre gewesen sein.
Auch denen, die uns lieben und verehren, wird nicht eher in unserer Nähe wohl, als bis sie entdeckt haben, wo wir sterblich sind.
Die Eigenschaften unserer Nebenmenschen sind uns immer nur ihrer qualitativen Bedeutung nach offenbar; und es ist nie vorherzusehen, bis zu welchem Grad irgendeine Eigenschaft unter bestimmten Umständen sich zu entwickeln vermag.
Die Gefühlswerte ändern sich, die Verantwortungs- und Verpflichtungswerte bleiben bestehen, ja können sich steigern. Darum wird die Ehe stets eine irrationale Gleichung bleiben.
Ist Gott der Traum der Menschheit? Es wäre zu schön. Ist die Menschheit der Traum Gottes? Es wäre zu abscheulich.
Sind es wirklich nur die Weiber, die immer auf ihr erstes Wort zurückkommen, – „wenn man Vernunft gepredigt stundenlang“, wie Shakespeare sagt? Machen es die Philosophen und ganz besonders die Theologen nicht ebenso?
Caesar hatte es leichter auf der Welt als Napoleon. Denn Caesar war Caesar und Napoleon spielte Napoleon – freilich hätte ihn niemand spielen können als gerade er.
Aufgabe der Erziehung wäre es, den metaphysischen Hunger der Menschheit durch Mitteilung von Tatsachen mit weisem Maß zu stillen statt ihn durch Märchen, was ja die Dogmen sind, zu betrügen.
Es gibt so viele Krankheiten – und nur eine Gesundheit! Man muss immer genau so gesund sein wie die andern, man kann aber ganz anders krank sein wie jeder andere!
Willst du wissen, wie alt du bist, so frage nicht die Jahre, die du gelebt hast, sondern den Augenblick, den du genießt.
Das muß schon ein Mensch von hoher Art sein, dem die Sehnsucht nach Freiheit etwas anderes bedeutet, als die Begier nach Verantwortungslosigkeit.
Der Pedantismus mißverstand die Menschenliebe; – das Resultat ist als Marxismus bekannt. Das Ressentiment mißverstand den Marxismus, da wurde der Bolschewismus daraus. Das Literatentum mißverstand den Bolschewismus, da galt er wieder als Menschenliebe; – aber nun sah sie auch darnach aus.
Feigheit dort, wo auch der Mut noch lange kein Risiko bedeutete, ist eine höchst verbreitete menschliche Eigenschaft.
Man täte unrecht, zu sagen, daß es dem Feuilletonisten vor allem auf seinen persönlichen Vorteil ankommt. Im Gegenteil: Er ist, was er ist, oft genug zu eigenem Schaden und weiß es auch manchmal.
Dreifach vermagst du gegen dich selbst zu sündigen: gegen deine Natur, gegen deine Seele, gegen deinen Geist. Niemals bleibt die Strafe aus. Und am unerbittlichsten von diesen dreien rächt sich die Natur – Seele und Geist lassen sich versöhnen.
Die Anteilnahme der Nebenmenschen an unserem Schicksal ist Schadenfreude, Zudringlichkeit und Besserwisserei in wechselndem Gemisch.
Gern ließ man sich von Wünschen leiten, die man sich nur einredete, und dann fängt eine einzige Frau alle irrenden Flammen dieser Wünsche ein.
Was wir rückhaltlose, schonungslose Aufrichtigkeit nennen, das pflegt die perfideste oder die naivste Form der Lüge zu bedeuten.
Ich glaube dir deine Weisheit nur, wenn sie dir aus dem Herzen, deine Güte nur, wenn sie dir aus dem Verstande kommt.
Das Beste, was Liebende im Laufe der Zeit einander werden können, das ist: Surrogate ihrer Träume oder Symbole ihrer Sehnsucht.