Zitate von Carl Hilty
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Die Welt muß in jeder Richtung durch Freiheit zur Vollendung gelangen, nicht durch Zwang und Gewalt irgend einer Art. Der freiwillige Gehorsam jedes Einzelnen und allmählich ganzer Nationen gegenüber der großartigen sittlichen Weltordnung ist der Zweck und das Ziel der Weltgeschichte.
Alles das ist nicht nur tiefer Einblick in das Wesen des Alten Testaments, sondern auch für das Christentum und dessen Lehre und Ordnung Wahrheit. Darin offenbart sich die Kontinuität; der Geist beider Testamente ist der gleiche, nicht der Buchstabe.
Vornehme Seelen sind also die, welche auf das Hauptziel der gewöhnlichen Seelen, den egoistischen Genuß des Lebens, prinzipiell verzichten, um sich der Hebung des gesamten Geschlechtes um so wirksamer widmen zu können.
In dem Verschwinden jeden Gegensatzes gegen das Göttliche liegt die wahre Lebensfreude und der große Trost, den es auf Erden gibt.
Der weitaus größte Teil des menschlichen Wohlbefindens besteht aus einer beständig fortlaufenden Arbeit mit dem Segen, der darauf ruht, und der sie schließlich zum Vergnügen macht. Nie ist das menschliche Gemüt heiterer gestimmt, als wenn es seine richtige Arbeit gefunden hat.
Wer mit Menschen freiwillig umgeht, die er für schlecht oder falsch ansehen muß, der ist bei aller seiner Menschenkenntnis ein Tor und ein Selbstmörder dazu.
Ein Quäntchen wirklicher Freundschaft ist viel mehr als eine ganze Wagenladung Verehrung.
Neid ist das Laster der gesunkenen Völker, die sich nicht aus ihrer Gesunkenheit emporzuarbeiten imstande sind.
Respekt vor dem bloßen Reichtum eines anderen ist das unzweifelhafteste Zeichen einer völlig mangelnden eigenen Bildung.
Eine gute Ehe ist vielleicht das beste, jedenfalls aber das originellste aller Güter dieser Welt.
Ohne Leid ist alle unsre Güte Blüte, das Leiden reift sie erst zur Frucht und führt vom Schein ins Wesen.
Das Evangelium ist ein Amboß, der schon manchen Hammer zerbrochen hat und noch viele brechen wird.
Vier Dinge sind es, die den bedeutenden Menschen ausmachen. Keines darf fehlen: Originalität des Denkens, Fleckenloses Leben, Milde der Gesinnung, Uneigennützigkeit.
Man kann mit Wahrheit sagen, die meisten großen Fortschritte im inneren Menschenleben werden durch eine Entsagung eingeleitet, die ihren Preis bildet.
Die Anregungen zum Guten wie zum Bösen sind meistens blitzartig. Den ersteren muß sofort entsprochen, und durch eine Tat die Hand ergriffen werden, die sich und hilfreich entgegenstreckt; den letzteren muß man ebenso sofort einen entschiedenen Widerstand des Willens entgegensetzen.
Zum Vorwärtskommen gehört Unangenehmes: Wenn du höher hinaus willst als die große Menge, so mache dich zum Leiden bereit.
Manche Leute verderben sich ihr Leben damit, daß sie handeln wollen, wenn sie noch lernen und innerlich wachsen sollten, und ebenso damit, daß sie sich nach Ruhe und Betrachtung sehnen, wenn es Zeit ist, zu handeln und die Bücher ganz bei Seite zu lassen.
Was Tieck von der Sprache sagt, sage ich von den Sachen, die man zu behandeln hat. „Man muß mit ihnen nicht so viele Umstände machen, sondern ihnen gewissermaßen geradezu auf den Leib gehen.“
Der einzige Weg, auf welchem wahre Kenntnis erreicht werden kann, ist durch liebesvolles Studium.
Große Gedanken wachsen nur auf einem Herzensgrund, den große Schmerzen tief aufgefurcht haben.
Ein Leidenskapital muß jedes rechte Menschenleben haben, sonst wird nichts Rechtes daraus.
Man muß vor allen Dingen im Leben wissen, was man eigentlich erreichen will, und wenn das endlich der Fall ist (wozu man gewöhnlich schon mehr als das halbe Leben braucht), mit dem Zweck auch die Mittel wollen.
Die recht ausgeschämten Egoisten haben die Methode, das, was sie von einem andern haben wollen, demselben als seinen eigenen Vorteil zu unterstellen, damit sie auch des Dankes und jeder Verpflichtung dafür überhoben seien. Das muß man niemals, auch nicht stillschweigend, passieren lassen.
Die höchste Lebensanschauung ist die, sein Schicksal nicht nur ohne Murren, oder mit einer bloß passiven Geduld, sondern mit freudiger Zuversicht, daß es das Richtige sei, entgegennehmen zu können.
Menschen, die Einfluß auf andere haben wollen, müssen sich sehr hüten, viel gesehen zu werden. Ich bin von beinahe jedem Menschen berühmter Art, die ich kennen lernte, ein wenig enttäuscht worden.
Es gibt keinen Menschen, der jemals auch nur einen einzigen Tag lang seine ganze Pflicht erfüllt hat. Unser Wissen ist Stückwerk und auch unser ganzes Wesen ist Stückwerk.
Wohl alle durch das Leben geläuterten Menschen waren am Schlusse des Lebens bereit, es mit Benutzung der gewonnenen Erfahrungen noch einmal zu beginnen.
Rein, der Pflicht zu leben, ist das Sicherste von allen Lebensregeln. In diesem Bewußtsein wird man auch das Unvermeidliche, Unangenehme ruhig ertragen.
Selbsterziehung ist der Hauptgesichtspunkt, welchem der Mensch die eigentlichen Resultate seines Lebens verdankt, mehr als allem, was andere für ihn tun können.
Ob der Stärkste ein einzelner Tyrann, wie die römischen Kaiser oder Napoleon I. ist, oder eine Gesellschaft von Tyrannen, wie sie der Sozialismus notwendig an die Spitze stellen wird, ist sehr gleichgültig; übrigens endet jede Kollektiv-Gewaltherrschaft notwendig in Einzelhaft.
Gott nimmt nach und nach alle Stützen weg, die außer ihm bestehen, sobald man dazu fähig wird. Das ist ein gutes Zeichen, wenn es geschieht, kein Unglück.