Zitate von Christian Morgenstern
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Stoß-Seufzer Gib mir Juden, Russen, Franzmann, Blut und Geist auf alle Weise, doch erspar mir deine, Landsmann, sogenannten bessern Kreise.
Es gibt nichts Sinnverwirrenderes, als eines Tages zu entdecken, daß man als der und der lebt.
Der Satz vom Zwecke, der das Mittel heiligt, Es ist vielleicht ein Griff ins Herz des Lebens: Wenn Welt das Mittel ist zu Gott als Zweck.
Wie könnten wir die große Selbstkorrektur des Lebens anders als ahnungsvoll verfolgen?
O meine Hand, du seltsames Geschöpf, du warst mir immerdar ein Angelhaken der Meditation. Wenn ich in deine Schale blicke, meine ich ein Geistgebilde zu schauen.
Es gibt nichts Hemmenderes als Gemeinplätze und Redensarten. Jede Redensart ist die Fratze eigener Gedanken, ein Mitesser im Zellengewebe des Denkers.
Es entsteht jedes Mal ein bedeutendes Schütteln des Kopfes, wenn ein absonderlicher Mensch durch das Mittel einer großen künstlerischen Begabung in die Welt hinausgreift.
Wer die Welt zu sehr liebt, kommt nicht dazu, über sie nachzudenken; wer sie zu wenig liebt, kann nicht gründlich genug über sie denken.
Ich sehe überhaupt ein, daß es zunächst nichts als Lernen, Lernen und wieder Lernen gilt. Daraus ergibt sich alles Weitere von selbst.
Und dann Phantasie. (Aber was wäre Phantasie ohne Mut?) Vielleicht ist Mangel an beiden eine der grundlegenden Lebensbedingungen, vielleicht kann der Mensch nur mit einem gewissen Quantum von Feigheit und Trägheit existieren.
Eine wenn auch noch so leichte Sentimentalität gehört unstreitig zum Charme jeder Frau. Sie ist die Verbürgerin jener Augenblicke, wo wir ihr ganz Schutz, ganz Ruhe, ganz Meer sein dürfen.
Heute sehen die Menschen noch nicht den Raum, sie sehen den Himmel, aber noch nicht den RAUM.
An alle Himmel schreib ichs an, die diesen Ball umspannen: Nicht der Tyrann ist ein schimpflicher Mann, aber der Knecht des Tyrannen.
Ich könnte mir ein künftiges Jahrtausend denken, das unser Zeitalter der Technik anstaunte, wie wir die Antike bewundern, und Maschinen ausgrübe wie wir Statuen.
Zum Geleit Laß die Moleküle rasen, Was sie auch zusammenknobeln! Laß das Tüfteln, laß das Hobeln, heilig halte die Ekstasen.
Wozu, so fragt man sich, Reich, Wohlstand, Macht, wenn alles das die Menschen nur verflacht.
Es gibt keinen strengeren Erzieher als den Ehrgeiz. Wobei freilich außer Betracht bleibt: wozu?
Oft überfällt dich plötzlich eine heftige Verwunderung über ein Wort: Blitzartig erhellt sich dir die völlige Willkür der Sprache, in welcher unsere Welt begriffen liegt, und somit die Willkür dieses unseres Weltbegriffes überhaupt.
Ganze Weltalter voll Liebe werden notwendig sein, um den Tieren ihre Dienste und Verdienste an uns zu vergelten.
Ich möchte sagen, daß ich immer noch im und vom Sonnenschein meiner Kindheit lebe.
Die Ameisen oder Emsen sind so weit jetzt, dass sie Gemsen sich als Sklaven halten (aus Gründen ihres Körperbaus).
In Christus ist zum ersten Mal auf der Erde Gott selbst sich zum Bewußtsein gekommen. In Christus erkannte Gott als Mensch zum ersten Mal sich selbst. Seitdem sind fast zweitausend Jahre vergangen. Aber freilich: „Tausend Jahre sind vor Ihm wie ein Tag.“
Wage zu irren, in hundert Einzelheiten, was verschlägt’s! Weißt du dich nur im wesentlichen sicher.
Wenn das Individuum – wie Hebbel sagt – letzten Endes komisch ist – und es ist komisch -, so ist die Tragödie die höchste Form der Komödie.
Glaube mir, daß eine Stunde der Begeisterung mehr gibt als ein Jahr gleichmäßig und einförmig dahinziehenden Lebens.
Vorsicht und Mißtrauen sind gute Dinge, nur sind auch ihnen gegenüber Vorsicht und Mißtrauen nötig.
Die Wissenschaft ist nur eine Episode der Religion. Und nicht einmal eine wesentliche.
So schimmert ein Birkenwäldchen durch Kiefern, wie deine ferne Jugend in und durch meine Gedanken.
Wenn ich etwas an Christus verstehe, so ist es das: „Und er entwich vor ihnen in die Wüste.“
Höher als alles Vielwissen stelle ich die stete Selbstkontrolle, die absolute Skepsis gegen sich selbst.
Wahrheit ist eine Sache des Temperamentes, darum kann man Wahrheit nicht lehren, nur zeugen.
Katzen, diese Wesen, haben die unmenschliche Geduld der Erde; das ist ein Jahr, was für den Menschen nur eine Sekunde.