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Darum können Zeitungen so sehr schaden, weil sie den Geist so unsäglich dezentrieren, recht eigentlich zerstreuen.
Christian MorgensternMan weiß, wie wichtig es ist, Schwangeren harmonische Verhältnisse zu schaffen. Sollte es anders sein mit der Menschheit, die sich fortwährend im Zustande der Mutterschaft befindet?
Christian MorgensternDer Welt Schlüssel heißt Demut. Ohne ihn ist alles klopfen, horchen und spähen umsonst.
Christian MorgensternWir brauchen nicht so fort zu leben, wie wir gestern gelebt haben. Macht Euch nur von dieser Anschauung los und tausend Möglichkeiten laden uns zu neuem Leben ein.
Christian MorgensternO Freunde, liebt mich nicht, niemals den, der ich bin; doch was ich werden möchte, das, das liebt an mir!
Christian MorgensternMan soll sein krankes Nierenbecken nicht mit zu kalten Bieren necken. Auch sollte man bei Magenleiden den Wein aus sauren Lagen meiden.
Christian MorgensternDu kannst keinen Großen mehr ruhig verehren, mußt dich zugleich seiner Narren erwehren.
Christian MorgensternWie süß ist alles erste Kennenlernen! Du lebst so lange nur, als du entdeckst. Doch sei getrost: Unendlich ist der Text, und seine Melodie gesetzt aus - Sternen.
Christian MorgensternJeder von uns hat etwas Unbehauenes, Unerlöstes in sich, daran unaufhörlich zu arbeiten seine heimlichste Lebensaufgabe bleibt.
Christian MorgensternUnhemmbar rinnt und reißt der Strom der Zeit, In dem wir gleich verstreuten Blumen schwimmen, Unhemmbar braust und fegt der Sturm der Zeit, Wir riefen kaum, verweht sind unsre Stimmen.
Christian MorgensternDie Ästhetischen Ihr preist die Kraft und schmäht die Tat, ihr weder Fisch noch Fleisch, ihr - Kopf-Salat!
Christian MorgensternFinsternis würde mich in kürzester Frist um alles Glück und um allen Verstand bringen. Gebt allen Menschen vor allem Licht und vorzüglich den Unglücklichsten unter uns, unsern Gefangenen.
Christian MorgensternDichten ist immer die Wiedergabe von Erinnerung. Die Erinnerung aber ist selbst etwas Dichtendes, künstlerisch Zusammenfassendes und Auswählendes.
Christian MorgensternAber es ist auch dies ein Zeichen unserer krankhaft-überreizten Zeit, daß sie die Fähigkeit eigenen Denkens immer mehr aufgibt.
Christian MorgensternEs gibt ein sehr probates Mittel, die Zeit zu halten am Schlawittel: Man nimmt die Taschenuhr zur Hand und folgt dem Zeiger unverwandt.
Christian MorgensternÜber jedem guten Buche muß das Gesicht des Lesers von Zeit zu Zeit hell werden. Die Sonne innerer Heiterkeit muß zuweilen von Seele zu Seele grüßen, dann ist auch im schwierigsten Falle vieles in Ordnung.
Christian MorgensternDer Schmerz über das, was wir an der Welt verfehlen und von dem sie gemeiniglich nichts weiß, kommt ihr wieder aus der Reife unseres Charakters.
Christian MorgensternNebel, stiller Nebel über Meer und Land. Totenstill die Watten, totenstill der Strand. Trauer, leise Trauer deckt die Erde zu. Seele, liebe Seele, schweig und träum auch du.
Christian MorgensternEs ist eigentlich eine Ungerechtigkeit, daß der Dichter nicht - gleich dem Musiker - den Teilen seiner Werke hinzufügen darf, in welchem Tempo er sie genommen wissen will.
Christian MorgensternEs ist etwas Fürchterliches um einen Menschen, der leidet, ohne Tragik empfinden zu lassen.
Christian MorgensternÜber all meinen Werken soll es wie ein großes Verstehen liegen - und davon werden viele glücklich werden.
Christian MorgensternNapoleon war ein Naturereignis. Ihn einen großen Schlächter schmähen heißt nichts anderes, als ein Erdbeben groben Unfug schelten oder ein Gewitter öffentliche Ruhestörung.
Christian MorgensternWie mancher Gedanke fällt um wie ein Leichnam, wenn er mit dem Leben konfrontiert wird.
Christian MorgensternDas eine und einzige Gebot: Du darfst alles tun, was du willst, aber bedenke, daß du es dir selbst tust. Wenn du meinst, es dir selbst tun zu dürfen, so tue selbs das Äußerste. Dies Gebot hindert kein Schaffen oder Zerstören.
Christian MorgensternGeist? Der ist heute eine Mangelware, wer redet schon davon? Ein wirklich eigener Gedanke aber ist immer noch so selten wie ein Goldstück im Rinnstein.
Christian MorgensternMag dir dies und das geschehn, lerne still darüber zu stehn, sieh dir selber schweigend zu, bis das wilde Herz in Ruh.
Christian MorgensternDer Mensch ist immer ein Phänomen. Er sieht nicht schön aus: Irgendwie heißt sein Name und Ruhlos sein Schuh, sein Rock heißt Elend, seine Zunge Eitelkeit, sein Eingeweide Wollust, sein Herz Flamme, sein Auge Sonnenheimweh, sein Wanderstab Nirgendsheim und seine bittere Nahrung Er selbst.
Christian MorgensternWer Dinge verspottet, an die ein guter Geschmack längst nicht mehr rührt, wird selbst Gegenstand des Spottes, ja der Verachtung.
Christian MorgensternWenn ich sitze, will ich nicht sitzen, wie mein Sitz-Fleisch möchte, sondern wie mein Sitz-Geist sich, säße er, den Stuhl sich flöchte. Der jedoch bedarf nicht viel, schätzt am Stuhl allein den Stil, überläßt den Zweck des Möbels ohne Grimm der Gier des Pöbels.
Christian MorgensternMachen wir uns doch von der Tyrannei der Geschichte frei. Ich sage nicht: von der Geschichte, ich sage: von der Tyrannei der Geschichte.
Christian MorgensternUnsere Kulturen sind noch vorwiegend egoistisch, darum ist auch so wenig Segen in ihnen.
Christian MorgensternDas macht den Deutschen von heute so unbeliebt: Er beruft sich bei jeder Gelegenheit auf seine "Geistesheroen", die doch fast immer nur im Gegensatz zu ihm gelebt haben, und ist dabei genau so auf seinen Vorteil bedacht wie der Nachbar.
Christian MorgensternIch widerrufe alles Harte und Böse, was ich je in meinen Worten oder Briefen gesagt habe.
Christian Morgenstern