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Den Puls des eigenen Herzens fühlen. Ruhe im Innern, Ruhe im Äußern. Wieder Atem holen lernen, das ist es.
Christian MorgensternIch lobe mir den Freund, der wachsen macht; vor trocknen Seelen nimm dich, Herz, in acht.
Christian MorgensternEs ist ein wahres Glück, daß der liebe Gott die Fliegen nicht so groß wie die Elefanten gemacht hat, sonst würde uns, sie zu töten, viel mehr Mühe machen und auch weit mehr Gewissensbisse.
Christian MorgensternDer Russe hat mehr die Liebe zum Leben, wie es ist, der Deutsche mehr die zum Leben, wie es sein sollte, könnte, müßte.
Christian MorgensternWir sind alle Besessene, man muß das Wort nur wörtlich genug verstehen. Aber zugleich können wir auch Mehrer dieses uralten Besitzstandes sein, den wir "unsern Geist" nennen, zugleich auch Besitzergreifende.
Christian MorgensternEs gehört mit zum Seltsamsten, was es gibt: Das pure, lautere Gold liegt vor uns, um uns. Aber wir leben mit Blei, Kupfer, Zinn; von Minderem zu schweigen. Wir haben die Wahrheit wie die Sonne über uns und folgen Schatten und Gespenstern.
Christian MorgensternGenuß kann unmöglich das Ziel des Lebens sein. Genuß ohne etwas darüber ist etwas Gemeines.
Christian MorgensternIm Schachspiel offenbart sich durchaus, ob jemand Phantasie und Initiative hat oder nicht.
Christian MorgensternFür den Trägen gibt es nichts Aufreizenderes als die unaufhörlich fortschreitende Zeit. Er fühlt, wie sie über ihn hinweggeht, und stammelt ihr in dumpfem Ingrimm seine Verwünschungen nach.
Christian MorgensternDie Menschen haben sich daran gewöhnt, von hinten nach vorne, statt von vorne nach hinten zu denken.
Christian MorgensternDaß ich nie in meinem Leben eine Schwester gehabt habe! Kein fremdes Weib kann dem Bruder ein solches Verhältnis ersetzen.
Christian Morgenstern...je mehr Du für das Allgemeine getan haben wirst, desto mehr hast Du für Dich selbst getan.
Christian MorgensternJede Redensart ist die Fratze eigener Gedanken, ein "Mitesser" im Zellengewebe des Denkers.
Christian MorgensternEs gibt nur einen Fortschritt, nämlich den in der Liebe; aber er führt in die Seligkeit Gottes selber hinein.
Christian MorgensternWie nahe Furcht und Mut zusammenwohnen, das weiß vielleicht am besten, wer sich dem Feind entgegenwirft.
Christian MorgensternLachen und Lächeln sind Tor und Pforte, durch die viel Gutes in den Menschen hineinhuschen kann.
Christian MorgensternAlles Schöne macht Durst nach noch vollkommenerer Schönheit und Vollkommenheit.
Christian MorgensternSich bewußt ausweiten. Von Gegensatz zu Gegensatz gehen. Vom Ersten bis zum Letzten und umgekehrt. Keinen und nichts vergessen, übersehen, gering achten.
Christian MorgensternVersuchen wir uns doch einmal entschieden auf die Seite des Positiven zu stellen, in jeder Sache.
Christian MorgensternWer weiß, ob die Gedanken nicht auch einen ganz winzigen Lärm machen, der durch feinste Instrumente aufzufangen und empirisch (durch Vergleich und Experiment) zu enträtseln wäre.
Christian MorgensternEs ist eines der tiefsten Worte: Bei Gott ist kein Ding unmöglich. Gott ist die Möglichkeit aller Möglichkeiten.
Christian MorgensternEs gibt einen Gedanken, der unsere ganze Lebensführung und Betrachtung verändern würde: Die Gewißheit unserer Unzerstörbarkeit durch den Tod.
Christian MorgensternIch habe nur einen wahren und wirklichen Feind auf Erden, und das bin ich selbst.
Christian MorgensternDer Weise verzichtet auf alles, worauf sich irgend verzichten läßt; denn er weiß, daß jedes Ding eine Wolke von Unfrieden um sich hat.
Christian MorgensternDen Gesellschaftsnarren Ihr lebt, wie's euch der Kodex vorschreibt, und damit lebt ihr überhaupt nicht. Ich bin ein Mensch, der auf sein Tor schreibt: Der Mann hier folgt nicht, front nicht, glaubt nicht.
Christian MorgensternWas ist denn alle Mutter- und Vaterschaft anders als ein - Helfen! Als wunderreichste, geheimnisvollste Hilfe!
Christian MorgensternEin Dichter muß 77 mal als Mensch gestorben sein, ehe er als Dichter etwas wert ist.
Christian MorgensternZum Thema Egoismus: Wir lieben nur die Bilder von allem, als etwas in uns selbst, nie das andere selbst.
Christian MorgensternEs gibt nichts, das ich Mir nicht vergeben könnte, und nichts, das ich nicht überwinden möchte.
Christian MorgensternVon Hundert, die von "Menge", von "Herde" reden, gehören neunundneunzig selbst dazu.
Christian MorgensternIch meine, es müßte einmal ein sehr großer Schmerz über die Menschen kommen, wenn sie erkennen, daß sie sich nicht geliebt haben, wie sie sich hätten lieben können.
Christian MorgensternDas Kleine in der Natur ist gewöhnlich größer als "das Große". Denn das Kleine ist nur zu oft Gottesarbeit, wo das Große nur Götterwerk.
Christian MorgensternSei mit dir nie zufrieden, außer etwa episodisch, so daß deine Zufriedenheit nur dazu dient, dich zu neuer Unzufriedenheit zu stärken.
Christian MorgensternMan muß nicht am Abend Briefe schreiben, sonst werden es Abendbriefe. Morgens sieht alles ganz anders aus.
Christian MorgensternIch betrachte es als eine Aufgabe kommender Dichtergeschlechter, neue Mythen zu schaffen, und wir wollen ihnen schon vorarbeiten.
Christian MorgensternHabt das Leben bis in seine unscheinbarsten Äußerungen hinab lieb, und ihr werdet bis in eure unscheinbarsten Bewegungen hinab unbewusst von ihm zeugen.
Christian MorgensternLehrer-Komödie: Die Armut der Lehrer, während die Staaten Unsummen für die Wehrmacht hinauswerfen. Da sie nur Lehrer für 600 Mark sich leisten können, bleiben die Völker so dumm, daß sie sich Kriege für 60 Milliarden leisten müssen.
Christian MorgensternAber liegt nicht in jedem großen Augenblick, gleichviel ob er hell oder dunkel, richtig oder falsch, ein Glück?
Christian MorgensternDass Güte nicht auch Schwäche sein könnte, behauptet niemand, dass sie es immer sei, nur ein Tor.
Christian MorgensternEs ist bekannt, wie viele verlorenen Nadeln sich täglich auf Weg und Steg finden lassen. Im äußersten Gegensatz hierzu würde, gesetzt auch geistige Dinge könnten in solcher Weise verloren gehen, täglich wohl kaum ein Paar Scheuklappen gefunden werden.
Christian MorgensternMein Hang zum philosophischen Nachdenken beruht auf der einfachen Grundlage, daß ich über das kleinste Stück Natur irgendwelcher Art in höchste Verwunderung geraten kann.
Christian Morgenstern