Zitate von Edmond und Jules de Goncourt
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Alle Eheschließungen stehen heute unter dem Prinzip des Güterrechts. Die Eltern wollen dem Gatten wohl den Leib, die Gesundheit, das Glück einer Tochter geben, alles, was an ihr Weib ist, – nur ihr Vermögen nicht.
Das Geld hat für mich keinen anderen Reiz, als es durch die Finger zu rinnen fühlen. Geld auszugeben und etwas einzusacken ist für mich im ersten entscheidenden Moment das größte Glück.
In der Auszeichnung der Dinge, mit denen man sein Dasein umstellt, liegt das Maß für die Auszeichnung dieses Daseins selbst.
Der Schauder des Menschen vor der Realität hat ihn drei Ausflüchte finden lassen: den Rausch, die Liebe, die Arbeit.
Die Schlechtigkeit in der Liebe, sei sie nun physisch oder moralisch, ist das große Zeichen, daß es mit den Gesellschaften zu Ende geht.
Nur aus dem, was man gesehen oder erlitten hat, wird eine gute Literatur.
Es gibt kolossale Vermögen, die den Ehrenmann mit dem Namen: Schwachkopf! anschreien.
Alle Dichter, die ich gesehen habe, sind so häßlich, daß mir Dichtkunst wie eine Reaktion auf die persönliche Häßlichkeit vorkommt.
Um berühmt zu sein, muß man unbedingt zwei Generationen begraben, die seiner Professoren und die seiner Schulfreunde, die deine und ihre Vorgängerin.
Ich weiß nicht, welche Niedrigkeit und Falschheit oft genug bei Kindern beobachtet werden kann, die nicht die Söhne ihrer Väter sind. Man möchte meinen, die Lüge, in der ihre Mutter ihren Fehltritt verhüllen mußte, sei ihnen in die Seele gestiegen.
Seit den letzten Jahren gibt es ein Wertobjekt, das realer und verwertbarer ist als Boden, Haus und Rente, ein Wertobjekt der Laune und der Phantasie; das Kunstwerk.
Man findet nicht einen Mann, der sein Leben noch einmal leben möchte. Kaum findet man ein Weib, das seine ersten achtzehn Jahre wiederleben möchte. Das richtet das Leben.
Es gibt so kleine Geschichtsschreiber von großen Ereignissen, daß sie an jene Austern erinnern, die von einer Sintflut zeugen.
Eine homöopathische Apotheke kommt mir vor wie der Protestantismus der Medizin.
Es gibt Leute, die so grotesk sind, daß sie beim Sterben den Todesgedanken zu profanieren scheinen.
Man sagt, die Wahrheit ärgere den Menschen, und sie ärgert ihn wirklich, denn sie ist nicht vergnüglich. Die Lüge, der Mythos, die Religion sind viel tröstlicher.
Es gibt Neidhammel, die von deinem Glück dermaßen niedergedrückt scheinen, daß sie in dir fast die Anwandlung wachrufen, sie zu beklagen.
Die Dekadenz der öffentlichen Meinung hörte ich folgendermaßen resumieren: Achtung für die anständigen Leute und Sympathie für die Schufte.
Man sollte im Kind den Ursprung der Gesellschaften studieren. Das Kind ist die Menschheit in ihrem Anfang; Kinder sind die ersten Menschen.
Luftballons finden, wenn sie sehr hoch hinaufsteigen, einen schwarzen Himmel vor. In diesem Himmel wird am Ende auch die Wissenschaft landen.
Jede politische Diskussion läuft hinaus auf: Ich bin besser als Sie. Jede literarische Diskussion: Ich habe mehr Geschmack als Sie. Jede künstlerische Diskussion; Ich sehe besser als Sie. Jede musikalische Diskussion: ich habe ein besseres Gehör als Sie.
Die Provinz überbietet den Roman. Nie wird der Roman die Frau eines Gendarmeriekommandanten erfinden, die die Predigten des Vikars in Verse bringt.
In der Menschheit gibt es […] Leute, die nach dem Gros fabriziert werden, die Sinne nur halb, und ein Viertelgewissen.
Wenn die Frau ein Meisterwerk ist, übertrifft sie alle Kunsterzeugnisse.
Der Schritt eines Bettlers, dem du nichts gegeben hast und der nun davon geht, läßt seinen verhallenden Klang in deiner Seele zurück.
Sobald die Schule von etwas existiert, ist dieses selbst schon nicht mehr am Leben.
Dumm und erhaben – da hat man alle großen menschlichen Gefühle in zwei Worten beieinander.
Im Geiste eines jeden Menschen, der eine Feder in der Hand hält, besteht eine Neigung, das Publikum, das ihn morgen lesen wird, zu verachten, und das Publikum, das ihn in zehn Jahren lesen wird, zu respektieren.
Das Elend hat seine Gesten. Sogar der Körper nimmt auf die Dauer Armengewohnheiten an.
Man könnte Stolz definieren als die Eitelkeit, die es nicht gestattet, gemeine Handlungen zu verüben.
Sehr selten entnimmt ein Schriftsteller die Moral, die er in seinen Büchern pflegt, seinem Leben.
Man findet Menschen mit veränderlichen und heftigen Meinungen: das sind schlecht geölte Wetterfahnen!
Es scheint, daß bei der Schöpfung der Welt und der Dinge der Schöpfer weder frei noch allmächtig gewesen ist. Man möchte meinen, daß er durch eine Reihe von Bedingungen gebunden war: er muß es Winter werden lassen, damit es wieder Sommer werden kann.
Liest man die römische Kaisergeschichte, so staunt man, daß die Begriffe des Guten, des Bösen, des Gerechten und des Ungerechten die Cäsaren überleben konnten, und daß die römischen Kaiser nicht das menschliche Gewissen töteten.
Das allerbeschwerlichste auf der Welt ist, auf Dinge aufmerksam scheinen zu müssen, die einen nicht interessieren: man bekommt schwere Glieder davon.
Es gibt kleine Mädchen, die schon in zu jungem Alter schön sind, wie jene Tage, an denen es viel zu früh am Morgen gut Wetter ist.