Emanuel Wertheimer Zitate
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Gewisse Literaten leben vom Kultus mitunter zweifelhafter Größen. Wehe dem, der an diesem Nahrungszweige rüttelt.
Der Notleidende ist rücksichtslos, unsre Hilfe anzurufen; er bedenkt nie, wie sehr wir überbürdet sind mit Pflichten gegen uns selbst.
Das eine kann man der Heuchelei nicht nehmen: sprechen hat sie von der Aufrichtigkeit gelernt.
Wie leicht wäre der Charakter zu verbergen, verrieten ihn nicht unsre Handlungen.
Gewisse Philosophen bauen jetzt Labyrinthe, in die man – zum Glück – nicht einmal hineinfindet.
Im Verhältnis zu unsrer Eitelkeit hat die Natur uns mit allem übrigen stiefmütterlich ausgestattet.
Wie glücklich wäre die Welt, wenn das Wohl aller von dem jedes einzelnen abhinge!
Auf die poetische Wirkung allein hat sich die Natur bei der Liebe nicht verlassen, um so mehr auf die Brutalität.
Warum das Elend so wenig rührt? Aus ästhetischen Gründen: es wiederholt sich zu oft.
Der Mensch vermag vieles auszuhalten: mancher kann jahrelang leben, ohne geistige Nahrung zu sich zu nehmen.
Für den Gesetzgeber gibt es nichts Unverläßlicheres als die Religion – er setzt sie gar nicht voraus.
Es gibt Vorurteile, an die man sich klammern muß, um nicht alle Ideale zu verlieren.
Der Weg zu einem Orden ist oft so steil, daß man auf allen Vieren hinkriechen muß.
Die Bequemlichkeit täuscht sich immer über ihr Wohlbehagen – sie liegt nie lange bequem.
Man fürchtet Kindern ideale Grundsätze beizubringen, aus Angst, sie könnten später ihren Mitmenschen nicht gewachsen sein.
Was die Gesellschaft so anziehend macht, ist die täuschende Aufrichtigkeit, mit der man einander sagt, was man nicht glaubt.
Eine Religion – scheint es – kann sich nur erhalten, wenn sie vieles thut, was sie verbietet, vieles unterläßt, was sie befiehlt.