Emanuel Wertheimer Zitate
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Man tadelt die Schöpfung – mit Recht: für unsre Begriffe ist sie zu unendlich, für unsre Wünsche zu begrenzt.
Man könnte jedes Unglück ertragen, wäre man nicht dem Trost, dem Mitleid und den verspäteten Ratschlägen der Glücklichen ausgesetzt.
Das Leben! Ein besuchtes Theater! Aber ich glaube, man gibt dafür zu viele Einlasskarten aus.
Die Natur hat auch die geistigen Fähigkeiten ungerecht verteilt, dem Genie alles gegeben, dem Talentlosen nichts; für diesen erfand man daher eine neue Kunstgattung, den Naturalismus. Und so braucht man heute wohl eine Richtung, aber kein Talent.
Der Misanthrop haßt alle – bis auf einen, den er nicht kennt; der Philanthrop schließt von seiner Liebe nur jene aus, die er kennt.
Auch der Idealist malt die Venus nackt, aber der Naturalist entkleidet sie selbst ihrer Schönheit.
Es gibt Reiche, die gerne reich zu werden wünschen, nur um Almosen geben zu können.
Gleichsam um sich unendlich oft zu sehen, blicken Verliebte wie zwei Spiegel ineinander.
Würden die Künstler nur geschmackvolle Werke schaffen, ich glaube, sie hätten kein Publikum mehr.
Wir wollen lieber bestohlen sein als betrogen. Der Dieb verletzt unser Eigentum, der Betrüger auch unsre Eitelkeit.
Wüßte man, was jeder von sich hält, man würde einander ehrerbietiger entgegenkommen – mit welcher Verachtung aber, wüßte man, was jeder von dem andern hält.
Der Freigebige ist oft ein anspruchsvoller, harter Gläubiger, der zu hohen Prozenten schenkt.
So viele Freuden hat die Natur gar nicht zu vergeben, als sie Schmerzen zu unsrer Verfügung hält.
In welches Gelächter müßte die Welt ausbrechen, verliehe nicht die Gewohnheit gewissen Possen einen feierlichen Ernst!
Es gibt so viele Humoristen unter allen Ständen und Berufen und so wenige unter den Humoristen!
Niemand vermutet, wieviel von seiner Ehrlichkeit er den Gesetzen zu verdanken hat.