Zitate von Georg Christoph Lichtenberg
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Er war sonst ein Mensch wie wir, nur mußte er stärker gedrückt werden, um zu schreien. Er mußte zweimal sehen, was er bemerken, zweimal hören, was er behalten sollte, und was andere nach einer einzigen Ohrfeige unterlassen, unterließ er erst nach der zwoten.
So angenehm die Musik dem Ohre ist, wenn es sie hört, so unangenehm ist sie ihm oft, wenn man ihm davon vorspricht.
Ehmals ärgerte ich mich mit einem Gefühl der Kraft, jetzt mit einem von passiver Ängstlichkeit.
Man braucht kein großer Mann zu sein, um jemand die Wahrheit zu sagen, und ein Glück für uns, daß auch der arme Teufel Wahrheiten sagen kann.
Wenn jemand etwas sehr gerne tut, so hat er fast immer etwas in der Sache, was die Sache nicht selbst ist.
Es gibt auf der Welt nur einen einzigen Weg, welchen niemand gehen kann außer dir. Wohin er führt, frage nicht! Gehe ihn!
Bei unsern gelehrten Kindern ist es eben so: sie blühen vortrefflich, und tragen keine Früchte.
Meine Bestie von Buchbinder hat die Angewandte Mathematik schon beinah 6 Wochen, und wie ich vorhin auf Ihr angenehmes Billet hinschicke, so hat sie der Kosak noch nicht fertig gemacht.
Daß der Mensch das edelste Geschöpf sei läßt sich auch schon daraus abnehmen, daß es ihm noch kein anderes Geschöpf widersprochen hat.
Sie setzte, wie glaube ich Crébillon sagt, die Tugend mehr im Bereuen der Fehler als im Vermeiden.
Mein Körper ist derjenige Teil der Welt, den meine Gedanken verändern können. Sogar eingebildete Krankheiten können wirkliche werden. In der übrigen Welt können meine Hypothesen die Ordnung der Dinge nicht stören.
„Der Schmeichler mit dem Spiegel-Gesicht“, sagt Shakespeare sehr vortrefflich, „the glass faced flatterer“. Die Wucherer nennt er „Kuppler zwischen Geld und Mangel“.
Ich glaube nicht, dass die sogenannten frommen Leute gut sind, weil sie fromm sind, sondern fromm, weil sie gut sind.
Das heißt die Hand auf den Mund legen und hernach ein wenig durch die Finger plaudern.
Die buntesten Vögel singen am schlechtesten, gilt auch von Menschen, und wo Prachtstil ist, da muss man nie tiefe Gedanken suchen.
Ein Grab ist doch immer die beste Befestigung wider die Stürme des Schicksals.
Alles ist sich gleich, ein jeder Teil repräsentiert das Ganze. Ich habe zuweilen mein ganzes Leben in einer Stunde gesehen.
Keine Leute sind eingebildeter, als die Beschreiber ihrer Empfindungen, zumal wenn sie dabei etwas Prose zu kommandieren haben.
Hüte dich vor den Gezeichneten ist ein Schimpfwort, dem die Gezeichneten von einer gewissen Klasse der Nicht-Gezeichneten in der Welt seit jeher ausgesetzt gewesen sind. Mit größerem Recht könnten also die Gezeichneten sagen: Hüte dich vor den Nicht-Gezeichneten!
In der Stadt ist immer eine gewisse glückliche Stumpfheit des Geistes endemisch gewesen.
Was heißt schwätzen? Schwätzen heißt, mit einer unbeschreiblichen Geschäftigkeit von den gemeinsten Dingen, die entweder schon jedermann weiß oder nicht wissen will, so weitläufig sprechen, daß darüber niemand zum Wort kommen kann und jedermann Zeit und Weile lang wird.
Eine Sprache, die allemal die Verwandtschaft der Dinge zugleich ausdrückte, wäre für den Staat nützlicher als Leibnizens Charakteristik. Ich meine solche wie zum Ex. Seelsorger statt Prediger, Dummkopf statt Stutzer, Wassertrinker statt Anakreontischer Dichter.
Die glücklichen Zeiten des Lebens, da man noch nicht denkt, wie alt man ist, noch kein Buch hält über die Haushaltung des Lebens.
Solche Leute schützen eigentlich das Christentum nicht, sie lassen sich aber dadurch schützen.
Meine Phantasie wurde scheu, so wie Pferde, und lief fort mit mir. Dieses drückt meinen Zustand in der Empfindlichkeit am besten aus.
Jeder Mensch ohne Ausnahme hat jährlich wenigstens drei Augenblicke der Genialität, und der größte Dichter hat vor keinem unter uns etwas voraus als die häufigere Wiederkehr solcher Augenblicke und die besonnene Auffassung derselben.
Ein Mann, der gut schreiben will, soll, so viel er kann, außer allem medio resistente schreiben, und bloß sich durch die Natur der Sache leiten lassen.
Wer sich sein eigenes Leiden klagt, klagt es sicherlich vergeblich. Wer es der Frau klagt, klagt es einem Selbst, das helfen kann und schon durch die Teilnahme hilft.
Aus dem, was der Mensch jetzo in Europa ist, müssen wir nicht schließen, was er sein könnte.
Ich habe oft auf dem Punkt gestanden, mit so viel Überzeugung zu glauben, daß man, um der Nachwelt zu gefallen, von der jetzigen gehaßt werden müßte, daß ich alles anzufallen Neigung fühlte.
Ein Lehrer auf Schulen und Universitäten kann keine Individuen erziehen. Er erzieht bloß Gattungen.
Seine Aussprache war so wie des Demosthenes seine, wenn er das Maul voller Kieselsteine hatte.
Täglich zu sehen wie Leute zum Namen Genie kommen, wie die Keller-Esel zum Namen Tausendfuß, nicht weil sie so viele Füße haben, sondern weil die meisten nicht bis auf 14 zählen wollen, hat gemacht, daß ich keinem mehr ohne Prüfung glaube.
Er war, was man in allen Ländern zwischen dem Rhein und der Donau eine gute Haut nennt.
Fein war er eigentlich nicht, allein, er verstand doch die Kunst, wenn er es bedurfte, zuweilen auf seinen Nebenmenschen zu reiten.
An einem Ort, der Schwätzlar heißt, stritten sie, wie die Pole sollten verrückt werden.
Das Wohl mancher Länder wird nach der Mehrheit der Stimmen entschieden, da doch jedermann eingesteht, daß es mehr böse als gute Menschen gibt.
Er hatte seine Bibliothek verwachsen, so wie man eine Weste verwächst. Bibliotheken können überhaupt der Seele zu enge und zu weit werden.
Erfahrung, nicht lesen und hören ist die Sache. Es ist nicht einerlei, ob eine Idee durch das Auge oder das Ohr in die Seele kommt.
Weil die Menschen sehr geneigt zum Aufschieben und zur Langsamkeit sind,… so kann man man sicher darauf rechnen, daß man die Oberhand in einer Sache behält, wenn man alles ohne den geringsten Verzug unternimmt.