Zitate von Georg Christoph Lichtenberg
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Unter die größten Entdeckungen, auf die der menschliche Verstand in den neuesten Zeiten gefallen ist, gehört meiner Meinung nach wohl die Kunst, Bücher zu beurteilen, ohne sie gelesen zu haben.

Von einem französischen Atheisten, der Esprit hat, wird verlangt, daß er sich nur bei schmerzlichen Krankheiten und auf dem Todbette bekehrt. Unsere hingegen bekehren sich bei jedem Donnerwetter.

Wer in sich selbst verliebt ist, hat wenigstens bei seiner Liebe den Vorteil, daß er nicht viele Nebenbuhler erhalten wird.

Wer seine Talente nicht zur Belehrung und Besserung anderer anwendet, ist entweder ein schlechter Mann oder ein äußerst eingeschränkter Kopf. Eines von beiden muß der Verfasser des leidenden Werther sein.

Die Gesichter der gemeinen Leute auf einer Straße anzusehen, ist jederzeit eines meiner größten Vergnügen gewesen.

Konversation machen: Zwei oder mehrere Leute tun so, als hörten sie einander zu.

So wie der Mensch unabläßlich vor Alter stirbt, so werden andere Sachen unabläßlich durch Alter gut. Es geht mit unserer Weisheit nicht besser.

Man soll niemanden in seiner Profession lächerlich machen, er kann dadurch unglücklich werden.

Wie hat es Ihnen in dieser Gesellschaft gefallen? Sehr wohl, beinah so sehr wie auf meiner Kammer.

Ich hat mir’s zur Regel gemacht, dass mich die aufgehende Sonne nie im Bett finden soll, solange ich gesund bin.

Acht Bände hat er geschrieben. Er hätte gewiß besser getan, er hätte acht Bäume gepflanzt oder acht Kinder gezeugt.

Es ist ein Fehler, den der bloß witzige Schriftsteller mit dem ganz schlechten gemein hat, dass er gemeiniglich seinen Gegenstand eigentlich nicht erleuchtet sondern ihn nur dazu braucht, sich selbst zu zeigen.

Bei jeder Veränderung unseres Zustandes werden uns gewöhnlich eine Menge von Dingen bald zu weit und bald zu enge, kurz unbrauchbar.

Das eigentlich Christliche in unserer Religion ist die Seele aller Religionen; das übrige ist Körper.

Ich habe Leute gekannt, die haben heimlich getrunken und sind öffentlich besoffen gewesen.

Etwas Witziges läßt sich wider alles sagen, und für alles. Hiergegen könnte ein witziger Mann wieder etwas sagen, das mich vielleicht diese Behauptung bereuen machen könnte.

Meine Fragen über die Physik könnten vielleicht den Titel bekommen „Vermächtnisse“. Man vermacht ja auch Kleinigkeiten.

In jeder Fakultät sollte wenigstens ein recht tüchtiger Mann sein. Wenn die Scharniere von gutem Metall sind, so kann das übrige von Holz sein.

Ich kannte einen Gelehrten, der so oft den Homer las und so in der klassischen Welt lebte, dass er das Wort angenommen nicht richtig lesen konnte, sondern stattdessen immer Agamemnon las.

Nichts kann mehr zu einer Seelen-Ruhe beitragen, als wenn man gar keine Meinung hat.

Das Land, in welchem „ehrliche Haut“ und „unschuldiger Tropf“ Schimpfwörter sind, und „anführen“ so viel als „betrügen“.

Die Menschen sind sich in ihren Anlagen alle gleich, nur die Verhältnisse machen den Unterschied.

Du fragst mich, Freund, welches besser ist: von einem bösen Gewissen genagt zu werden oder ganz ruhig am Galgen zu hängen?

Aus der Mätresse eines Mannes läßt sich viel auf den Mann schließen, man sieht in ihr seine Schwachheiten und seine Träume. Ex socio wird man nicht halb so gut erkannt, als ex socia.

Kenntnis der Mittel ohne eine eigentliche Anwendung, ja ohne Gabe und Willen, sie anzuwenden, ist was man jetzt gemeiniglich Gelehrsamkeit nennt.

Er hatte schon längst den stillen Vorsatz bei sich gefaßt, etwas zu tun, dass entweder in die gelehrte oder in die politische Zeitung kommen müßte.

Er pflegte seine obern (und) untern Seelenkräfte das Ober- und Unterhaus zu nennen, und sehr oft ließ das erstere eine Bill passieren, die das letztere verwarf.

Es gibt Leute, die gut zahlen, die schlecht zahlen, Leute, die prompt zahlen, die nie zahlen, Leute, die schleppend zahlen, die bar zahlen, abzahlen, draufzahlen, heimzahlen – nur Leute, die gern zahlen, die gibt es nicht.

Bei einem Roman sollte hauptsächlich darauf gesehen werden, die Irrtümer sowohl als die Betrügereien aller Stände und aller menschlichen Alter zu zeigen.

Tätige Menschenliebe ohne Verstand verfehlt so gut ihren Zweck als Menschenhaß ohne Macht.

Das ist wahr, meine Schuh kann ich mir nicht selbst machen, aber ihr Herrn, meine Philosophie laß ich mir nicht zuschreiben. Meine Schuh will ich mir allenfalls selbst machen lassen, das kann ich selbst nicht.

Wer aus England nach Holland kommt, glaubt aus einer Gesellschaft wohlerzogener Offiziere unter Tamboure und Profosse versetzt zu sein.

Um über gewisse Gegenstände mit Dreistigkeit zu schreiben, ist fast notwendig, daß man nicht zu viel davon versteht.

Wovon das Herz nicht voll ist, davon geht der Mund über, habe ich öfters wahr gefunden, als den entgegengesetzten Satz.

Sogar aus Hunden läßt sich etwas machen, wenn man sie recht erzieht. Man muss sie nur nicht mit vernünftigen Leuten, sondern mit Kindern umgehen lassen, so werden sie menschlich.

Die Wahrheit hat tausend Hindernisse zu überwinden, um unbeschädigt zu Papier zu kommen, und vom Papier wieder zum Kopf.