Zitate von Gotthold Ephraim Lessing
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Immer in einer Sphäre und dennoch immer neu zu bleiben, ist nur das Vorrecht eines sehr großen Genies.

Weg, weg mit Wünschen, Reimen, Schwänken! Trinkt fleißig, aber trinket still! Wer wird an die Gesundheit denken, Wenn man die Gläser leeren will?

Meine ersten Gedanken sind gewiß kein Haar besser, als Jedermanns erste Gedanken: und mit Jedermanns Gedanken bleibt man am klügsten zu Hause.

Wer richtig raisonniert, erfindet auch: und wer erfinden will, muß raisonnieren können. Nur die glauben, daß sich das eine von dem andern trennen lasse, die zu keinem von beiden aufgelegt sind.

Was man gewöhnlich Vernunft nennt, ist nur eine Gattung derselben; nemlich die dünne und wässerige. Es giebt auch eine dicke, feurige Vernunft, welche den Witz eigentlich zum Witz macht, und dem gediegenen Styl das Elastische giebt und das Elektrische.

Wer von mir nichts annehmen will, wenn er’s bedarf und ich’s habe, der will mir auch nichts geben, wenn er’s hat und ich’s bedarf.

Mit so bescheiden stolzem Wesen Trägst du dein neustes Buch – welch ein Geschenk! – mir an. Doch, wenn ichs nehme, grundgelehrter Mann, Mit Gunst: Muß ich es dann auch lesen?

Die Bescheidenheit richtet sich genau nach dem Verdienste, das sie vor sich hat, sie gibt jedem, was jedem gebührt – aber die schlaue Höflichkeit gibt allen alles, um alles wieder zu erhalten.

Ich weiß, daß das Aufknöpfen einer Bluse einer jener furchtbaren Augenblicke ist, der der Einbildungskraft freies Spiel läßt, dann aber das Erwartete mit dem Gesehenen konfrontiert.

In der Natur ist alles mit allem verbunden, alles durchkreuzt sich, alles wechselt mit allem, alles verändert sich eines in das andere.

Der Zerstreute denkt, und denkt nur das nicht, was er, seinen itzigen sinnlichen Eindrücken zu Folge, denken sollte.

Der Käfer, wenn er alle Blumen durchschwärmt hat, bleibt endlich auf dem Miste liegen.

Töne, frohe Leier, Töne Lust und Wein! Töne, sanfte Leier, Töne Liebe drein!

Neid ist ein kleines, kriechendes Laster, das keine andere Befriedigung kennet, als das gänzliche Verderben seines Gegenstandes.

Die Beleidigungen werden nur durch die bösen Absichten dessen, der beleidiget, und durch die Empfindlichkeit dessen, der beleidiget wird, zu Beleidigungen.

Ich bin ein Feind von Parodien, weil ich weiß, daß man das Vortrefflichste dadurch lächerlich machen kann.

Man muß Soldat sein für sein Land oder aus Liebe zur Sache, für die gefochten wird.

Die Welt allein bildet einen vollkommenen Menschen nicht. Das Lesen der besten Schriftsteller muß dazukommen.

Einen elenden Dichter tadelt man gar nicht; mit einem mittelmäßigen verfährt man gelinde; gegen einen großen ist man unerbittlich.

Ein Tor sorgt für die künft’ge Zeit; für heute will ich sorgen. Wer kennt, mit weiser Gründlichkeit, den ungewissen Morgen?

Des Menschen Hirn faßt so unendlich viel; und ist doch manchmal auch so plötzlich voll!

Was man nicht zu verlieren fürchtet, hat man zu besitzen nie geglaubt, und nie gewünscht.

Der gute Name sei die Seele der Tugend, ist so gar unrecht nicht gesagt. Denn sie lebt noch lange, wenn der Körper schon tot ist.

Bei dem Dichter ist das Gewand kein Gewand; es verdeckt nichts; unsere Einbildungskraft sieht überall hindurch.

Jüngling, trauerst du in Jahren, wo die Pflicht sich freuen heißt? Schäme dich – so frisch an Haaren, Jüngling, und so schwach an Geist!

Im Grunde ist es immer eins, ob man sich über das Gegenwärtige oder Vergangene zu freuen hat; wenn man sich denn nur freut.

Nicht die Klügsten haben immer die besten Einfälle. Gute Einfälle sind Geschenke des Glücks.

Es ist möglich, daß ich am Tage des Jüngsten Gerichts zittern werde, aber bis dahin zittere ich auf keinen Fall.

Erziehung ist Offenbarung, die dem einzelnen Menschen geschieht: und Offenbarung ist Erziehung, die dem Menschengeschlechte geschehen ist, und noch geschieht.

Darf eine einzige fehlgeschlagene Hoffnung uns gegen die Welt so unversöhnlich machen?

Das Wort Zufall ist Gotteslästerung; nichts unter der Sonne ist Zufall; am wenigsten das, wovon die Absicht so klar in die Augen leuchtet.

Ein verständiger Schauspieler muß nie seine Rolle, wo es nicht nötig ist, zum Nachteile aller anderen heben.

Die Komödie kann ganz wohl zu rühren fähig sein, und gleichwohl von der Tragödie noch weit entfernt bleiben, indem sie weder eben dieselben Leidenschaften rege macht, noch aus eben derselben Absicht, und durch eben dieselben Mittel, als die Tragödie zu tun pflegt.

Der wahre Kunstrichter folgert keine Regeln aus seinem Geschmacke, sondern hat seinen Geschmack nach den Regeln gebildet, welche die Natur der Sache erfordert.