Gregor Brand Zitate
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Manchmal scheint so wenig zu geschehen, daß man sich fragen muß, ob die Tu-Wörter gestorben sind.
Einer Umfrage zu Beginn des 21. Jahrhunderts zufolge hielten viele Deutsche einen prominenten blonden Showmaster für wichtiger als Goethe. Goethe würde sich darüber am wenigsten wundern.
Am Anfang war das Wort, heißt es. Aber was ist mit den Buchstaben? Waren die nicht schon vorher da? Eine alte und immer noch ungelöste kabbalistische Frage.
Für angehende Eltern: Lachen und Wachen gehören nicht weniger zur frühen Kindheit als Weinen und Schlafen.
Wer mit seinen Geistesschöpfungen lange überdauern will, der sollte Vorurteile schaffen: Nichts besteht länger.
Man kann nur das totschweigen, was lebt. Das Hinterhältigste, was man über Totgeschwiegenes sagen kann, ist: es lebe gar nicht.
Gibt es noch, wie vor hundert Jahren, sechzehnjährige Jungen, die sich gemeinsam für einen Schriftsteller begeistern können? Oder wenigstens über eine attraktive Schriftstellerin?
Je schwerer und bedeutungsvoller ein Gedanke ist, desto schmerzlicher kann man von ihm verletzt werden. Aber auch die leichtesten Gedanken können uns anrempeln und umstoßen. Und wenn wir Pech haben, verletzen wir uns auch dabei schwer.
Die Deutschen sollten nicht so bescheiden sein, eine bestimmte Form der Sexualität „französisch“ zu nennen oder eine andere „griechisch“. Schon die Germanen verkehrten doch, da bin ich mir sicher, französisch und griechisch, auch wenn sie es vermutlich „wendisch“ und „gallisch“ nannten.
Es spricht noch nicht gegen den Wert vieler Geistesschöpfungen, daß die sie produzierenden Männer sie nicht hervorgebracht hätten, wenn man ihnen beizeiten eine schöne Frau geschenkt hätte.
Die Gegenwart, der wenig einfällt, lässt der Zukunft immerhin die Chance der Originalität.
Wer Unmögliches nicht erreicht, muß sich nicht grämen: Er hat nach Unmöglichem gestrebt.
Seinen Glauben kann sich niemand aussuchen, unter günstigen Umständen aber seine Religion.
Um wirklich zu wissen, wie schlecht das eigene Gedächtnis ist, muß man schon ein ziemlich gutes haben.
Gab es eigentlich in den völkischsten deutschen Zeiten Erzdeutsche, die keine Romane schreiben wollen, sondern Germane, keine Lyrik, sondern Lurenien? Es gab sie, aber glücklicherweise hat nicht alles, was ehern ist, lange Bestand.
Wäre die mittelalterliche Kunst frei und demokratisch gewesen, dann wären die Kirchen voller erotischer und pornographischer Darstellungen.
Wer denkt schon bei der Frage, was oder wen er auf eine einsame Insel mitnehmen würde, an die Bedürfnisse der armen einsamen Insel?