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Alle bürgerliche Gesellschaft ist Klassenordnung. - Keine Macht der Welt wird je bewirken können, daß eine neue künstliche Klassenordnung die natürliche Verschiedenheit der sozialen Gruppen aufhebt.
Heinrich von TreitschkeDie Macht der Gemeinheit und Dummheit ist nur zu oft größer als die Macht der Ehrlichkeit und des gesunden Menschenverstandes.
Heinrich von TreitschkeJene blutlose Objektivität, die gar nicht sagt, auf welcher Seite der Darstellende mit seinem Herzen steht, ist das gerade Gegenteil des echten historischen Sinnes.
Heinrich von TreitschkeEs ist schlimm um die Generation bestellt, in der die Jugend konservativer ist als das Alter.
Heinrich von TreitschkeJede Frage der Gegenwart, wenn sie das Herz bewegt, muß einer würdigen Behandlung offen stehen.
Heinrich von TreitschkeEs bildet die Achtung, welche der Staat der Person und ihrer Freiheit erweist, den sichersten Maßstab seiner Kultur.
Heinrich von TreitschkeNicht die Intelligenz beherrscht den Menschen, sondern der Wille, dem die Intelligenz nur dient. Man kann deshalb auch nicht die Intelligenz zum Maßstab nehmen für den moralischen Fortschritt des Menschen
Heinrich von TreitschkeEin Demagoge, der dem Pöbel schmeichelt, der behauptet, daß in dessen schwieligen Fäusten die eigentliche Intelligenz des Volkes liege, der lügt mit Bewußtsein; das ist der Grund, warum Demagogen zu den scheußlichsten Gestalten der Geschichte gehören.
Heinrich von TreitschkeMan kann nicht das Recht sprechen anders als aus dem Geiste eines bestimmten Staates heraus.
Heinrich von TreitschkeDie Kunst kennt keine Mittelstraße; sie kennt nur vollkommene oder verfehlte Werke.
Heinrich von TreitschkeZur Tat berufen sind jene feurigen Naturen, bei denen Charakter und Bildung zusammenfallen und jede Erkenntnis als ein lebendiger Entschluß in der Seele glüht.
Heinrich von TreitschkeNur die höheren Stände ermöglichen dem Handwerker den Betrieb seines Handwerks, und die Unternehmer sind es, die die wirtschaftliche Arbeit leisten.
Heinrich von TreitschkeFreiheit heißt nichts anderes, als das Freisein von vernunftswidrigem Zwange.
Heinrich von TreitschkeMan kann ohne Fremdwörter klare Begriffe in der Wissenschaft nicht aufstellen. Darin zeigt sich gerade die Kraft der deutschen Sprache, daß sie eine so große Anzahl von Fremdwörtern hat verdauen können.
Heinrich von TreitschkeWie sehr der persönliche Wille des Königs zuweilen schaden kann, das haben wir schon oft erfahren und werden es ferner erfahren. Aber wenn wir Monarchisten sind, so müssen wir uns überzeugen, daß dieser Zustand erträglicher ist, als wenn der Monarch zu einer Puppe wird.
Heinrich von TreitschkeDurch zu viel Nachsicht verliert die Frau ihr Ansehen und die Dienstboten vergessen ihre Schuldigkeit; zuviel Strenge hingegen kann die Natur nicht aushalten.
Heinrich von TreitschkeEs gilt von dem Leben der Völker, was von der Natur gilt, daß keine neue Kraft angesammelt werden kann, ohne einen Verlust nach anderer Seite.
Heinrich von TreitschkeOhne beständige Arbeit der Selbstbestimmung und Selbstprüfung schreiten die menschlichen Dinge nicht vorwärts.
Heinrich von TreitschkeÜber des Menschen sittliche Würde entscheidet nicht, was er glaubt, sondern wie er glaubt.
Heinrich von TreitschkeDer Staat ist sich selbst Zweck wie alles Lebendige: denn wer darf leugnen, daß der Staat ein ebenso wirkliches Leben führt wie jeder seiner Bürger?
Heinrich von TreitschkeEs ist eine rohe und barbarische Anschauung, wenn man die Kunstpflege des Staates als Luxus auffaßt. Die Kunst ist dem Menschen so nötig, wie das tägliche Brot, und der Staat ist da, um der Kunst monumentale Aufgaben zu setzen.
Heinrich von TreitschkeJeder rechte Redner wirkt sein Größtes durch einen höchst persönlichen Zauber, den die Nachwelt nicht mehr begreift.
Heinrich von TreitschkeEinen geschichtlichen Helden, der nicht national gewesen wäre, hat es nie gegeben.
Heinrich von TreitschkeDie Macht ist das Prinzip des Staates, wie der Glaube das Prinzip der Kirche, die Liebe das der Familie ist.
Heinrich von TreitschkeDie Schule hat dem Leben zu dienen, nicht aber das Leben erwachsener Männer schulmeisternden Pedanten.
Heinrich von TreitschkeDie Politik soll nach der Methode des historischen Denkens aus empirischen Betrachtungen deduzieren.
Heinrich von TreitschkeEs scheint, als müßten manche großen der Poesie erst durch viele Hände gehen, bevor das Eisen zum Stahl wird und ein echter Künstler die schneidige Klinge schmieden kann.
Heinrich von TreitschkeWäre die Geschichte eine exakte Wissenschaft, so müßten wir im Stande sein die Zukunft der Staaten zu enthüllen. Das können wir aber nicht, denn überall stößt die Geschichtswissenschaft auf das Räthsel der Persönlichkeit. Personen, Männer sind es, welche die Geschichte machen.
Heinrich von TreitschkeWas man heute politische Ansichten nennt, ist meist nur der Ausdruck wirtschaftlicher und sozialer Interessen.
Heinrich von TreitschkeFür die politische Entwicklung eines Volkes ist vor allem wichtig die alte Wahrheit, daß ein Staat durch dieselben Kräfte erhalten wird, die bei seiner Bildung mitgewirkt haben. Deshalb haben alle gesunden Staaten von jeher einen konservativen Zug in sich getragen. Dies gilt für allen Staatsformen.
Heinrich von TreitschkeDas göttliche Gebot der Liebe, wie es das Christentum verkündet, ist vielleicht das Gewaltigste, was die Menschheit an wirklichen Fortschritten im Gebiet der großen absolut sittlichen Ideen geleistet hat.
Heinrich von TreitschkePolitische Freiheit ist politisch beschränkte Freiheit - dieser Satz, vor wenigen Jahrzehnten noch knechtisch gescholten, wird heute von jedem anerkannt, der eines politischen Urteils fähig ist.
Heinrich von TreitschkeImmer sind es nur die müden, geistlosen und erschlafften Zeiten gewesen, die mit dem Traum des ewigen Friedens gespielt haben.
Heinrich von TreitschkeWer nur selbstsüchtig ist, der mag noch so gescheit sein, er kann den Zusammenhang der menschlichen Dinge nicht durchschauen.
Heinrich von TreitschkeDie Moral muß politischer werden, wenn die Politik moralischer werden soll, d.h. es müssen die Moralisten erst erkennen, daß man das sittliche Urteil über den Staat aus der Natur und den Lebenszwecken des Staates und nicht des einzelnen Menschen schöpfen muß.
Heinrich von TreitschkeAlle Völker sind wie die einzelnen Menschen ebenso einseitig, aber in der Fülle dieser Einseitigkeit zeigt sich der Reichtum des Menschengeschlechts. Jedes Volk zeigt ein anderes Bild und einen anderen Gedanken der Gottheit.
Heinrich von TreitschkeIm Gang der Weltgeschichte ist zu erkennen, daß eine göttliche Gerechtigkeit waltet.
Heinrich von TreitschkeGibt es irgendeinen Gedanken, der heute einen rechten Deutschen lauter noch als das Gebot der allgemein-menschlichen Pflicht zu sittlichem Mute mahnen kann, so ist es dieser Gedanke: was du auch tun magst, um reiner, reifer, freier zu werden, du tust es für dein Volk.
Heinrich von TreitschkeMan kann den Adel einer Nation daran erkennen, ob bei ihr die Kunst älter ist als der Komfort.
Heinrich von TreitschkeWenn bei irgendeiner Gelegenheit, wo das allgemeine Stimmrecht gebraucht, kaum zwei Drittel, ja vielleicht nicht einmal die Majorität der Stimmberechtigten an die Stimmurne kommt, so ist dies ein Votum gegen das ganze System überhaupt.
Heinrich von TreitschkeDie Begeisterung für die rechte Tapferkeit ist der Jugend schönstes Vorrecht.
Heinrich von TreitschkeDie Dichtung soll etwas Höheres sein als der getreue Abdruck der Wirklichkeit.
Heinrich von TreitschkeTheoretiker sind in der Regel der Ansicht, alle Menschen bestimmten sich in ihrem Handeln zunächst nach vernünftigen Erwägungen. Das fällt ihnen gar nicht ein: Millionen bestimmen sich nach dunklen Instinkten und fühlen sich wohl dabei.
Heinrich von TreitschkeEs ist gar kein ernster politischer Idealismus möglich ohne den Idealismus des Krieges.
Heinrich von TreitschkeUnsere Briefe aber sind infolge der Schnelligkeit des Verkehrs und des billigen Portos so furchtbar inhaltslos geworden, daß man geistreiche Briefe wie in früheren Kulturperioden gar nicht mehr findet.
Heinrich von TreitschkeAuf der stetigen Veränderung der Verträge beruht der Fortschritt der Geschichte. Jeder Staat muß dafür sorgen, daß seine Verträge lebenskräftig bleiben und nicht veraltern, damit sie ihm nicht eine andere Macht durch Kriegserklärung kündigt.
Heinrich von Treitschke