Jean Paul Zitate
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Je mehr Schwäche, je mehr Lüge; die Kraft geht gerade; jede Kanonenkugel, die Höhlen oder Gruben hat, geht krumm.

Der lügt am sichersten, der die Wahrheit nur verfälscht und keine ganze Lüge erdichten darf; bei jedem nimmt er ein andres Stück Wahrheit weg und setzt eine andre Lüge hinzu.

Überhaupt wurde sein Herz erst durch den Transport über die Zunge und Lippe recht feurig und trinkbar.

Wir müssen Hoffnung haben, um die Gegenwart zu genießen. Wir wollen lieber eine schlimme Gegenwart mit schöner Aussicht als umgekehrt.

Die Weiber – ja, es ist ein Teufelsvolk; scheinen sie schlimm, so sind sie es auch; scheinen sie es nicht, so sind sie es doch.

Alles wird auf der Erde ohne Abschied auseinandergestürmt; aber der Mensch nimmt seinen von einem Menschen, wenn er kann, wenn kein Meer-Sturm, wenn kein Erdbeben die Seelen-Nächsten plötzlich zerwirft.

Zwei kräftige Freunde sind wie zwei Uhren, welche in ihren kleinen Perpendikelschlägen wechselnd abweichen und zustimmen, aber bei dem großen ordentlichen Ausschlagen in einer Stunde zusammen treffen.

Und wie viele Menschen verdienen es denn überhaupt, daß man sich von ihnen lieben lässet? Mich ausgenommen, nicht zwei, und kaum.

Die Tat, die Mimik, das Schweigen lügen öfter als die Zunge, welche der Mensch, solange er nur kann, vom häßlichen Belegen der Lüge – als ein Krankheitzeichen des innern Menschen – rein zu bewahren sucht.

Die Erde wird bloß von Menschen verändert, die nicht von ihr verändert werden; die Menschheit empfing alle ihre akademischen Grade nur aus der Hand einzelner exzentrischer Geister-Regenten. Die Menge konnte die Menge nicht bilden, so wie die Hunde keinen abrichten.

Es verlohnt sich nicht, daß man alle Bücher widerlegt. Exzerpieren isoliert und hebt eine Sache heraus.

Zum Ziele der Erziehungskunst, das uns vorher klar und groß vorstehen muß, ehe wir die bestimmten Wege dazu messen, gehört die Erhebung über den Zeitgeist. Nicht für die Gegenwart ist das Kind zu erziehen – denn diese thut es ohnehin unaufhaltsam und gewaltsam – sondern für die Zukunft.

Man unterlässet zu viel Gutes, weil der Nutzen, und begeht so viel Böses, weil der Schaden zweifelhaft ist.

Oft gehört nichts dazu, den Ehemann zu stillen, der 100 Fehler vorwirft, als sie alle rein-denkend zuzugestehen.

Man schämt sich eines Sprachfehlers mehr als eines Denkfehlers – eines Gedächtnisfehlers mehr als eines Schluß-Fehlers.

Aber auf der andern Seite ist ja das Aufblühen der verjüngten Erde die beste Kurzeit gegen den Schmerz über die, die in ihr liegen, und Blumen verhüllen uns Gräber besser als Schnee.

Die Menschen verraten ihre Absichten nie leichter und stärker, als wenn sie sie verfehlen.

Der Krieg ist die stärkende Eisenkur der Menschheit, und zwar mehr des Teils, der ihn leidet, als des, der ihn führt. Ein Kriegsstoß weckt die Kräfte auf, die das lange Nagen der täglichen Sorgen durchfrißt.

Wir verwundern uns nie über den Sonnenaufgang einer Freude, sondern über den Sonnenuntergang derselben.

Sobald nicht die Unschuld der Phantasie geschonet wird so ist keine andere weiter zu schonen; die Sinnen können weder unschuldig noch schuldig sein.

Der Mensch sieht nur das Spinnrad des Schicksals, aber nicht die Spindel; daher sagt er: seht ihr nicht den ewigen, leeren Kreislauf der Welt?

Für nichts lernt ein Mensch sich leichter halten als für einen Großen, sobald er die erforderlichen Leute dafür um sich hat.

Das milde, wohlwollende weibliche Geschlecht führt uns nur dann auf Irrwege, wenn es selber mitgeht.

Die Männer machen sich von großen Männern eben jene romanhaften Vorstellungen als die Mädchen von ihren künftigen Romanhelden.

Nichts erbittert mehr als ein besonnenes stilles Hassen, das leidenschaftlichste weit weniger.

Der Hagestolz hat das Unglück, daß ihm niemand seine Fehler frei sagt; aber der Ehemann hat dies Glück.

Der Körper ist der Panzer und Küraß der Seele. Nun so werde dieser vorerst zu Stahl gehärtet, geglüht und gekältet.

Die Liebe ist nie zärtlicher, uneigennütziger, als während der Abwesenheit des Gegenstandes.

Jeder fromme Mensch ist ein Wort, ein Blick des All-Liebenden; denn die Liebe zu Gott ist das Göttliche, und ihn meint das Herz in jedem Herz.

Ein guter Mensch ist unter den Gewissensbissen künftiger Handlungen durchaus zum Genusse verdorben.