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Ich mag die Schriftsteller und Erzähler nicht, die uns durch alle Qualen einer langen Verwicklung hindurchjagen und am Ende sich mit einer unbeantworteten Frage verabschieden.
Julie EythDas Leiden ist ein tiefer Schacht. Die wenigen Grubenlichtlein, die uns begegnen, sind der matte, ungenügende Trost der Menschen. Aber in dieser ernsten Tiefe gräbt man das Gold. Aber wir können weder uns noch Andere bereichern, wenn wir nicht stille - herniedersteigen.
Julie EythWelche Kluft in dem Menschen zwischen seinem Wissen und Können! Wie oft steht er da als ein Schütze, der sein Ziel scharf sieht, und es dennoch nicht trifft.
Julie EythEin Mensch, der nichts als einen großen Verstand hat, ist eben ein Igel. Man mag ihn vornen oder hinten anfassen, so sticht er.
Julie EythSelbst unsere geistigen Gaben fallen mit der Zeit ab wie ein Laub. Wenn es niedergeweht ist, tritt man darauf. Es ist alles nur schön im Kommen, im Werden.
Julie EythTrübsale sind für die Freundschaft ein feines Sieb. Alles Wasser läuft hindurch und es wird dessen genug sein.
Julie EythEinst war die Welt ein großes Nichts. Da sprach Gott: "Es werde Licht!" und es ward Licht. Aber nach dem Falle flüchtete sich dieses große Nichts in dein kleines Ich. Da sprach Gott abermal: "Es werde Licht!" und es ward Licht. Mensch, siehst du nun?
Julie EythWarum Manche so unsinnig rennen und laufen, und doch nie zur Ruhe kommen? Weil sie Alles suchen und finden, nur nicht sich selbst!
Julie EythEs ist weise, viele Dinge zu erforschen; aber es ist noch weiser, bei Zeiten zu erkennen, dass wir an unseren Grenzen früher ankommen als an den ihrigen.
Julie EythWas ist der Frühling dem Glücklichen? Eine neue Schwungfeder in dem Fittiche der Freude, die um seine Seele lächelt. Was ist der Frühling dem zerrissenen Herzen? Eine neue Thräne, einsam und leise niederfallend auf die Blumen der Erde.
Julie EythDie Liebe wird nicht sterben. Jene Hügel der Gräber, Asche und Staub sind nur die Trophäen ihrer Unsterblichkeit.
Julie EythDie Natur kennt keine Zerstreuung, keine Vergnügungssucht, kein leeres, eitles Wort, und keine - Langeweile; denn - sie schafft.
Julie EythEs bedarf gar nicht der strömenden Fluth, es bedarf nur einer sichern Welle, um ans Ufer zu gelangen.
Julie EythAch Herr, schütze mich vor Menschenhaß und feindseligen Herzen; denn du bist für sie gestorben! Schütze mich von Hingebung und Begehren der Menschen; denn sie haben dich sterben lassen und ich mit ihnen!
Julie EythStarke Geister schreiten ihrer Zeit voraus, wie schwache Körper neuen Epidemien. Ehe ein Mensch ein Werden ahnt, arbeiten sie schon gewaltig unter den Symptomen der Zukunft und nur die spätere Allgemeinheit erklärt sie.
Julie EythIm Tode sehen wir edle Menschen oft noch einmal in heißer Liebe aufglühen, wie ein herbstliches Blatt, das sich mit schöner purpurner Röthe färbt, bevor es niederfällt.
Julie EythManche Seelen werden herangezogen durch Haben, aber manche durch Entbehren. Der Herr weiß am besten, wie er seine Arznei zu mischen hat. Denn in der Fremde lernt man erst die Heimath schätzen; ferne vom Heiland, weiß man, was seine Nähe ist.
Julie EythEine zerstörte Gesundheit ist eine Hütte voll Risse, voll Löcher, mit zitterndem Pfeiler. Kommen die Stürme, - o wie pfeift, wie heult der Wind durch diese Räume und schüttelt das arme Ding zum Zusammenbrechen!
Julie EythZukunft und Vergangenheit sind Schwestern, die sich jeden Augenblick in die Arme fallen. Dazwischen ist Nichts; das Dasein der Zeit ist Flucht. Erst wenn wir leiden, tritt das Gefühl der Gegenwart deutlich ein, weil wir uns nicht trennen können von dem Schmerze, der uns durchbohrt.
Julie EythMancher Mensch trägt gleich der Ameise eine Last, die größer scheint, als er selber ist. Wir wundern uns? Ach, für die unsichtbaren Kräfte, welche nicht gewogen, nicht gemessen, nicht gezählt werden, und welche die Welt tragen, haben wir keine Augen mehr!
Julie EythWenn man auf einen Blüthenbaum ewig regnen ließe, damit gewiß alles Ungeziefer ausgewaschen werde, so müßten endlich mit dem Entbehrlichen wohl auch die Blüthen herunterfallen. So ist's in der Erziehung, wenn man allzuviel Worte und Ermahnungen macht.
Julie EythJede Tugend wird erst schön durch die Demuth. Und darum ist dies das Gute für das Gute, daß es immer noch etwas Besseres gibt.
Julie EythWir sind Menschen, denen die Lust der Erde weniger Gefahr bringt, als ihre Last. Aber die Arbeit kann Einen so gut um sein Heil betrügen, als der Genuss.
Julie EythWer bei Betrachtung der lieben Natur nicht "das Maul halten" kann, dem werden sich niemals ihre feinen Lippen zu einem süßen Wort eröffnen. Man muss bei ihr Ohren haben, zu hören, und einen Mund zum Schweigen.
Julie EythFür den Sünder ist die Sünde der Stachel seines Todes und der Tod der Stachel seines Lebens.
Julie EythDu willst die Wahrheit nicht als einen leuchtenden Sonnenstrahl in dein Herz fallen lassen? Dann wird sie einst als zuckender Blitzstrahl deine Finsternis durchschneiden und wird dich verheeren, wo sie gesegnet hätte.
Julie EythDas Leben ist ein gutes, aber ernstes Buch. Wenn man es ganz durchgelesen und begriffen glaubt, muß man immer wieder von vorne anfangen.
Julie EythBei nichts mehr, als bei der Erziehung, muss es heißen: Und hätte ich alle Weisheit und hätte der Liebe nicht, so wäre ich nichts nütze.
Julie EythDie Inspiration beruht weit mehr auf dem Geiste als im Buchstaben. Die Apostel waren keine Telegraphen. Indessen - auch dem Buchstaben gebührt sein Recht, denn er ist ein Damm gegen die menschliche Willkür. Übrigens wird im Reiche Gottes eben nicht gekleinmünzelt wie in den Reichen der Welt.
Julie EythMan glaube nur nicht, daß die Welt etwas umsonst gebe. Sie will bezahlt sein, bar bezahlt. Man kann sie nicht auf die Ewigkeit vertrösten, denn sie hat keine.
Julie EythEs giebt Menschen, welche gerade so viel Gemüth für Andere haben, als Andere für sie. Sobald diese äußere Anregung fehlt, ziehen sie sich in ihre inneren Zellen zurück und schließen die Thüre zu. Aber nicht durch das Empfangen wird ein Leben reich, sondern durch das Geben.
Julie EythManche Menschen machen sich so groß und breit, wie der Mond, wenn er einen Hof hat. Und 's ist doch nichts als Regenwetter.
Julie EythEs gibt Menschen, auf denen die Dinge liegen wie eine Flaumdecke. Wird's Einem ein bißchen bang, so stößt man sie mit einer Zehe hinunter.
Julie EythWer nach dem Ruhme der Öffentlichkeit strebt, sehe wohl zu, dass er nicht seinem lieben Publikum, anstatt in die Arme, vielmehr in die Krallen falle.
Julie EythDiese Allerweltswisser stehen doch vor der Türe der Dinge, suchen das Schlüsselloch und finden es nicht in ihrem Nebel.
Julie EythWenn ein großer Geist leuchtet, wie eine Sonne, so drehen sich um ihn die kleinen Geister, wie Planeten. Sie scheinen aber nur, weil die Sonne scheint. Wehe dem, der an sein eigenes Licht glauben lernt!
Julie EythIch denke vom Schatten in der Welt nicht so übel. Es gedeihen ja nicht alle Pflanzen in stetem Sonnenschein und unser Garten muß eben mehr als eine zum Blühen und Reifen bringen.
Julie EythAlle Menschenwege machen müde, recht müde. Und bis ein Mensch weiß, dass er nichts ist und nichts kann, siehe, das ist die größte Arbeit seines Lebens, der weiteste Weg, den er gehen kann.
Julie EythOft muß man die Zeit erhaschen, wie man einen Schmetterling an den Flügeln hält. Wird er aber dadurch nicht seine bunten Farbenpracht verlieren? Und nur bei Muße entfaltet auch die Muse ihr zartes, feenhaftes Leben.
Julie EythErdengedanken leben im menschlichen Herzen wie unselige Geister. Wenn man Alles gestorben und begraben glaubt, so erscheinen sie wieder zur nächtlichen Stunde und quälen uns.
Julie EythDie gepriesene Tugend der Menschen ist oft nichts, als eine glückliche Constellation der Verhältnisse, die nicht in der eigenen Hand lagen.
Julie EythWas im Kopfe Gedächtniß ist, das ist im Herzen Treue. Was im Kopfe vergessen ist, das ist im Herzen verlassen.
Julie EythWann bist du auf dem rechten Wege? Wenn du Gott über alles liebst und dich selbst über alles fürchtest.
Julie EythSei mild in deinem Urteil über andere; denn du bist ein Sünder. Aber sei nicht flach darin; denn du bist ein Christ.
Julie EythDie Arbeit ist gut, aber, wenn sie übertrieben wird, so verzehrt sie. Suche dir in allem Gedränge deine innere Ruhe zu bewahren. Du sollst nicht erst ruhen wie ein Vulkan, - wenn er ausgebrannt ist.
Julie EythDas Christenthum ist die wahre Emancipation der Frauen. Es gibt ihrem Leben das Gesetz, und ihrem Geiste die Freiheit.
Julie EythEin aufmerksames Auge sieht der Welt bald auf den Grund. Wenn es am besten geht, so findest es dort gar nichts. Aber häufiger trifft man die bittere Hefe der Reue.
Julie Eyth