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Bei jungen Leuten ist das Maul gewöhnlich eine Posaune, macht Lärm und Kriegsgeschrei; aber es kommen die Jahre, da man den Frieden sucht und stiller wird.
Julie EythDer Müßiggang, das Schlendern, Spielen, Tändeln ist die Auszehrung des Herzens, der Tod aller Geistesfrische und Herzenstiefe.
Julie EythDie Wahrheit fühlt ihre Gränzen in der Unendlichkeit und doch überschreitet man sie oft in einem - Worte.
Julie EythEs hilft nicht: wir müssen alle an einander erfahren, dass Menschen Menschen sind. Das gibt eine Wunde und es fragt sich nur, ob wir jetzt auch den Balsam erfahren wollen, durch welchen die Wunde geheilt wird.
Julie EythWenn man den Zank der Theologen ansieht, - wie freut man sich, daß Gott die Liebe und den Frieden der Seelen an keine Kirchenversammlung gebunden hat, sondern macht selig, wo und welche er will, - durch Viel oder Wenig!
Julie EythEs giebt Menschen, bei denen das Gemüth so selten hervortritt, daß es ihre Freunde machen müssen, wie gewisse Thiere der Wüste, wenn sie eine Quelle finden. Sie trinken auf drei Wochen.
Julie EythSehnsucht ist wohl gut, solange sie Liebe und Treue ist; aber sie hört auf, gut zu sein, wenn sie Krankheit und Schwäche wird.
Julie EythHaben wir das rechte Wort für das Thun und Wollen unseres Gottes? Dürfen wir es Liebe nennen? Und darf ich sagen, daß auch ich liebe, wenn ich an jene große Liebe denke? Wenn die Sonne keine Strahlen hätte, so wüßte ich keine Antwort.
Julie EythEin Mensch, der auf den Gebrauch und die errungene Ausbildung seiner geistigen Gaben hochmüthig ist, erscheint mir wie Einer, der mit den Füßen die junge Saat zertritt, welche er mit den Händen gesäet hat.
Julie EythAuch in Krankheit sollen wir stille und geduldig sein, und wohl bedenken, daß Einer lebt, der solche Pensionszeiten ganz besonders als die seinen betrachtet.
Julie EythSchöne Worte, feine Schmeicheleien, sind wie Blüthen im Frühling, die ein lauer Wind uns ins Gesicht weht. Wir genießen sie, während sie - abfallen.
Julie EythDas ist eine hohe Stufe, nicht zu wollen und nichts nicht zu wollen. Zu diesen Verneinungen möge der Herr sein Ja! und Amen geben!
Julie EythManche Freundschaft ist wie eine Schneeflocke. Wenn ein ernster, heißer Tag über sie kommt, erkennt man ihre Gestalt nicht mehr.
Julie EythMan kann Menschen sehen, selbst im Irrthum groß, selbst in der Tugend klein. O wer immer das Herz durchblicken könnte! Wie würden sich die Gestalten vor unsren Augen verändern!
Julie EythDas Genie ist für die Menschheit wie Stahl und Stein; die Mittelmäßigkeit bildet den Zunder. Nur frisch drauf losgeschlagen, so werden selbst die Lumpen Feuer fangen!
Julie EythDer Ehrgeiz ist eine vernichtende Leidenschaft, schärfer als ein Schwert, - spitziger als ein Dolch, - tödlicher als eine Kugel.
Julie EythEine edle, reiche Phantasie ist wie ein wogendes Saatfeld, wenn der Wind drein bläst und sich die schönen Wellen heben. Da stehn die tiefgründenden Gedanken, wie die schwergesenkten Häupter der vollen Aehren, während die leichteren im wirbelnden Tanze fröhlich rauschen.
Julie EythSentimentalität ist an dem gesunden Baume des wahren Gefühls ein Wasserschößling. Schneide ihn bei Zeiten ab, ehe die edle Pflanze dadurch Saft und Kraft verliert.
Julie EythReue ist eine schlafende Furie, die ihre Krallen in unserem Gewissen fest gewurzelt hat. Wollen wir sündigen, so bezwingt sie sich im Traume, und wir sagen: unser Gewissen pocht oder mahnt uns ab; haben wir gesündigt, so erwacht sie und zerfleischt mit ihren scharfen Zähnen unser Herz.
Julie EythWas die Vernunft behaupten kann, das kann sie auch verwerfen, und was sie belebt hat, wieder vernichten. In ihrer höchste Bestrebung wird sie oft zur Selbstmörderin, und nur was über sie hinausgeht, rettet uns und auch - sie selbst.
Julie EythWir sind Sklaven der Sünde, aber wir sind zu feig, um die einzige Revolution zu wagen, die Gott selbst nicht nur billigt, sondern von uns verlangt.
Julie EythDu willst der Welt dein kummervolles Herz ausschütten? Sie wird es als eine ausgetretene Pfütze ansehen und jeder Gassenbube tritt dir hinein.
Julie Eyth"Diese Welt" ist für den Menschen das ABC von "jener Welt". Wehe dem Menschenkinde, das mit den ernsten kleinen Zeichen lieber spielt, als sie begreifen lernt!
Julie EythWeiß du, warum so manche fromme Menschen unter Schmach und Demüthigung nicht vergehen? Sie sind zu klein zum Zertreten.
Julie EythAlles, was uns Gott gemacht und gegeben hat, ist gut; aber wir haben keine Ruhe, bis wir Alles wieder schlecht gemacht haben. Sind wir nicht, wie die Kinder mit ihrem Spielzeug? Es freut sie erst, wenn an jedem Stück etwas fehlt.
Julie EythWas ist der Zweck, den Gott bei unseren Leiden mit uns hat? Daß wir sie uns so leicht wie möglich machen? Nein, sondern Er.
Julie EythDanke deinem himmlischen Vater, daß auf deinem Lebenswege so mancher Wegzeiger steht. Und ist er auch von hartem Holze gezimmert, - genug, wenn er dich vor dem Verirren bewahrt.
Julie EythDichte immerhin, wer da mag und muß! Aber nur nicht so gar sentimental! Sonst fällt am Ende noch der Mond herunter und schlägt uns die Fensterscheiben ein. Das Ding wäre schon gut, aber - der Weltschmerz! Der Weltschmerz!
Julie EythFrömmler machen auch die Religion zu einem Geschäft. Fromme machen auch das Geschäft zu einer Religion.
Julie EythDie Kirche im Großen ist in allen Theilen unvollkommen. Die ächte, wahre Kirche Christi steht darin so klein, so winzig, wie in dem weiten Münster zu Ulm das kleine Modell des ungeheuren, aber unfertigen Baus's - ein Zeichen der Erinnerung.
Julie EythDer alte Diogenes suchte einen Menschen mit der Laterne, aber wir ganz neuen, ganz gescheiten Leute wollen vor allem fragen: Wo ist denn die Laterne, mit welcher man ihn suchen könnte?
Julie EythDa seh' ich hinauf zu den schönen Sternen! O ihre geschlossenen Lippen haben mehr Worte für mein Herz, als wenn die ganze Welt ihren Rachen öffnet.
Julie EythEs ist gut, daß der liebe Gott immer noch besser für und von uns denkt, als wir Menschen es von einander thun.
Julie EythDie Welt bewundert in ausgezeichneten Menschen den hohen Genius; der Christ findet in den stillen Seelen, die Christo gehören, anbetungsvoll den heiligen Geist.
Julie EythNach edleren Charakteren muss man im Leben tief graben, wie nach reinem Golde. Sie hängen nicht da, wie das lose Gras am Abhang der Berge, das jeder vorübergehende Bock beliebig abfressen kann.
Julie EythEigentliche Geniemenschen sind viel weniger als die sogenannte Mittelklasse dazu befähigt, glücklich zu sein und glücklich zu machen. ... Ihr blendendes Hervorragen gibt viel Licht und daneben sind um so tiefere Schatten.
Julie EythEs gibt keine Ruhe in uns, bis unser so hoch dahinfahrendes Herz in den Grund gebohrt ist und dieser Grund ist - Gott.
Julie EythGar mancher Mensch besitzt ein Glück, von dem er keine Ahnung hat. Erst im Erkennen liegt die Fülle.
Julie EythWie selten ist ein scharf ausgeprägter Charakter zu finden! Unsere Zustände haben die Masse zu einer abgeschliffenen, abgegriffenen Münze gemacht, aus allen Händen kommend, in alle Hände gehend. Auf dem Markt ist dies die gangbarste Münze; aber in die Schatzkammer der Menschheit kommt sie nicht.
Julie EythErdenfreundschaften sind ein Zugemüse auf dem Speisezettel der leckeren Welt. Man kann sie genießen, ohne krank zu werden; aber man bleibt auch ohne sie gesund.
Julie EythGewisse Moralpredigten sind wie ein Leichnam, - vielleicht schön gegliedert, wohlgeformt, - aber die Blutwärme fehlt.
Julie EythDas Leben ist ein flüchtiger Gedanke, aber ein Gedanke voll Leben, groß genug, um gelebt zu werden.
Julie EythIrdisch menschliche Gefühle sind wie Geyser. Sie sprudeln auf, sie senden ihre gewaltigen Kräfte, ihre feinsten Strahlen hinauf in den ewigen Himmel. Umsonst, sie erben nicht seine Dauer. Sie fallen zurück in den dunklen Schoß der Erde und enden hier den lauten, heißen Lauf, - so matt, - so stille -
Julie EythWas sind die Millionen Sterne des Himmels? Brandopfer auf dem großen Altar des Universums. Ja, die Morgensterne loben ihn und du, mein armes Herz, bist oft so stumm?
Julie Eyth