Zitate von Karl Kraus
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Mancher Literat hat die Entschuldigung, daß er unter dem unwiderstehlichen Zwang einer Schreibmaschine handelt. Man glaubt zu diktieren und es wird einem diktiert.
Die Zudringlichkeit einer Justiz, die die Beziehungen der Geschlechter reglementiert, hat stets noch der ärgsten Unmoral, die vom Strafgesetz nicht zu fassen ist, oder schweren Vergehungen und Verbrechen Vorschub geleistet.
Es gibt eine Zuständigkeit der Gedanken, die sich um ihren jeweiligen Aufenthalt wenig kümmert.
Brunes et blondes: so einfach ist die Teilung der Pariser Welt. Ein Zweifel kann nur bestehen, ob les femmes oder les biéres gemeint ist.
Ein Weib ist manchmal ein ganz brauchbares Surrogat für die Selbstbefriedigung. Freilich gehört ein Übermaß von Phantasie dazu.
Die Phrase ist manchmal doch einer gewissen Plastik fähig. Von einem Buch, das als Reiselektüre empfohlen wurde, hieß es: „Und wer das Buch zu lesen beginnt, liest es in einem Zuge durch“.
Aber ein so besonderes Vergnügen ist die Enthaltung vom Weibe auch nicht, das muß ich schon sagen!
Die Zeitungen haben früher das Niveau ihrer Journalisten gehabt und haben jetzt das ihrer Leser.
Viele werden einst Recht haben. Es wird aber Recht von dem Unrecht sein, das ich heute habe.
Fechten und Keulenschwingen sind trügerische Entfettungskuren. Sie schaffen Hunger und Durst. Was den meisten Menschen abgeht und was ihnen unfehlbar helfen könnte, ist die Möglichkeit, geistige Bewegung zu machen.
Denn über alle Schmach des Krieges geht die der Menschen, von ihm nichts mehr wissen zu wollen, indem sie zwar ertragen, daß er ist, aber nicht, daß er war.
Der Satire Vorstellungen machen, heißt die Verdienste des Holzes gegen die Rücksichtslosigkeit des Feuers ins Treffen führen.
Es gibt Frauen, die wie der Blitz in die erotische Phantasie einschlagen, erbeben machen und die Luft des Denkens reinigen.
Wer jetzt übertreibt, kann leicht in den Verdacht kommen, die Wahrheit zu sagen. Wer erfindet, informiert zu sein.
Es ist ganz ausgeschlossen, daß, wie die Dinge heute liegen, ein wiederkehrender Goethe nicht wegen unerlaubter Reversion ausgewiesen würde.
Wer ist das: Sie ist blind vor dem Recht, sie schielt vor der Macht, und kriegt vor der Moral die Basedow’sche Krankheit. Und wegen der schönen Augen dieses Frauenzimmers opfern wir unsere Freiheit!
Es wäre mehr Unschuld in der Welt, wenn die Menschen für all das verantwortlich wären, wofür sie nicht können.
Wie souverän doch ein Dummkopf die Zeit behandelt! Er vertreibt sie sich oder schlägt sie tot. Und sie lässt sich das auch gefallen. Denn man hat noch nie gehört, dass die Zeit einen Dummkopf vertrieben oder totgeschlagen hat.
Einem, den das Leben mit Tücken verfolgen mußte, weil es ihm nicht gewachsen war, machten sie einen Vorwurf aus ihrer Gemeinheit.
Ich bitte niemand um Feuer. Ich will es keinem verdanken. In Leben, Liebe und Literatur nicht. Und rauche doch.
Frage deinen Nächsten nur über Dinge, die du besser weißt. Dann könnte sein Rat wertvoll sein.
Ich weiß ganz genau, welche ungebetenen Gedanken ich nicht über die Schwelle meines Bewußtseins lasse.
Bleiben Sie denn unbewegt vor den vielen, die jetzt sterben? Ich beweine die Überlebenden, und ihrer sind mehr.
Die Sprache Mit heißem Herzen und Hirne naht‘ ich ihr Nacht für Nacht. Sie war eine dreiste Dirne, die ich zur Jungfrau gemacht.
Früher waren die Dekorationen von Pappe und die Schauspieler echt. Jetzt sind die Dekorationen über jeden Zweifel erhaben und die Schauspieler von Pappe.
Wenn Lieben nur zum Zeugen dient, dient Lernen nur zum Lehren. Das ist die zweifache teleologische Rechtfertigung für das Dasein der Professoren.
Wenn schon etwas geglaubt werden soll, was man nicht sieht, so würde ich immerhin die Wunder den Bazillen vorziehen.
In Lourdes kann man geheilt werden. Welcher Zauber sollte aber von einem Nervenspezialisten ausgehen?
Eine Notlüge ist immer verzeihlich. Wer aber ohne Zwang die Wahrheit sagt, verdient keine Nachsicht.
Das Christentum hat die erotische Mahlzeit um die Vorspeise der Neugier bereichert und durch die Nachspeise der Reue verdorben.