Zitate von Luc de Clapiers
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Die großen Menschen haben die Schwachen, als sie sie das Denken lehrten, auf den Weg des Irrtums geführt.
Weil wir das Außergewöhnliche meist entbehren müssen, lassen wir uns gerne vorschlagen, an etwas zu glauben, das wenigstens durch den Anstrich des Außergewöhnlichen hervorsticht.
Es erfordert ein großes Maß von Geistes- und Charakterstärke, sich an Aufrichtigkeit nicht zu stoßen, wenn sie verletzt, oder sie zu üben, ohne daß sie beleidigt.
Man vermutet: Dient man der Tugend aus Überlegung, könnte man sie nicht um des nächstbesten nützlichen Lasters willen verraten? Sicher, wenn es irgendeinem vernünftigen Menschen möglich wäre, ein Laster nützlich zu nennen!
Was dem einen wie Geistesfülle erscheint, ist für den anderen nur Gedächtnis und Oberflächlichkeit.
Ob arm oder reich, niemand ist gut oder glücklich, wenn ihn das Schicksal nicht auf den richtigen Platz gestellt hat.
Wenn es zutrifft, daß man tugendhaft nur aus Vernunft ist – was folgt daraus? Lobt man uns mit Recht für unsere Gefühle, warum nicht auch für unsere Vernunft? Ist sie etwa weniger wert als der Wille?
Die Selbsttäuschung manches Schriftstellers kommt aus dem Glauben, die Dinge so wiederzugeben, wie er sie wahrnimmt oder fühlt.
Eine junge Frau hat durch Geist und Schönheit nicht so viele Verehrer wie ein reicher Mann durch die Freuden seiner Tafel.
Ich beklage einen verliebten Greis, die Leidenschaften der Jugend richten einen verbrauchten und welken Körper furchtbar her.
Jene, die an jeder Wahrheit zweifeln, müßten eigentlich die Beredsamkeit sehr hoch schätzen. Denn wenn es keine Realität gibt, steigt der Wert des Scheins.
Wie sollte uns Sorglosigkeit glücklich machen, wenn all unsere Vorsorge uns nicht glücklich werden ließ?
Wir verachten die Legenden unserer Heimat und lehren die Kinder die Legenden des Altertums.
Nur den tapferen und aufrichtigen Seelen steht es zu, dem Streben nach Wahrheit alle anderen Leidenschaften unterzuordnen.
Ehrgeizigen, denen der Weg zur Ehre verschlossen ist, hat das Schicksal das Schlimmste angetan.
So zärtlich wir auch Freunde und Verwandte lieben, das Glück der andern reicht doch nicht aus, das unsre zu machen.
Nichts ist den Menschen in gewissen Ämtern leichter, als sich das Wissen anderer anzueignen.
Wie es viele Soldaten und wenig Helden gibt, so gibt es auch viele Verseschmiede und wenige Dichter. Die Menschen stürzen sich massenweise auf die ehrenvollen Berufe, ohne andere Berufung als ihre Eitelkeit oder höchstens Ruhmesliebe.
Der Friede, der die Talente hemmt und die Völker schlaff macht, ist weder moralisch noch politisch gut.
Entdeckte man das Geheimnis, den Krieg für immer abzuschaffen, das menschliche Geschlecht zu vermehren und die Existenz aller Menschen zu sichern – wie töricht und barbarisch erschienen unsere besten Gesetze!
Es gibt Menschen, welche, ohne daran zu denken, sich eine Idee ihres Aussehens bilden und das Gefühl, von dem sie beherrscht werden, hineinlegen; vielleicht kommt es daher, daß sich ein Pinsel immer für schön hält.
Wo Größe ist, fühlen wir sie, selbst gegen unseren Willen. Der ruhmvolle Eroberer ist stets bekämpft worden, die Völker haben unter ihm gelitten – und ihn stets verehrt.
Es ist der Mittelmäßigkeit nicht gegeben, höchstes Glück und tiefstes Unglück zu empfinden.
Ein anderer Geist – ein anderer Geschmack. Nicht immer setzt man sich aus Eifersucht gegenseitig herab.
Der menschliche Geist ist mehr intuitiv als logisch und begreift mehr, als er koordinieren kann.
Ein reger Geist sieht die Dinge immer wieder von einem anderen Standpunkt an, sodaß er dieselben Meinungen bald widerruft, bald wieder aufnimmt.
Nicht die Vollkommenheit allein ist es, die unser Gefallen erweckt. Schwächen verbinden die Menschen ebenso eng miteinander wie Tugenden.
Die verderblichste aller Philosophien ist jene, die unter dem Vorwand, die Menschen aus der Verwirrung der Leidenschaften zu befreien, Müßiggang, Gleichgültigkeit oder gar Selbstvergessen empfiehlt.
Der Geizige sagt sich insgeheim: bin ich für das Schicksal der Armen verantwortlich? So legt er das Mitleid ab, das ihn belästigen könnte.
Es lässt uns Männer schmunzeln, dass man das Gesetz der Schamhaftigkeit für die Frauen aufgestellt hat, die uns doch am meisten schätzen, wenn wir schamlos werden.
Wir haben kein Recht, diejenigen unglücklich zu machen, denen wir nichts Gutes tun können.
Die vom Schmerz erschöpfte Natur schwächt im Kranken die Gefühle, hemmt die Beweglichkeit des Geistes. Es kommt vor, daß jene, die als Gesunde dem Tod voll Angst entgegensahen, furchtlos sterben.
Die Natur hat den Menschen verschiedene Gaben mitgegeben, der eine ist geboren, zu erfinden, der andere, um zu verschönern. Aber der Vergolder zieht die Blicke stärker an als der Baumeister.
Schande und Unglück hängen eng miteinander zusammen. Armut stürzt mehr Menschen in Schande als lasterhafte Gesinnung.