Zitate von Marie von Ebner-Eschenbach
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Die Reue, nicht aus Furcht vor den Folgen des Unrechts, die Reue einzig und allein aus dem Schmerz hervorgegangen, daß wir das Unrecht begehen konnten, ist die echteste, wahrste und bitterste Reue.
Wir sind leicht bereit, uns selbst zu tadeln, unter der Bedingung – daß niemand einstimmt.
Zwischen Können und Tun liegt ein Meer und auf seinem Grunde gar oft die gescheiterte Willenskraft.
Unseren schlechten Eigenschaften gegenüber gibt es nur ewigen Kampf oder schimpflichen Frieden.
Die Liebe überwindet den Tod, aber es kommt vor, daß eine kleine üble Gewohnheit die Liebe überwindet.
Der Gescheitere giebt nach! Ein unsterbliches Wort. Es begründet die Weltherrschaft der Dummheit.
Wenn die, die uns nachfolgten, uns nicht mehr erreichen können, schwören sie darauf, daß wir uns verirrt haben.
Wenn wir nur das Unrecht hassen und nicht die, die es tun, werden wir unsere Kampfgenossen und unsere Feinde lieben.
Dem großen Publikum ist ein Buch nicht leicht zu schlecht, sehr leicht aber zu gut.
Die Frauen sind für selbstlose Liebe dankbar, aber die selbstsüchtige erwidern sie.
Wenn ein edler Mensch sich bemüht, ein begangenes Unrecht gutzumachen, kommt seine Herzensgüte am reinsten und schönsten zutage.
Es hat noch niemand etwas Ordentliches geleistet, der nicht etwas Außerordentliches leisten wollte.
Was dein Wort zu bedeuten hat, erfährst du durch den Widerhall, den es erweckt.
Wenn ich nicht schlafen kann, rufe ich meine Gedanken und sage: Kommt, unterhaltet mich, meine Gedanken!
Eltern verzeihen ihren Kindern die Fehler am schwersten, die sie selbst ihnen anerzogen haben.
Der kleinste Hügel vermag uns die Aussicht auf einen Chimborasso zu verdecken.
Wenn die Freunde Gutes von dir sagen, wird wohl mancher Darf man’s glauben fragen, aber lästert dich der Feinde Schar, frägt kaum einer Ist es denn auch wahr?
Kein Mensch steht so hoch, daß er anderen gegenüber nur gerecht sein dürfte.
Jeder Weltmann verkehrt lieber mit einem wohlerzogenen Bösewicht als mit einem schlecht erzogenen Heiligen.
Die glücklichen Pessimisten! Welche Freude empfinden sie, so oft sie bewiesen haben, daß es keine Freude gibt.
In der großen Welt gefällt nichts so sehr wie die Gleichgültigkeit dagegen, ob man ihr gefällt.
Wenn die Mißgunst aufhören muß, fremdes Verdienst zu leugnen, fängt sie an, es zu ignorieren.
Rücksichtslosigkeiten, die edle Menschen erfahren haben, verwandeln sich in Rücksichten, die sie erweisen.
Das Urteil auch des weisesten Elefanten gilt einem Eselchen lange nicht so viel wie das Urteil eines andern Eselchens.
Die einfachste und bekannteste Wahrheit erscheint uns augenblicklich neu und wunderbar, sobald wir sie zum ersten Male an uns selbst erleben.
Es ist der Kunst zu eng geworden im Bereich des Schönen: sie hat sich ein ungeheures Gebiet erobert, in dem sie nun schwelgt – das Gebiet des Häßlichen.
Man darf anders denken als seine Zeit, aber man darf sich nicht anders kleiden.