Zitate von Ludwig Börne
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Das Erröten der Völker ist nicht wie der Rosenschein eines verschämten Mädchens, es ist Nordlicht voll Zorn und Gefahren.

Der Adel sieht sich als einen Obelisken an, dessen Spitze der Fürst, und dessen Postament das Volk bildet.

Wo das lebendige Wort gefürchtet wird, da bringt auch dessen Tod der unruhigen Seele keinen Frieden. Die Geister der ermordeten Gedanken ängstigen den argwöhnischen Verfolger, der sie erschlug, nicht minder, als diese selbst im Leben es getan.

Die herrschende Partei nennt jeden Zustand der Dinge, der ihre Herrschaft bedroht oder beschränkt, Anarchie.

Durch schroffe Strafgesetze hat man wie mit einer Krätzsalbe die Missetätigkeit der Menschen zurückgetrieben. Die Haut ist zivilisiert, die Psore schleicht in den dunklen Eingeweiden umher, die Verbrechen haben sich vermindert, aber die Menschen sind lasterhafter geworden.

Eins ist, was nützt: die Klarheit. Eins ist, was besteht: das Recht. Eins ist, was besänftigt: die Liebe.

Das Geheimniß jeder Macht besteht darin: zu wissen, daß Andere noch feiger sind, als wir.

Diplomaten sehen mit den Ohren; die Luft ist ihr Element, nicht das Licht. Darum lieben sie Stille und Dunkelheit.

Völker sind wie die Oliven: Dem leichten Drucke geben sie süßes Öl, dem starken bitteres.

Zwei Empfindungen ziehen den Menschen zu den Engeln hinauf: Liebe und Verzeih’n; zwei ziehen ihn zum Tier hinunter: Hass und Rache.

Über vieles habe ich aufgehört, mich zu wundern; aber daß sich zwei Diplomaten ansehen können, ohne zu lachen, darüber erstaune ich noch alle Tage.

Die Völker glauben noch nicht fest genug an ihr eigenes Recht und dass sie allein alles Recht besitzen. Sie kennen noch nicht genug ihre eigene Macht und dass keiner Macht hat neben ihnen.

Nur große Herzen, dem Weltmeere gleich, gefrieren nie; dafür stürmen sie, und ihre Liebe ist gefahrvoller als der Hass der Kleinen

Laster vergiftet das Vergnügen, Leidenschaft verfälscht es, Unschuld reinigt es, Wohltätigkeit verdoppelt es und Freundschaft vervielfacht es.

Frankreich ist das Ziffernblatt Europas; hier sieht man, welche Zeit es ist, in andern Ländern muß man die Uhr erst schlagen hören, um die Stunde zu erfahren – man verhört sich aber leichter, als man sich versieht.

Der Verstand wird verbraucht durch den Gebrauch, der Witz aber erhält seine Kraft für alle Zeiten.

Originell wollen sie alle scheinen, und so machen sie’s dem leicht, es zu sein, der’s nicht scheinen will.

Der Mensch will nur die Übel dieses Lebens beseitigt wissen, aber kein wesentlich anderes Leben.

Ist es nicht möglich, zu tadeln, ohne zu spotten, und zu spotten, ohne zu verwunden? Müssen Aufklärer den Lichtscheren gleich sein, die nur helle machen, indem sie schneiden? Verdrießliche Notwendigkeit!

Worte! – Und nur Worte? Gibt es denn etwas, das furchtbarer, das kriegerischer wäre als Worte?

Der Eigensinn einer Frau ist auf eine ganz wunderliche Art befestigt. Der Graben ist hinter dem Walle, und hat man die steilsten Einwendungen erstiegen und glaubt, jetzt wäre alles geschehen, entdeckt man erst, daß das Schwerste noch zu tun sei.

Sich die französische Umgangssprache anzueignen, fällt manchem Deutschen schwer: sie wird, wie das Tanzen, am besten in der Jugend erlernt.

Nicht um alles in der Welt möchte ich akademischer Lehrer sein. Das Beste von dem, was man weiß, darf man doch nicht sagen, und das Beste von dem, was man sagt, wird nicht verstanden.

Die Deutschen haben zwar vielen körperlichen Mut, aber auch gar keine Geistestapferkeit. Sie haben den Mut, nicht witzig zu sein; sie haben den Mut, nicht mit ihrer Sprache vertraut umzugehen, und auch aus Feigheit verstecken sie sich hinter die Moral.

Groß war dein Ziel; du hast es nicht erstrebt? Was trauerst Du? du hast gelebt. Das Große wollen, das ist Leben. – Laß Götter nehmen, laß sie geben!

In jedem Alter glauben wir vernünftig zu sein und sehen die Vernunft des verflossenen Alters als Leidenschaft an.

Der Hund heult, wenn er geschlagen wird, und der Mensch soll es nicht dürfen? Aber es gibt Menschen, die hündischer sind als Hunde – und nicht heulen, wenn sie geschlagen werden.

Die wahre Liebe würdigt ihren Gegenstand; aber das ist die wahre Liebe nicht, die nur das Würdige liebt.

Es ist ein Jammer mit den Deutschen, daß sie, weil sie keinen Spaß, auch keinen Ernst verstehen.

Wir haben wohl manches vor den Tieren voraus; aber es ist nichts im Tiere, was nicht auch in uns wäre.

Menschen, die mit Leichtigkeit fremde Sprachen erlernen, haben gewöhnlich einen starken Charakter.