Zitate von Nicolas Chamfort
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Das Denken bietet Trost und Heilung für alles. Hat es einem wehgetan, so verlange man von ihm das geeignete Gegenmittel, und man bekommt es.
Man muß sich entscheiden, die Frauen entweder zu lieben oder sie zu durchschauen; dazwischen gibt es nichts.
Der bescheidenste Mann muß, wenn er in der Welt lebt, eine sichere Haltung haben und eine gewisse Ungezwungenheit, welche verhindern, daß man irgendwelche Vorteile über ihn gewinne. In diesem Falle muß er seine Bescheidenheit mit Stolz schmücken.
Gespräche sind wie Reisen zu Schiff. Man entfernt sich vom Festland, ehe man es merkt, und ist schon weit, ehe man merkt, daß man das Ufer verlassen hat.
Die Erfahrung, die die Privatleute erleuchtet, verdirbt die Fürsten und die Leute in hohen Stellungen.
Allzu hohe Eigenschaften machen oft einen Mann weniger geeignet für die Gesellschaft. Man geht nicht auf den Markt mit Goldbarren, sondern mit Geld und kleiner Münze.
Man muß nicht über die Vorliebe Jean Jacques Rousseaus für die Einsamkeit erstaunt sein: solche Seelen sind dafür geschaffen, sich allein zu sehen, allein zu leben wie der Adler; die Weite ihres Blicks und die Höhe ihres Flugs sind der Reiz ihrer Einsamkeit.
Die Naturforscher sagen, daß bei allen Tierarten die Degeneration bei den Weibchen beginne. Die Philosophen können die Moral aus dieser Beobachtung für die zivilisierte Gesellschaft verwenden.
Es genügt in der Liebe, durch liebenswürdige Eigenschaften, durch Reize zu gefallen. Aber in der Ehe muß man einander lieben, um glücklich zu sein, oder wenigstens zueinander passende Fehler haben.
Nichts ist schwerer als eine triviale Ansicht oder eine eingebürgerte Redensart zu Fall zu bringen.
Die Bösen tun manchmal auch etwas Gutes. Man möchte sagen, daß sie sehen wollen, ob es wahr ist, daß dies eben solches Vergnügen mache, wie die Guten behaupten.
Unglück machen die Leidenschaften nicht durch Qualen, die sie verursachen, sondern durch die Fehler und Schändlichkeiten, die sie einen begehen lassen und die den Menschen erniedrigen.
Eine Gesellschaftsordnung, die die Rechte der Männer schmälert, macht aus den Frauen ein Nichts.
Manche Dirne findet Gelegenheit, sich zu verkaufen, und fände keine, sich zu verschenken.
Das tragische Theater hat einen großen moralischen Nachteil: Es überschätzt die Bedeutung von Leben und Tod.
Unentschlossenheit, Ängstlichkeit ist für Geist und Seele, was Folter für den Körper.
Die ganze Moral läßt sich auf einen einzigen Satz bringen: genießen lernen beim Nehmen und Geben, ohne sich und anderen zu schaden.
Der Wechsel der Moden ist ein Zoll, den die Industrie der Armen den Reichen auferlegt.
Paris, die Stadt der Freuden und Lustbarkeiten usw., in der vier Fünftel der Einwohner an Kummer sterben!
Jemand meinte, die Vorsehung sei der Taufname des Zufalls; ein Frommer wird vielleicht sagen, der Zufall sei der Spitzname der Vorsehung.
Ein Dummkopf, der einen geistvollen Einfall hat, setzt in Erstaunen und erregt Ärgernis wie ein galoppierender Droschkengaul.
Nachsichtige Verachtung mit dem Sarkasmus der Heiterkeit zu verbinden: das ist die beste Philosophie für die Welt.
Ein gewisser Marchand, Advokat und geistreicher Mann, sagte: „Man riskiert den Appetit zu verlieren, wenn man sieht, wie es in der Administration, der Justiz und in der Küche zugeht.“
Das altmodische Wort Zufriedenheit mit sich und der Welt ist, trotz allem Fortschrittsglauben, ob wir es wahrhaben wollen oder nicht, der Schlüssel zum Geheimnis des Glücks.
Der Mensch lebt öfters mit sich allein und kann die Tugend nicht entbehren; lebt er mit anderen, so hat er die Ehre nötig.
Der Sinn vieler öffentlicher Einrichtungen ist offenbar der, den Menschen in jener Mittelmäßigkeit zu erhalten, die ihn geneigt macht, sich regieren zu lassen.
Eine Frau ist wie der Schatten: Folge ihr, und sie wird fliehen; fliehe vor ihr, und sie wird dir folgen.
Manche Menschen müssen über alle ihre Angelegenheiten in Illusionen befangen sein. Manchmal freilich nähern sie sich in einem Lichtblick der Wahrheit, von der sie aber rasch wieder abkommen, und so gleichen sie Kindern, die hinter einer Maske her sind und davonlaufen, wenn sie sich umdreht.
Die Bemerkung des Aristoteles in seiner Rhetorik, daß jede Metapher sich umkehren lassen müsse, ist vorzüglich. So hat man gesagt, das Alter sei der Winter des Lebens; kehrt man die Metapher um, so ist sie ebenfalls richtig, denn man kann sagen, der Winter sei das Alter des Jahres.
In den Naivitäten eines wohlgeratenen Kindes steckt oft eine sehr liebenswürdige Philosophie.
Ein geistreicher Mann ist nur etwas wert, wenn er Charakter hat. Zur Laterne des Diogenes gehört der passende Stock.
Es ist ein großes Unglück für den Menschen, daß seine Vorzüge ihm oft hinderlich sind, und daß die Kunst, sich ihrer zu bedienen und sie zu lenken, oft nur eine späte Frucht der Erfahrung ist.
Die Liebe gefällt mehr als die Ehe, wie für die meisten ein Roman unterhaltsamer ist als Geschichte.
Wie schlecht auch ein Mann über die Frauen denken mag: Es gibt keine Frau, die darin nicht noch um einiges weiter ginge als er.
Ein geistreicher Mann ist verloren, wenn er nicht auch ein Mann von energischem Charakter ist. Hat man die Laterne des Diogenes, so muss man auch des Diogenes Stock haben.
Es ist kein Kompliment für eine ungetreue Ehefrau, wenn der Gatte glücklicher aussieht als der Liebhaber.
Das Einzige, das Gott davon abhält, eine zweite Sintflut zu schicken, ist die Tatsache, daß die erste nutzlos war.
Verleumdung ist wie eine Wespe, die uns lästig umschwärmt. Man darf nicht nach ihr schlagen, wenn man sie nicht sicher tötet, sonst greift sie noch wütender an als zuvor.
Es gibt niemanden in der Welt, der mehr Feinde hätte als ein aufrechter Mensch, stolz und empfindsam, geneigt, die Leute und die Dinge so zu lassen, wie sie sind, als sie zu nehmen, wie sie nicht sind.