Zitate von Nicolas Chamfort
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Die Erziehung soll auf zwei Grundlagen beruhen: auf Moral und Klugheit. Auf Moral: zur Stütze der Tugend, auf Klugheit: zum Schutze vor den Lastern anderer.
Die Dummheit wäre nicht ganz Dummheit, wenn sie nicht den Geist nicht fürchtete. Das Laster wäre nicht ganz Laster, wenn es nicht die Tugend fürchten würde.
Mit dem Glück ist es wie mit den Uhren: die am wenigsten komplizierten geraten am wenigsten in Unordnung.
Mit der Liebe ist es wie mit den Epidemien: Je mehr einer sie fürchtet, um so mehr ist er der Ansteckung ausgesetzt.
Man stellte M. eine Frage, worauf er erwiderte: „Das gehört zu den Sachen, die ich sehr gut weiß, wenn mich niemand danach frägt, und die ich vergesse, wenn man mir davon spricht.“
Man muß gerecht sein, ehe man großmütig ist, wie man Hemden haben muß, ehe man Spitzen hat.
Nur wenig gestattet einem rechtschaffenen Mann, Geist und Seele behaglich auszuruhen.
Ehrgeiz fängt die kleinen Seelen leichter als die großen, wie Stroh und Hütten leichter Feuer fangen als Paläste.
Man muß verstehen, die Dummheiten zu begehen, die unser Charakter von uns verlangt.
Für die wirklich ehrbaren Leute mit Prinzipien stehen die zehn Gebote Gottes kurzgefaßt über dem Eingang des Klosters Thelem geschrieben: Mach was du willst.
Unsere Vernunft macht uns oft unglücklicher als unsere Leidenschaften, und man kann sagen, daß der Mensch dem Kranken gleicht, den sein Arzt vergiftet hat.
Jeder, der lange in der Gesellschaft leben kann, beweist mir nur, daß er nicht besonders feinfühlig ist. Nichts, was dort das Herz erwärmen könnte, nichts, das es nicht verhärtete, und wäre es auch nur der Anblick der Fühllosigkeit, Leere und Eitelkeit, die dort herrschen.
An zwei Dinge muß man sich gewöhnen, um das Leben erträglich zu finden, an die Unbilden der Zeit und die Ungerechtigkeit der Menschen.
In der Liebe ist alles wahr, alles falsch. Sie ist das einzige Ding, über das man nichts Absurdes sagen kann.
Der wahrhaft Gläubige untersucht keinen Glaubenssatz; es verhält sich damit wie mit einer bitteren Arzneipille: wenn man sie kaut, kann man sie nicht schlucken.
Ob Geben seliger sei denn Nehmen, lasse ich dahingestellt. Zweifellos aber ist es dauerhafter denn Nehmen: Man erinnert sich allzeit daran.
Wer tyrannische Absichten, Herrschsucht und selbst Wohltätigkeit unter der Maske der Freundschaft verbirgt, erinnert an den verbrecherischen Priester, der mit der Hostie vergiftet.
Die Hoffnung ist ein Scharlatan, der uns ohne Unterlaß betrügt, und was mich betrifft, so hat mein Glück erst begonnen, nachdem ich sie verloren habe. Ich würde gerne die Inschrift Dantes am Höllentor über den Eingang zum Paradies setzen: „Ihr, die ihr hier eintretet, laßt alle Hoffnung fahren!“
Man beherrscht die Menschen mit dem Kopf. Man kann nicht mit dem Herzen Schach spielen.
Der verlorenste aller Tage ist jener, an dem man nicht über das Mißgeschick eines anderen lachen konnte.
Man zerstört seinen eigenen Charakter aus Furcht, die Blicke und Aufmerksamkeit der Menschen auf sich zu ziehen, und man stürzt sich in das Nichts der Belanglosigkeit, um der Gefahr zu entgehen, besondere Kennzeichen zu haben.
In großen Dingen zeigen sich die Menschen so, wie man es von ihnen erwartet, in kleinen geben sie sich so, wie sie sind.
Es gibt eine solche Überlegenheit, einen solchen Anspruch, bei denen es genügt, sie nicht anzuerkennen, und sie sind erledigt; und solche, die man nur nicht zu gewahren braucht, um sie wirkungslos zu machen.
Die Gesellschaft setzt sich aus nur zwei großen Klassen zusammen: die einen haben mehr Mahlzeiten als Appetit, die anderen weit mehr Appetit als Mahlzeiten.
Ich hasse die Größe, welche mich das, was ich liebte, fliehen ließ, oder das, was ich geliebt hätte.
Nur die Geschichte freier Völker ist es wert, daß man sie studiert. Die Geschichte von Völkern, die dem Despotismus verfallen sind, ist nur eine Anekdotensammlung.
Der Ehrgeiz ergreift die kleinen Seelen leichter als die großen, so wie das Feuer leichter Stroh ergreift, leichter die Hütten als die Paläste.
Beinahe alte Menschen sind Sklaven aus dem Grunde, den die Spartaner für die Knechtschaft der Perser fanden: sie können das Wörtchen „Nein“ nicht aussprechen. Bei gewissen leidenschaftlichen Freundschaften hat man zum Glück der Leidenschaft noch die Billigung der Vernunft als Draufgabe.
Es wäre schlimm, wenn man sich bei Frauen jedesmal an das erinnern würde, was man von ihnen weiß.
Sicherlich ist kein Tag mehr vergeudet als einer, an dem man überhaupt nicht gelacht hat.
Der Ehrgeizige, der sein Ziel verfehlt hat und dann verzweifelt, erinnert an Ixion, der aufs Rad geflochten wurde, weil er eine Wolke umarmt hatte.
Alles ist gleich eitel am Menschen, seine Freuden und seine Leiden, aber goldene oder himmelblaue Seifenblasen sind doch schöner als graue.
Die neuen Freunde, die wir uns nach einem gewissen Alter erwerben und welche uns jene ersetzen sollen, die wir verloren haben, gleichen diesen wie Glasaugen, künstliche Zähne und Holzbeine den natürlichen Augen und Zähnen und Beinen von Fleisch und Blut gleichen.
Wenige Wohltäter, die nicht wie Satan sagten: ‚Si cadens adoraveris me.‘ (So du niederfällst und mich anbetest).
Wenn Diogenes in unserer Zeit leben würde, müßte seine Laterne eine Blendlaterne sein.
Die Natur hat Illusionen den Weisen wie den Narren mitgegeben, damit die Weisen nicht zu unglücklich würden durch ihre Weisheit.
Man nehme der Liebe die Eigenliebe – es bleibt wenig übrig. Von Eitelkeit gereinigt, gleicht sie dem schwachen Rekonvaleszenten, der sich mühsam fortschleppt.
Eine herrschsüchtige und häßliche Frau, die gefallen will, gleicht dem Bettler, der befehlen wollte, daß man ihm Almosen gibt.
Warum erblickt man im Alter das Leben, welches man hinter sich hat, so kurz? Weil man es für so kurz hält, wie die Erinnerung desselben ist. Aus dieser nämlich ist alles Unbedeutende und viel Unangenehmes herausgefallen, daher wenig übrig geblieben.
Das vernünftigste und maßvollste Wort in der Streitfrage Ehe oder Zölibat lautet: So oder so, du wirst es bereuen.