Zitate von Arthur Schnitzler
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Während wir träumen, sind wir da nicht vielleicht Gespenster in den Träumen der anderen?
Welch ein gefräßiges Tier ist jedoch die Eitelkeit! Sie nährt sich sowohl von Erfolg als von Misserfolg, von Glück wie von Unglück, von Liebe wie von Hass, ja zur Not versteht sie es auch, von ihrem eigenen Fett zu leben und wird immer noch fetter dabei.
Wie auch von sonst klugen Menschen aus Bequemlichkeit und wohl auch aus Feigheit die törichtesten Schlagworte nachgeplappert werden, wie sie vor allem in der trüben Atmosphäre gewisser Übergangsperioden zu entstehen pflegen, ist wahrhaft erschütternd.
Es stünde besser in der Welt, wenn nicht jeder Fromme sich an Seelenadel über den Zweifler, nicht jeder Zweifler an Klugheit über den Frommen sich erhaben fühlte. Auch der Zweifler kann ein Dummkopf, der Fromme ein Schuft sein – und beide – beides.
Wie oft – bei uns noch öfter als bei andern – halten wir für Stärke des Charakters, was am Ende doch nichts anderes ist als Schwäche des Gefühls.
Noch nicht Geborener du, einen Freund darf ich froh in dir grüßen. Lebtest du heut‘ schon, wer weiß, zählt‘ einen Hasser ich mehr.
Es ist immer leichtsinnig, sich in finanzielle, als sich in ethische Schulden zu stürzen. Dort gibt es Rettung: Haupttreffer, Erbschaften, neue Quellen des Verdienstes; wer einmal zu gut war, ist bankrott auf Lebenszeit.
Die Kennworte des Wieners: Wie komm denn i dazu? Es zahlt sich ja net aus! Tun S‘ Ihnen nix an!
Es gibt keine erotische Beziehung, in der von den Liebenden die Wahrheit nicht immer gefühlt und nicht immer wieder jede Lüge geglaubt würde.
Ja, wenn eine Schlacht gewonnen wäre dadurch, daß man den lautesten Trompeter wegschießt.
Die Liebe zu den Kindern ist immer eine unglückliche, im Grunde die einzige, die diese Bezeichnung mit Recht verdient.
Manche seelische Erlebnisse gehen beinahe durchaus im Unterbewußtsein vor sich; zeitweise nur gleich Tauchern, die unter dem Wasser schwammen, steigen sie zur Oberfläche herauf, sehen sich verwundert rings im Lichte des Bewußtseins um, tauchen wieder hinab und verschwinden für immer.
In der Liebe der Frauen ist fast immer ein Element des Blutschänderischen enthalten; den älteren Mann lieben sie immer ein wenig wie einen Vater, den jüngeren wie einen Sohn.
Am Ende gilt doch nur, was wir getan und gelebt – und nicht, was wir gewünscht oder ersehnt haben.
Wenn du dich in Gefahr glaubst, an einem Menschen zugrunde zu gehen, so rechne es ihm nicht gleich als Schuld an, sondern frage dich vorerst, wie lange du schon nach solch einem Menschen gesucht hast.
Selbsterkenntnis ist fast niemals der erste Schritt zur Besserung, aber oft genug der letzte zur Selbstbespiegelung.
Das Talent eines Menschen versöhnt uns oft mit der Fragwürdigkeit seines Charakters, wenn wir unter diesem nicht gerade persönlich irgendwie zu leiden haben. Niemals aber sind wir geneigt, uns durch die Vortrefflichkeit eines Menschen gegenüber seiner Talentlosigkeit milder stimmen zu lassen.
Ein Sophisma ist nur selten eine blanke Unwahrheit; meist ist sie ein gesunder Trank Lüge – der aber durch einen Tropfen Wahrheit vergiftet wurde.
Wenn dir ein Unglück widerfährt, so wird die erste Regung deines Freundes nicht etwa Mitgefühl sein oder gar das Bedürfnis, dir zu helfen, sondern die Befriedigung darüber, daß er für seinen Teil dein Unglück längst kommen sah – und seine nächste: die Überzeugung, daß du selber daran schuld bist.
Wir versuchen wohl Ordnung in uns zu schaffen, so gut es geht, aber diese Ordnung ist doch nur etwas Künstliches… Das Natürliche… ist das Chaos.
Eine Frau holt gerne den Rat ihres Mannes ein, schon deshalb, um ihn nicht zu befolgen.
Du kannst einen Menschen daran hindern, zu stehlen, aber nicht daran, ein Dieb zu sein.
Das ist ein gefährlicher Narr, der einen Schlafenden mit einem Dolch in der Herzgegend kitzelt, um ihn aufzuwecken.
Du bildest dir ein, durch deine erzieherischen Talente einen Menschen gewandelt zu haben, und doch hast du meist nur einen Komödianten, einen Heuchler oder einen Feigling aus ihm gemacht.
Was du hier als Aphorisma servierst – denkst du vielleicht, diese billige Weisheit wäre mir nicht längst bekannt gewesen? – Daß du dir das einbildest, lieber Leser, betrachte ich als die schmeichelhafteste Genugtuung, die mir werden konnte.
So weit schauen als möglich, aber von dort, wo man hingehört. Die Augen schärfen, aber nicht den Standpunkt wechseln.
Wie unklar doch die Menschen über sich selber sind. Einer liebt den Duft der Blumen und hält sich für einen Botaniker, ein anderer zählt Staubfäden und hält sich für einen Naturschwärmer.
Hüte dich davor, dich mit Leuten in Diskussionen einzulassen, die allzu rasch mit Gegengründen aus dem Gebiet des Metaphysischen und des Unbewußten bei der Hand sind. Es sind Feiglinge des Gedankens.
Was wir Illusion nennen, ist entweder Wahn, Irrtum oder Selbstbetrug, – wenn sie nicht eine höhere Wirklichkeit bedeutet, die als solche anzuerkennen wir zu bescheiden, zu skeptisch oder zu zaghaft sind.
So lang nur ein Mensch da ist, dem der Krieg Vorteil bringen kann, und dieser eine hat Macht und Einfluß genug, diesen Krieg zu entfesseln, ist jeder Kampf gegen den Krieg vergeblich.
Alle Spekulation, vielleicht alles Philosophieren, ist nur ein Denken in Spiralen; wir kommen wohl höher, aber nicht eigentlich weiter, und dem Zentrum der Welt bleiben wir immer gleich fern.
Es gibt nur drei absolute Tugenden: Sachlichkeit, Mut und Verantwortungsgefühl; diese drei schließen nicht nur alle anderen gewissermaßen in sich ein, sondern ihr Dasein paralysiert sogar manche Untugenden und Schwächen, die gleichzeitig in derselben Seele vorhanden sein mögen.
Ob nicht jede Frau das natürliche Recht hat, einmal in ihrem Leben auch die Geliebte eines vollkommen schönen Manns zu sein?
Liebe ist Schönheitssinn, der sich mit Beziehung auf ein bestimmtes Objekt zum Trieb erniedrigte – oder erhöhte; Schönheitssinn ist Liebe, die auf ein bestimmtes Objekt verzichtet hat und beruhigt ins Allgemeine gleitet.
Es gehört nicht zur Wahrheit im höheren Sinn, über alles Nebensächliche, insbesondere rein Physische Bericht zu erstatten, doch gibt es Fälle, wo das Verschweigen geradezu Fälschung wäre.
Glaubenslos nennt Ihr, Ihr Frommen, die sich als Zweifler bekennen? Aber sie glauben nur nicht, daß Ihr die Wissenden seid.
Die Liebe einer Frau kannst du dir durch mancherlei verscherzen: durch Vertrauen und durch Misstrauen, durch Nachgiebigkeit und durch Tyrannei, durch zu viel und durch zu wenig Zärtlichkeit, durch alles und durch nichts.
Wer sich einer politischen Partei anschließt, und sei sie ihren Prinzipien nach die beste von allen, der encanailliert sich in jedem Falle, – denn er hat Parteigenossen.
Jede Antwort ist trügerisch, jede Erfüllung zerfließt uns unter den Händen, und das Ziel ist keines mehr, sobald es erreicht wurde.
Ungerechtigkeit ist unsere einzige Rache für ein Unrecht, das irgendwann an uns begangen worden ist.