Zitate von Arthur Schnitzler
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Der Dichter scheint sich vom Literaten manchmal nur durch seine geringere Geschicklichkeit in den Bemühungen um einen äußeren Erfolg zu unterscheiden, der ihm oft erst die Voraussetzung für die Möglichkeit weiteren Schaffens bieten würde oder bietet.
Nicht Übermaß an Vertrauen, sondern Schwäche der Phantasie macht es dem Mann so schwer, an die Untreue eines geliebten Wesens zu glauben.
Das Schlimmste, was einem Dichter passieren kann, das ist: für seinen eigenen Einfall nicht reif zu sein.
Auch wenn wir wirklich verstanden werden, ist es immer nur für einen flüchtigen Augenblick, und wenn wir wirklich geliebt werden, so ist solches auch nicht für länger.
Deine schlimmsten Feinde sind keineswegs die Leute, die anderer Ansicht, sondern die der gleichen sind wie du, aber aus verschiedenen Gründen, aus Vorsicht, Rechthaberei, Feigheit, verhindert sind, sich zu dieser Ansicht zu bekennen.
Das ist das Geheimnis des alten Wiener Cafés: Der Kellner ist vergeßlich, die Kassierin ist häßlich, die Wände sind grau, die Beleuchtung ist schlecht: lauter Dinge, die ich schön finde.
Zwischen die gleich grausamen Wahrheiten: Leben und Tod, haben wir die tröstliche Lüge der Unsterblichkeit gesetzt.
Was den Dilettanten früher – und in jedem Fall untrüglicher – verrät als die Schwächen seines Talents, das ist die Problematik seines Menschentums.
So sehr ich mir wünschte, die Menschen im Genusse völliger Freiheit zu sehen, weiß ich wohl, daß die wenigsten etwas Vernünftiges mit ihr anzufangen, ja die meisten sie überhaupt nur zu mißbrauchen wüßten.
Es ist dem Dichter unbenommen, die Freiheit heißer zu lieben als der Held den er gestaltet. Aber wehe ihm, wenn von diesem Überfluß eigener Liebe auch nur ein Tropfen in seines Helden Worte überströmt.
Eine Illusion verlieren, heißt um eine Wahrheit reicher zu werden. Doch wer den Verlust beklagt, ist auch des Gewinnes nicht wert gewesen.
Das wäre ein schlechtes Aperçu, bei dem ein kluger Mensch sich nicht denken müßte: gerade das oder das Gegenteil ist mir auch schon eingefallen.
Sinnlichkeit log uns Liebe vor, der Verstand widersetzte sich der Täuschung – da kam die Phantasie als willkommene Helferin.
Die Frau empfindet es als Triumph, wenn sie der früheren Geliebten des Mannes begegnet; der Mann als Schmach, wenn ihm der frühere Geliebte seiner Frau erscheint.
Im Verlaufe erotischer Beziehungen steigt der eine Teil für den anderen seelisch immer entschiedener zum Individuum empor und sinkt körperlich immer unrettbarer zum Prinzip herab.
Was hat man am Ende von der Gerechtigkeit? Nichts anderes, als daß auch diejenigen Leute einem Bedauern einflößen, denen man im Grunde alles Böse gewünscht hat.
Was am tiefsten in der menschlichen Natur steckt, ist doch die Angst vor der Vernichtung. Und so bedeutet unser ehrfürchtiger Schauer vor dem tapfersten Helden oft nichts anderes als unsere scheue Bewunderung für den geschicktesten Komödianten.
Auch mit den klügsten Menschen bereitet der Umgang kein Vergnügen, wenn sie immer noch klüger scheinen möchten, als sie sind.
Manche Literaten lieben es, sich in ihren Werken stilistisch, andere gesellschaftlich und manche gar ethisch aufzuspielen. Kein Wunder, daß sie sich von solchen Mühen in ihrem Privatleben umso gründlicher zu erholen pflegen.
Jede gefühlsmäßige Beziehung zu Gott ist sinnlos, Auflehnung nicht minder als Ergebung, denn der Altar, vor dem wir im Staube liegen, wie der, den wir zertrümmern wollen – wir sind es immer selbst, die ihn aufgerichtet haben.
Man weiß von manchem Strenggläubigen, daß er an Gott irre ward, weil ihn ein großes Unglück traf – mochte er es auch selbst verschuldet haben; doch man hat noch keinen gesehen, der seinen Glauben darum verlor, weil ihm ein unverdientes Glück zuteil wurde.
Stets wird es die Politik sein, von der die Atmosphäre eines Landes bestimmt wird, nicht Wissenschaft und Kunst.
Es ist schon oft genug vorgekommen, daß ein Bösewicht aus Klugheit etwas Gutes, aber noch nie, daß ein Dummkopf aus Güte etwas Kluges getan hätte.
Selbstüberwindung, Erkenntnisdrang und Opfermut sind die einzigen wirklichen Tugenden unter allen, die man so zu nennen pflegt. Denn nur in ihnen ist der Wille tätig.
Wenn sich der Tod, zwar unaufhaltsam wie stets, doch mit abgewandtem Antlitz uns nähert, so sprechen wir von Genesung.
Für die meisten Menschen bedeutet eine Wohltat, die sie erfahren haben, nicht so sehr eine Gelegenheit ihre Dankbarkeit, als vielmehr eine, ihre Unbestechlichkeit zu erweisen.
Bereit sein ist viel, warten zu können ist mehr, doch erst: den rechten Augenblick nützen ist alles.
Du wirst deine Geliebte erst dann richtig beurteilen können, wenn du dich als denjenigen zu denken vermagst, der dein Nachfolger sein wird.
Was soll mir das Geschwätz? Ich habe mich in meinem Leben nicht um Politik gekümmert! Was hilft’s dir, mein Freund? Sie kümmert sich um dich in jedem Augenblick deines Lebens!
Die sogenannten impulsiven Menschen sind meistens nicht Verschwender, sondern nur Ungeduldige ihres Gefühls.
Zu einem Verrat sind die meisten Menschen pünktlicher zur Stelle als zu einer Tat der Treue.
Die beruhigende Wirkung der Kunstwerke erklärt sich vor allem dadurch, daß im Kunstwerk das, was wir Zufall nennen, ausgeschaltet ist.
Es gibt nur wenige Menschen, die dem wahren Egoisten antipathisch sind: diejenigen, die er beinahe lieben könnte.
Wenn Treue nicht ein Gegengeschenk ist, dann ist sie die törichteste aller Verschwendungen.
Wenn du vor den Altar der Wahrheit trittst, so wirst du dort viele auf den Knien finden. Doch auf dem Wege dahin wirst du immer allein gewesen sein.
Widerwärtig nennen wir das Traurige, dem es nicht vergönnt ist, sich auf irgendeine Weise in Schönheit aufzulösen.
Im Wesen des Dilettanten liegt es, sich ohne nötige Vorbereitung, Anlage und Kraft an den letzten Problemen der Wissenschaft und den höchsten Aufgaben der Kunst zu versuchen.
Manches gestehen, das bedeutet oft einen hinterhältigeren Betrug als alles verschweigen.
Ein Haufen von unbeglichenen Rechnungen – von solchen, deren Bezahlung man uns schuldig blieb und solchen, die wir nicht begleichen konnten – das ist am Ende die Bilanz unseres Lebens.
Im Herzen jedes Aphorisma, so neu oder gar paradox es sich gebärden möge, schlägt eine uralte Wahrheit.
Gibt es ein Ohr so fein, daß es die Seufzer der welkenden Rose zu hören vermöchte?
Wie sinnlos die Welt dir erscheinen mag, vergiß nie, daß du durch dein Handeln wie durch dein Unterlassen dein redlich Teil zu dieser Sinnlosigkeit beiträgst.
Auch sehr ins Weite denken, ist manchmal nur eine Art, sich das Leben bequem zu machen.
Es ist dem Menschen eingeboren, daß er in dem Unglück, das einen andern betrifft, ein möglichst hohes Maß von Selbstverschulden, im eigenen aber nichts als Verhängnis zu finden trachtet.