Zitate von Wilhelm Vogel
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Mit jedem Schritt der Erkenntnis, den uns die Erfahrung an die echte Wirklichkeit näher heranführt, geben wir jedesmal eine stolze Hoffnung von unserem Jugendbaume ab.
In der sinnlichen Liebe verrät sich der Egoismus mit seinen herrischen Wünschen am deutlichsten; jedes erstrebt den Besitz des anderen, anstatt freiwillig zu geben.
Es soll noch lange nicht gesagt sein, daß, wenn du allein nicht gegen den Strom der dich umgebenden Verhältnisse schwimmen kannst – daß du dich durchaus von ihm mitreißen lassen mußt.
Rechtfertigung vor sich selbst ist nur möglich, solange das Gewissen noch zu Worte kommen kann.
Der ist wirklich der Überlegene, der von seiner Kraft nicht Gebrauch macht, obwohl ihm die stärkere und sicherere Waffe zu Gebote steht.
Mancher dient anderen zum Vorbild der Wahrheit und spricht bei dem Worte wahr die erste Lüge aus.
Die Begeisterung ruft Fähigkeiten in uns wach, deren wir uns zuvor nicht bewußt waren.
Nicht erwarteter Dank macht verlegen; man schämt sich im Innern, die Person verkannt zu haben.
Der Funke der Gerechtigkeit wird erst zur Flamme entfacht, wenn die Ungerechtigkeit glaubt, ihn ersticken zu können.
Gar manches ist nur aus der Ferne schön, Enttäuschung und Ernüchterung weht auf den meisten Höh’n.
Rücksicht zu üben, fällt manchem ebenso schwer, wie gerecht zu sein, wenn es gegen seinen Vorteil ist.
Ein kleines Samenkorn des Misstrauens findet in der bestgefügten Mauer eines noch so untrennbar scheinenden Vertrauens eine schwache Stelle, um sich einzunisten… und die Mauer rissig zu machen.
Man kann viel erleben – das geht vorbei. Man kann auch rasch erleben – auch das geht vorbei. Aber in Ruhe und in vollen Zügen erleben, daß sich die Erinnerung aller Einzelheiten erinnert, da ist das Erleben, von dem wir noch nach Jahren zehren.
Der Dummheit Geschwister sind Heimtücke und Gemeinheit, doch richtet sich meistens selbst die Fallnetze, denn Gemeinheit kommt immer durch Gemeinheit zu Fall.
Daran erkennst du edle Frauen, daß sie durch ihre Nähe das Ideale wachrufen und das Schlechte ausschalten.
Nicht das Wissen, sondern der Grad, bis zu welchem man von seinem Wissen Gebrauch machen kann, ist Macht.
Haß mit Ehrgeiz vermag in der Verfolgung eines Zieles mehr wie die Liebe und all ihre Ideale.
Der Neid hat Anhänger in allen Lagern, bei arm und reich, hoch und nieder, alt und jung, und selbst diejenigen, die zu Vorkämpfern und Vorbildern wurden, fielen ihm anheim, nur daß sie ihn zum Ansporn umzugestalten wußten.
Die Gefühle, die du am tiefsten verborgen glaubst und zu denen die Gewalt sich keinen Weg bahnen kann, erschließt der Zufall ohne Mühe oder dessen häufigster Begleiter – die Achtlosigkeit.
Es ist ein grausames Spiel der Natur, daß die Söhne ihren Vater meist erst dann verstehen, wenn sie von seinem Grabe kommen.
Menschenschicksale sind lose Blätter, die vom Winde getrieben zur Erde fallen – vergehen – und keine Spuren hinterlassen.
Menschen, die ihr Herz auf der Zunge tragen, die alles, was sie denken, sagen, lehrt die Welt bald ihr Bündel tragen.
Nirgends zeigt sich der Mensch empfindlicher als in seinem Egoismus, und durch nichts ist er leichter zu besiegen als durch ihn.
Das Unglück, das Dir das Schicksal brachte, ist leichter zu überwinden als das, welches Dir Menschenhand bereitete.
Wie mancher Lüge stellen wir uns im täglichen Leben unter, um nicht einen kleinen Fehler bekennen zu müssen.
Buhle nicht um Gunst – sie läßt sich nicht erkaufen. Aus freien Stücken sucht sie dich auf, wenn du dich ihrer würdig erzeigst.
Daß Sinnlichkeit abstoßen kann, mit Abscheu beginnend und in tödlichem Hasse endigend, übersieht die Sinnlichkeit.
Das „Nur-an-sich-Denken“ und Voreingenommensein für unsere Person und Schaffen schlägt uns mit Blindheit.
Die Untreue bei anderen bezeichnen wir ohne Weiteres als Schwäche im Charakter… bei uns selbst sprechen wir dagegen von Schicksal.
Allein im Ernst, allein im Spiel, allein auf der Welt, Tausenden nah, und doch allein – ist mehr wie des Lebens Glück zu ersetzen vermag.
So mancher hat Talent zu „vielem“; aber um „eines“ richtig zu tun, dazu hat er kein Talent.
Gemeinheit verträgt sich nur so lange mit ihresgleichen, solange sie sich davon irgendeinen Nutzen verspricht.