Zitate von Edmond und Jules de Goncourt
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Von Anfang der Welt an gehn die Dinge ihren Gang und verbleiben immer in der gleichen Schlechtigkeit, nur daß sie immer ein wenig besser erscheinen.

Wie viel ungeschriebene Dramen bringt doch eine Pariser Nacht in Liebe, Verbrechen und Tod zur Welt.

Die Angst des Menschen vor der Wirklichkeit ließ ihn drei Auswege finden: Die Trunkenheit, die Liebe und die Arbeit.

Nach dem Essen hat der Mensch am meisten Gedanken. Der gefüllte Magen scheint sie frei zu machen, wie bei jenen Pflanzen, die mit ihren Blättern augenblicklich das Wasser ausschwitzen, mit dem man ihren Humus begossen hat.

Ein Traum, in dem dich ein Weib, ein gleichgültiges Weib versetzt, verleiht dir beim Erwachen für ein paar Stunden ein Gefühl der Dankbarkeit, und gleichsam einen Schatten der Liebe für dieses Weib.

In der Weltgeschichte hat immer noch das Absurde die meisten Märtyrer gehabt.

Nächst einem schlecht gemachten Anzug kann einem in der Gesellschaft der Takt den meisten Schaden bringen.

Der Handel ist die Kunst, mit dem Wunsche oder dem Bedürfnis, die jemand in bezug auf etwas hat, Mißbrauch zu treiben.

Wenn man das Elend der Gedankenwelt im Innern reicher Leute betrachtet, wird man zuweilen zu Mitleid gerührt.

Im Verhältnis des Mannes gegenüber dem Weibe gibt es vielleicht nichts vollkommen Wahres und Aufrichtiges als nur die Gefühle, die in Worten nicht auszudrücken sind.

Noch mehr als ein Mann hat es eine Regierung nötig, die Meinung zu erwecken, daß sie sich auch schlagen kann.

Im Traum und Erwachen, im morgendlichen Denken und in den Ideen, denen er sich im Bett hingibt, ist der Mensch feige. In horizontaler Lage ist der Mensch immer feige.

Die meisten Dummheiten in der Welt muß sich wahrscheinlich ein Gemälde in einem Museum anhören.

Es gibt plumpe und schwerfällige Staatsmänner mit viereckigen Schuhen, bäuerischen Manieren, eine pockennarbige grobe Rasse, die man Percherons (Pferdezüchter) der Politik nennen möchte.

Im Nirwana des Inders nimmt sich das Bild der Welt aus wie eine Null, die sich in den Schwanz beißt.

Diderot, Beaumarchais, Bernadin de Saint Pierre sind das dem 19. Jahrhundert vom 18. hinterlassene große Vermächtnis.

Lachen ist der Klang der Seele – es gibt Arten zu lachen, die klingen wie Falschgeld.

Manche Menschen weisen alles auf, was der Wille an Talent geben, und was die Geduld an Genie gewähren kann.

Sage mir, was eins der größten Gefühle, die Vaterschaft, ist? Das Eigentum eines beseelten Wesens.

Die Zeitung ist der natürliche Feind des Buches, so wie die Hure die Feindin der anständigen Frau.

Von der Invasion der Barbaren ist noch nicht die Rede: wir stehen erst bei der Invasion der Seiltänzer.

Das Journal hat den Salon getötet; das Publikum hat die Gesellschaft abgelöst.

Gewisse grobe materielle Ehemänner hübscher Frauen könnte man mit jenen plumpen Auvergnaten unter den Taxatoren auf den Auktionen vergleichen, die die schönsten und köstlichsten Dinge, ohne sie zu zerbrechen, durch ihre Hände gehen lassen und vorzeigen.

Auf dem Elend wachsen die bittern trostlosen Seelen nicht. Es zerbricht die Schnellkraft; es erschöpft den Kummer; anstatt zur Rebellion zu reizen, zähmt es.

Gewisse Bücher möblieren. Natürlich jene, die man am teuersten kauft und am wenigsten liest.

Die anständigen Frauen reden von den Sünden der anderen Frauen häufig wie von Sünden, um die man sie bestohlen hat.

Wenn es einen Gott gibt, muß der Atheismus ihm wie eine geringere Beleidigung vorkommen als die Religion.

Man muß sich hüten, die Canaille mit dem Pöbel zu vermengen. Die Canaille genießt immer mehr Auszeichnung.

Es gibt Frauen, deren eigentümlicher Reiz in einem träumerischen Entrücktsein liegt, als sei ihr Leben für eine Weile aufgehoben und das Bewußtsein unterbrochen.

Die ganze Kunst zu gefallen, besteht darin, nie von sich selbst zu reden, und die anderen von sich selbst reden zu machen. Jeder weiß das, und alle Welt vergisst es.

Niemals habe ich einen Dummkopf cynisch werden sehn: er kann nur obscön sein.

Blut ist immer noch die beste Tinte, seinen Namen der Menschheit ins Gedächtnis zu schreiben.

Eine Frau sagte zu einem ihrer Freunde, um sich wegen ihrer Liebhaber zu entschuldigen: Aber was soll ich denn machen, wenn es regnet, oder wenn ich mich langweile?

Wenn der Unglaube zu einem Glauben wird, dann wird er weniger vernünftig als eine Religion.

In der Sprache der Bourgeoisie steht die Größe der Worte in direktem Verhältnis zur Geringfügigkeit der Gefühle.

Der Tod ist für gewisse Leute nicht einfach der Tod, er ist das Ende des Besitzerstatus.

Es kommt mir vor, als sei die gegenwärtige Gesellschaft in betreff der Moral so empfindlich wie Schurken im Punkt der Ehre.

Der Zauber der Bücher Michelets liegt darin, daß sie den Eindruck handschriftlicher Bücher machen. Sie haben nicht die Banalität, die Unpersönlichkeit des Gedruckten: sie sind gleichsam Gedankenautogramme.

Eine Gabe der Vorsehung bei den Menschen, besonders bei einem intelligenten Menschen, ist seine Verachtung für Fähigkeiten, die er nicht besitzt.