Zitate von Edmond und Jules de Goncourt
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Es gibt eine Häßlichkeit der Verworfenheit, Erniedrigung und Gemeinheit, eine Häßlichkeit des Geldes – das Kainsmal der Million.
Große Ereignisse werden häufig kleinen Menschen anvertraut, wie jene Diamanten, die von den Pariser Juwelieren Gassenjungen zum Tragen gegeben werden.
Männer singen, wenn sie unter sich sind. Das Weib singt, wenn es allein ist und sprechen möchte.
Es gibt eine Schönheit, eine langweilige Schönheit, die aussieht, wie ein Schönheitspensum.
Alle großen idealen Kunstwerke wurden in Zeiten und von Menschen geschaffen, die nicht den Begriff des Ideals hatten.
Ich bemerkte, daß die Unglücklichen den Egoismus eines Spitalkranken haben.
Die modernen Familien kennen unterhalb einer bestimmten Vermögenslage oder oberhalb einer bestimmten Stockwerkshöhe keine Verwandtschaft mehr.
Eine Religion ohne Metaphysik – das läßt mich an eine Annonce denken, die ich in den letzten Jahren in den großen Zeitungen las: Wein ohne Trauben.
Es ist die Qual des denkenden Menschen, nach dem Schönen zu streben, ohne jemals ein festes und bestimmtes Bewußtsein des absoluten Schönen zu haben.
Heutzutage machen die Leichtsinnigen ihr Glück; die Narren sind voller Vernunft. Sie erinnern mich an jenen Laden, auf dessen Schild stand: Au Carneval de Venice; und drinnen wurden wollene Hauben verkauft.
Die Worte! Die Worte! Man hat im Namen der Barmherzigkeit verbrannt und im Namen der Brüderlichkeit guillotiniert. Im Theater der menschlichen Dinge sagt der Zettel fast stets das Gegenteil des Stückes.
Es gibt Sammlungen von Kunstwerken, die weder eine Leidenschaft, noch einen Geschmack, noch eine Intelligenz verraten, nur den brutalen Geschmack des Reichtums.
Vielleicht ist nur eines wirklich existent, nur eines echt im Leben: das physische Leiden. Alles andere ist Einbildung, Illusion, Chimäre, vages Gefühl.
Daß ein Mann höflich, aufmerksam, liebenswürdig zu einer Frau ist, genügt ihr nicht, auch der anständigsten nicht, sie ist ihm dafür keineswegs erkenntlich. Sie verlangt, daß man ihr die Einbildung verschafft, man liebe sie sinnlich, man begehre sie.
Das Volk geht auf dem Friedhof spazieren und macht im Hospital Besuche.
Es gibt mehr Seelen als Geister, die einen Charakter haben: Charakter nenne ich die Festigkeit eines Gewissens.
Was ist Leben? Die Nutznießung einer Anhäufung von Molekeln (Moleküle).
In Frankreich verliert sich das Weib viel mehr an die Romantik als an die Obscönität dessen, was sie liest.
Das Weib ist von Gott zur Krankenwärterin des Mannes gemacht worden. Seine Aufopferung übersteigt den Widerwillen nicht, es weiß nur nichts davon.
Um die Natur wahrhaft zu hassen, muß man von Natur die Gemälde den Landschaften, und die Konfitüren den Früchten vorziehen.
Unter Journalisten ist ein Ehrenmann, wer sich die Meinung die er vertritt, bezahlen läßt, und der ist ein Schurke, den man dafür bezahlt, eine Meinung zu haben, die er nicht hat.
In den Geselligkeiten des Lebens lacht der folgende Tag niemals wie der vorhergehende. Die Fröhlichkeit eines Salons verbleicht vor seiner Tapete. Die Lustigkeit eines Hauses altert vor seinen Gästen.
Alles fand die Menschheit im wilden Zustand, die Tiere, die Früchte, die Liebe.
Die Zivilehe ist eine Zeremonie, in der das Gesetz nur das Herz des Gesetzbuches sprechen läßt.
Plötzliche Sterbefälle junger Mädchen lassen an Meuchelmorde des Todes denken.
Bei den Handelsvölkern habe ich auf den Straßen das meiste Elend gesehen.
Vom Volke verurteilt und in Freiheit… steht auf dem Register der Septembermorde. In Freiheit ist ausgestrichen und statt dessen darübergeschrieben: hingerichtet. Es gibt solche tragischen Striche in den Schicksalen.
Es gibt neidische Menschen, die von deinem Reichtum derart überwältigt sind, daß du sie fast schon bedauern möchtest.
Geschichte ist ein Roman, der stattgefunden hat, der Roman ist Geschichte, wie sie hätte sein können.
Ein Mensch, der ein paar donquichotische Züge im Gesicht hat, hat stets auch ein paar schöne Züge in der Seele.
Einen Arzt hörte ich sagen: die Seele ist ein Papier, das keinen Kurswert hat.
Bis zum zwanzigsten Jahre bleibt das Kind in der Studienanstalt, wo sich alles um die Arbeit, das Verdienst, die Befähigung handelt. Tritt dann der Zwanzigjährige in die Welt ein, ist alles anders: es ist gerade das Gegenteil.
Die Langeweile ist vielleicht ein Privilegium. Die Dummköpfe haben kein Gefühl dafür, daß sie sich langweilen. Vielleicht langweilen sie sich gar nicht. Eine Revolution alle fünfzehn Jahre genügt zu ihrer Zerstreuung.
Vielleicht sind die größten Dichter nicht gedruckt. Etwas schreiben, ist vielleicht das gerade Gegenteil davon, es zu träumen.
Die Völker lieben weder das Wahre, noch das Einfache. Sie lieben die Legende und den Charlatan.
Es gibt Schriftsteller, deren ganzes Talent niemals über das hinausträumen läßt, was sie schreiben. Ihre Phrase erfüllt das Ohr mit Geist, und das ist auch schon alles.
Ich fragte mich, wie das Recht in die Welt gekommen sei. Heute ging ich am Quai vorüber, wo Gassenjungen spielten. Der größte sagte: Wir müssen ein Gericht bilden… Das Gericht bin ich…
Gestern nacht hörte ich in meinem Bett das Pendel der Hoteluhr und am Horizont das mit der Flut steigende Meer. Es kam mir vor, als vernähme ich zugleich den Puls der Zeit und den Atem der Ewigkeit.
Niemals zu andern über sich sprechen, sonden ihnen stets von ihren eigenen Dingen erzählen, darauf beruht die ganze Kunst, zu gefallen. Jedermann weiß es und alle Welt vergisst es.
Niemand auf der Welt bekommt so viel dummes Zeug zu hören wie die Bilder in einem Museum.
Besitzen und Schaffen – das sind die beiden lebendigen Leidenschaften des Menschen; und darin liegt sein ganzes Eigentum.
Es gibt wenig Schmerzen, so groß sie auch immer seien, die ganz rein sind; und ich sah wenig Tränen, die Toten nachgeweint wurden, die nicht von einem Interesse oder von Eitelkeit beschmutzt waren.