Zitate von Jean de La Bruyère
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Der Geist der Unterhaltung besteht weit weniger darin, viel Geist zu zeigen, als vielmehr andere ihn finden zu lassen.
Im Schoß der Familien herrschen oft Mißtrauen, Eifersüchtelei und Abneigungen, während uns ein zufriedenes, einträchtiges und heiteres Äußeres täuscht und einen Frieden vermuten läßt, der gar nicht vorhanden ist.
Große Unwissenheit macht dogmatisch; Wer nichts weiß, glaubt Andern das, was er selbst soeben erst gelernt hat, beibringen zu müssen;
Es gibt keine häßlichen Frauen. Es gibt nur Frauen ohne die Fähigkeit, sich hübsch zu machen.
Es gibt keine Gottesleugner. Wenigstens warte ich bis heute vergebens darauf, einen Menschen zu treffen, der davon überzeugt ist, daß es keinen Gott gibt.
Der Stand der Schauspieler galt bei den Römern für schimpflich, bei den Griechen für ehrbar. Und bei uns? Wir denken über sie wie die Römer und verkehren mit ihnen wie die Griechen.
Von Geburt an unruhige und ewig sich langweilend, wird er (der Mensch) nur des Lebens nicht überdrüssig; er möchte unaufhörlich leben. Krankheiten und Tod stoßen ihn ab von der Bekanntschaft mit einer anderen Welt. Alle Gewalt der Religion ist dazu erforderlich, ihn zum Nachdenken zu bewegen.
Der Stumpfsinnige, der nicht spricht, ist immer noch erträglicher als der Dumme, der nicht schweigen kann.
Die meisten Frauen sind ohne Grundsätze, sie folgen ihrem Herzen und sind von denen, die sie lieben, abhängig.
Derselbe scharfe Verstand, der es uns ermöglicht, etwas Gutes zu schreiben, lässt uns auch fürchten, es könnte nicht gut genug sein, dass es verdient, gelesen zu werden.
Man muss lachen, bevor man glücklich ist, weil man sonst sterben könnte, ohne gelacht zu haben.
Es gibt für den Menschen nur drei Ereignisse: entstehen, leben und sterben. Er ist sich des Entstehens nicht bewußt, er leidet beim Sterben und er vergißt zu leben.
Man bereut es selten, daß man zu wenig spricht, sehr oft aber, daß man zu viel spricht, eine verbrauchte Lebensregel, die jedermann kennt und niemand befolgt.
Um Gut und Vermögen läuft man sich nicht so die Beine ab wie um nichtige Lockungen der Laune.
Es ist der Ruhm oder das Verdienst einiger Menschen, gut zu schreiben; und das von andern, gar nicht zu schreiben.
Zwischen gutem Verstand und gutem Geschmack besteht derselbe Unterschied wie zwischen Ursache und Wirkung.
Wer einen Menschen, den er irgendwie braucht, längere Zeit ohne Erfolg umworben hat, sollte noch als letztes Mittel versuchen, sich überhaupt nicht um ihn zu kümmern.
Geist ist nicht so selten wie Menschen, die sich ihres Geistes zu bedienen wissen oder den der anderen zur Geltung zu bringen und fruchtbar zu machen verstehen.
Wer meint, er sei nicht zum Glück geboren, könnte doch wenigstens am Glück seiner Freunde oder Angehörigen teilhaben. Aber Mißgunst raubt ihm auch diese letzte Möglichkeit.
Eine gefühllose Frau ist eine Frau, die den noch nicht erblickt hat, den zu lieben ihr bestimmt ist.
Trotz unserer reinen Sprache, trotz unserer großen Gesuchtheit in der Kleidung, trotz gepflegter Sitten, trefflicher Gesetze und weißer Hautfarbe sind wir in den Augen mancher Völker Barbaren.
Wer eine große Liebe an sich erfahren hat, vernachlässigt die Freundschaft; wer sich in Freundschaft erschöpft hat, hat damit noch keinen Schritt zur Liebe getan.
Den Mund aufmachen und beleidigen ist bei manchen Leuten eins. Sie sind bissig und bitter, sie greifen mit der größten Frechheit an, sie schlagen auf alles los, was ihnen unter die Zunge kommt.
Wenn eine Frau eine andere schön findet, kann man folgern, daß sie sich selbst für noch schöner hält. Ebenso wie der Dichter die Verse eines anderen nur dann zu loben pflegt, wenn er sie schlechter findet als seine eigenen.
Wenn man bei gewissen Menschen, deren Unterstützung man braucht, ohne Erfolg alles Mögliche versucht hat, sie für sich zu gewinnen, bleibt als letztes Mittel nur übrig, sich nicht mehr um sie zu bemühen.
Die Menschen bewundern nicht gerne, sie wollen gefallen: sie suchen selten Belehrung, und auch nicht immer Belustigung, sondern sie wollen lieber gelobt und wohl gelitten sein.
Ein Freund, der zu hoher Gunst gelangt ist, gewährt uns viel, wenn er sich noch zu unseren Bekannten rechnet.
Für zwei einander ganz entgegengesetzte Dinge sind wir gleich sehr eingenommen: für die Gewohnheit und das Neue.
Die Frauen mißfallen einander wegen derselben Vorzüge, durch die sie den Männern gefallen: Tausend Arten des Verhaltens, welche in diesen große Leidenschaften entzünden, erwecken unter jenen Abneigung und Widerwillen.
Der größte Teil der Menschen verwendet die erste Hälfte ihres Lebens darauf, die zweite elend zu machen.
Dünkelhaft ist, wer sich bei mittelmäßigen Verstandesgaben auf die Ausübung einer geringfügigen Tätigkeit, die er als Geschäfte bezeichnet, etwas zugute hält.
Wenig Frauen sind so vollkommen, daß ihr Mann nicht wenigsten einmal täglich bereute, verheiratet zu sein, oder die beneidete, die es nicht sind.
Es ist besser sich der Undankbarkeit auszusetzen, als den Unglücklichen Unrecht zu tun.
Hätte man sich, zufrieden mit der eigenen Habe, nicht am Gut der Nachbarn vergriffen, so hätten für alle Friede und Freiheit geherrscht.
Die reine Freundschaft gewährt einen Genuß, zu dem sich mittelmäßige Menschen nie zu erheben vermögen
Ein Mann, der nicht recht weiß, ob er zu altern beginnt, braucht bei der Begegnung mit einer jungen Frau nur ihre Augen und den Ton ihrer Stimme zu befragen, um sofort Bescheid zu wissen.
Die Menschen beginnen mit der Liebe, enden mit dem Ehrgeiz und befinden sich in einer ruhigen Verfassung des Gemüts oft erst, wenn sie sterben.
Der Anstand, das rücksichtsvolle Benehmen und die feine Lebensart von Leuten beiderlei Geschlechts geben mir keine schlechte Meinung von dem, was man die gute alte Zeit nennt.
Ein elendes Leben zu ertragen ist eine Pein; ein glücklicheres zu verlieren eine Qual: beides kommt auf eins hinaus.
Die Haupteigenschaft eines Redners ist der ehrenvolle Charakter. Ohne diesen artet er zum Deklamator aus.