Zitate von Jean Paul
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Wenn euch ein feiner Kopf etwas Alltägliches zu sagen scheint: so glaubt gewiß, daß ihr ihn nicht verstanden und daß er zu fein gewesen.
Übrigens versichere ich die Bräute, noch gewisser die Bräutigame, dass sie nur von liebenden Eltern liebende Kinder heiraten können, und dass besonders ein hassender oder liebender Vater kindliches Hassen oder Lieben fortpflanze.
Warum werden die Fruchtspeicher der Menschheit, die Nachschöpferinnen Gottes, nicht höher gehalten und bekommen den Ährenkranz nur zu tragen, weil er stachlicht ist?
In einem Vormittage, wo man reiset, ein ungewöhnliches Geschäft hat – kurz in jeder neuen Lage – lebt man mehr, sieht das Leben anders, fühlt sich mehr als in vier gewöhnlichen Wochen.
Entweder große Menschen […] oder große Zwecke muß ein Mensch vor sich haben, sonst vergehen seine Kräfte, wie dem Magnet die seinigen, wenn er lange nicht nach den rechten Welt-Ecken gekehrt gelegen.
Mit einer Kindheit voll Liebe aber kann man ein halbes Leben hindurch für die kalte Welt haushalten.
Hier auf dem offenen Meere der Welt, mitten unter hundert Schiffen, kann ich Dir nicht durch das Sprachrohr der Presse das zuschreien, was ich Dir viel lieber nahe an Deinem Angesicht und an Deiner Brust zuflüstern möchte.
Der Mensch hat hier dritthalb Minuten, eine zu lächeln – eine zu seufzen – und eine halbe zu lieben; denn mitten in dieser Minute stirbt er.
Nichts erkältet mehr die edelsten Teile des innern Menschen als Umgang mit Personen, an denen man keinen Anteil nehmen kann.
Man kann die feinsten Bemerkungen über den Menschen und über Individuen machen und doch von ihnen betrogen werden, d. h. sie nicht kennen.
Das Leben gleicht einem Buche. Toren durchblättern es flüchtig; der Weise liest es mit Bedacht, weil er weiß, daß er es nur einmal lesen kann.
Ganz gewiß, wenn ein Seraph himmelssatt wäre oder sonst die goldenen Flügel hängen ließe, könnt‘ ich ihn dadurch herstellen, daß ich ihn einen Monat lang auf meine springende, jubelnde Kinderwelt hinabschicke und kein Engel könnt‘, so lange er ihre Unschuld sähe, seine eigene verlieren.
Es ist nicht gut, wenn in die Geschichte eines Mannes – und heckte er täglich die neuen Einfälle zu Schocken – das Schicksal selber ein Wortspiel wie ein Nestei gelegt hat; auf diesem Ei sitzt und brütet er sein Leben lang und will etwas herausbringen.
Außer der Philosophie weiß ich kein so gutes Treibmittel des Gehirns, als höchstens Schach und Kaffee.
Feststehende philosophische Worte sind gefährlich – man bringt sein ganzes Anschauungssystem darunter – und dann versteht man fremde Worte nicht, die man sonst verstände.
Wer die Menge unbedeutender ungenial(ischer) Bücher sieht, hält die Menschen für noch unbedeutender.
Tilgt Gott aus der Brust, so ist alles, was über und hinter der Erde liegt, nur eine wiederholende Vergrößerung derselben; das Überirdische wäre nur eine höhere Zahlenstufe des Mechanismus und folglich ein Irdisches.
Ich möchte dabeistehen können bei allen Aussöhnungen der Welt, weil uns keine Liebe so sehr bewegt, wie die wiederkehrende.
Gegenwärtiges Unglück verdau ich in wenigen Stunden; aber künftiges bleibt mir im Magen liegen.
Ehemänner und Fürsten [haben] den Zügel öfter im passiven Munde als in den aktiven Händen.
Der Mensch, welcher das Leben bloß mit dem Verstande ohne innere Poesie genießt, wird ewig ein notdürftiges mageres behalten, wie glänzend auch das Geschick dasselbe von außen ausstatte.
Gerade die Menschen, die nicht verstanden werden, sprechen nicht gern davon oder doch traurig – hingegen die Jugend prahlt damit.
Großen Seelen ziehen die Schmerzen nach, wie den Bergen die Gewitter; aber an ihnen brechen sich auch die Wetter, und sie werden die Wetterscheide der Ebene unter ihnen.
Die kleine Stadt sagt von der kleineren, sie sei noch nicht so verdorben – und so Tugend immer im Verhältnis der Kleinheit.
Oft hat weder die Majorität noch Minorität Recht, sondern eine dritte Partei, gegen welche die Minorität eine Majorität ist.
Man steckt uns nicht eher den Lorbeerreis, wie den wilden Sauen die Zitrone, in den Mund, als bis man uns gepürscht aufträgt.
Nur im Leiden sitzt man über seine Fehler zu Gerichte, wie man nur im Finstern Bläschen in großen Spiegeln untersucht und findet.
Man liebt die Menschen mehr, wenn man den Entschluß, ihnen eine Wohltat zu erweisen, fässet, als nachdem er ausgeführt ist.
Fliehe die Vergnügungen; sie werden dir nachlaufen, wenn du sie fliehst und dich fliehen, wenn du ihnen nachläufst.