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Nicht angeborne, sondern erworbene Kälte ist der höchsten Falschheit mächtig, jene nur der Verstellung, diese auch noch der Anstellung, weil sie zugleich alle Wege und Mittel des Feuers kennt und nützt und sich auf dem Glatteis durch die Asche voriger Glut festmacht.
Jean PaulTalente können sich untereinander, als Grade, vernichten und erstatten; Genies, als Gattungen, aber nicht.
Jean PaulWas wir aus Menschenliebe vorhaben, würden wir allemal erreichen, wenn wir keinen Eigennutz einmischten.
Jean PaulDie Frauen sind so voll Verstellung und Unveränderlichkeit, daß man ihnen einen schlechten Gefallen tut, wenn man gerade das tut, was sie wollen.
Jean PaulDer Krieg ist die stärkende Eisenkur der Menschheit, und zwar mehr des Teils, der ihn leidet, als des, der ihn führt. Ein Kriegsstoß weckt die Kräfte auf, die das lange Nagen der täglichen Sorgen durchfrißt.
Jean PaulIch kann mir vorstellen, daß ein reiner Dichter einen reinen Kaufmann begreift und schätzt sogar; aber nicht umgekehrt.
Jean PaulDie Schmerzen der unerhörten Liebe und die Schmerzen der Ehescheidung erinnern an die Zähne, welche wehe tun, wenn sie kommen, und wehe, wenn sie ausgezogen werden.
Jean PaulDer denkende Teil in mir entdeckt in der Welt überall Ordnung, nur der empfindende nicht, der nicht der Zuschauer, sondern ein Glied dieser Kette ist.
Jean PaulAn den Menschen sind, wie an den Büchern, vorn und hinten zwei leere, weiße Buchbinderblätter: Kindheit und Greisenalter.
Jean PaulDa die Männer viel origineller sind, was kein Mädchen errät: so sind oft diese in der Ehe unglücklich, weil sie es nicht voraussehen und fassen.
Jean PaulDas Unrecht, das dir geschieht, treibe lächelnd ab, aber nicht als Individuum, sondern als Menschheit; diese sollte sich nicht alles gefallen lassen.
Jean PaulWenn auch die Freude eilig ist, so geht doch vor ihr eine lange Hoffnung her, und ihr folgt eine längere Erinnerung nach.
Jean PaulDa aber die erste Regel für jeden, der etwas geben will, diese ist, daß er's selber habe: so kann niemand Religion lehren, als wer sie besitzt; erwachsene Heuchelei hingegen oder Maul-Religion erzeugt nichts als unerwachsene.
Jean PaulDie Hölle läßt sich als ein unendliches ewiges Schmachten nach Errettung leichter in und durch ihre Schrecken malen, als der Himmel in einem Dasein fester Wonne, welche auch die Hoffnung endigt, da sie jede übertrifft.
Jean PaulDie Heidentugend der Verschwiegenheit fordert zu ihrer Übzeit die Kraft der anreifenden Vernunft; nur die Vernunft lehrt schweigen, das Herz lehrt reden.
Jean PaulDer Mensch nimmt viel leichter, als man glaubt, das Widersprechen und Zurechtweisen auf, nur kein heftiges verträgt er, und wäre es ein begründetes. Die Herzen sind Blumen; dem leise fallenden Thau bleiben sie offen, aber vor dem Platzregen verschließen sie sich.
Jean PaulDer Mensch braucht bei den besten Flügeln seiner Phantasie auch ein paar Stiefel für das Pflaster.
Jean PaulEine Torheit, über die viele Satiren gemacht worden und bei der jede neue Satire verliert, ist in der Wirklichkeit desto komischer.
Jean PaulDein Wollen wachse nicht und beuge sich nicht; aber dein Wissen neige sich beweglich nach allen Gegenden des Lichts.
Jean PaulGestorbne Freunde sind Ketten, die uns von der Erde ziehen und fester mit einer bessern Welt verknüpfen.
Jean PaulWenn man keine besondere Gelegenheit hat, jemand seine Liebe zu zeigen: denkt man zuletzt, man fühle sie schwächer.
Jean PaulWenn ich mit einem Freunde zürne, werd ich sogleich wieder gut, sobald ich eine Gelegenheit bekomme, ihm einen Dienst zu erweisen etc.
Jean PaulZur Freundschaft gehört: daß wir einander gleichen, einander in einigem übertreffen, einander in einigem nicht erreichen.
Jean PaulEwige Unart, aus Gelehrsamkeit oder Tugend in einem Falle und Fache, auf sie in andern Fällen und Teilen zu schließen.
Jean PaulAusschließende Einsamkeit und ausschließende Geselligkeit sind schädlich, und, ihre Rangordnung ausgenommen, ist nichts so wichtig, als ihr Tausch.
Jean PaulNichts ist bei der häufigen Lektüre schädlicher, als daß uns die Lehren der Weisheit - ohne daß eine gegenwärtige Erfahrung sie auf uns bezöge - so wiederholet werden, daß wir sie nie auf uns anwenden.
Jean PaulMan will nicht nach seinem Äußerlichen geschätzt sein, und andre schätzt man doch mit den Augen.
Jean PaulSteh deinem Freund mit deinem Rat zur Seite, so gut du kannst, auch wenn er dir nicht glauben will. Du aber bist dazu verpflichtet ihm guten Rat zu erteilen.
Jean Paul