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Nichts erbittert mehr als ein besonnenes stilles Hassen, das leidenschaftlichste weit weniger.
Jean PaulAlle Mittel und Künste der Erziehung werden erst von dem Ideale oder Urbilde derselben bestimmt.
Jean PaulMit bloßen Reizen, leiblichen oder geistigen, in der Ehe zu fesseln hoffen, ohne das Herz und ohne die Vernunft, welche allein anknüpfen und festhalten, heißt, eine Blumenkette oder einen Blumenkranz aus bloßen Blumen ohne ihre Stengel machen zu wollen.
Jean PaulDie weibliche Kleider-Liebe hat samt der Reinlichkeit, welche gleichsam auf der Grenzscheide zwischen Leib und Sittlichkeit wohnt, eine Wand- und Tür-Nachbarin, nämlich Herzens-Reinheit.
Jean PaulBloß die Großen schreiben wie die Alten, ohne Brotgier, ohne Rücksicht auf Leser, bloß in den Gegenstand versenkt.
Jean PaulFreilich ist Achtung die Mutter der Liebe; aber die Tochter wird oft einige Jahre älter als die Mutter.
Jean PaulMan sollte untersuchen: was eigentlich in uns die Wahrheit entdeckt? Scharfsinn ist's nicht, ein gutes Herz mehr - Mangel des Scharfsinns ist's nicht, wenn man die feinsten Irrtümer begeht und doch nicht auf die feinere Widerlegung kommt, aber vielleicht Fehler des Herzens.
Jean PaulMan hat eine Wahrheit lange gehört, verstanden, gelobt, eh man sie verdauet und zum Teil seines Ichs macht.
Jean PaulDa die Gegenwart uns nie verläßt: bemerken wir gar nicht das schnelle raubende Vorbeigehen der Vergangenheit.
Jean PaulJe mehr Schwäche, je mehr Lüge; die Kraft geht gerade; jede Kanonenkugel, die Höhlen oder Gruben hat, geht krumm.
Jean PaulDie Leidenschaft macht die besten Beobachtungen und die elendesten Schlüsse. Sie ist ein Fernrohr, dessen Feld desto heller, je enger es ist.
Jean PaulEs ist die gewöhnlichste und schädlichste Täuschung, daß man sich allzeit für den einzigen hält, der gewisse Dinge bemerkt.
Jean PaulUnser ganzes Leben ist ein nie wiederkommender Geburt[s]tag der Ewigkeit, den wir darum heiliger und freudiger begehen sollten.
Jean PaulMancher ist im Namen eines Lieblingsautors eifersüchtig - freuet sich über jedes Lob auf ihn -, aber bloß, weil er in sich eine Ähnlichkeit mit diesem ahnet.
Jean PaulUnter allen Dingen ist menschliche Bescheidenheit am leichtesten totgeräuchert oder totgeschwefelt, und manches Lob ist so schädlich wie eine Verleumdung.
Jean PaulHabt keine Freude am Ge- und Verbieten, sondern am kindlichen Freihandeln. Zu häufiges Befehlen ist mehr auf die elterlichen Vorteile als auf die kindlichen bedacht.
Jean PaulZum Ziele der Erziehungskunst, das uns vorher klar und groß vorstehen muß, ehe wir die bestimmten Wege dazu messen, gehört die Erhebung über den Zeitgeist. Nicht für die Gegenwart ist das Kind zu erziehen - denn diese thut es ohnehin unaufhaltsam und gewaltsam - sondern für die Zukunft.
Jean PaulWeiber gewöhnen sich Gleichgültigkeit und Unaufmerksamkeit gegen Wissenschaft und Taubheit an, weil die Männer zu oft vor ihnen von wissenschaftlichen Dingen reden, die ihnen unbekannt.
Jean PaulDer Dichter gleicht der Saite: Er selber macht sich unsichtbar, wenn er sich schwingt und Wohllaut gibt.
Jean PaulStille Unterordnung unter Willkür schwächt, stille unter Notwendigkeit stärkt - seid denn eine Notwendigkeit!
Jean PaulIch möchte doch wissen, ob glücklich sein durch Leidenschaften etwas anderes heiße, als sich wärmen durch ein Brennglas.
Jean PaulDer Mensch findet nichts dagegen, daß in der Vergangenheit immer eine Veränderung der Gesetze und Staaten nach der andern kommt - nur in der Gegenwart will er nicht daran.
Jean PaulIn feinen Gesellschaften wird nur der abwesende persifliert, in gemeinen spaßet man über den gegenwärtigen.
Jean PaulIm Dienste der Liebesgöttin wird man leichter kahl als grau; er war schon gegen die Silberbraut moralisch-kahl.
Jean PaulZwei kräftige Freunde sind wie zwei Uhren, welche in ihren kleinen Perpendikelschlägen wechselnd abweichen und zustimmen, aber bei dem großen ordentlichen Ausschlagen in einer Stunde zusammen treffen.
Jean PaulJeder Freund hält es für den größten Genuß, dem andern die Wahrheit zu sagen - am Hören findet keiner einen sonderlichen.
Jean PaulNur aber mit dem Erziehen säen wir auf einen reinen weichen Boden entweder Gift- oder Honigkelche; und wie die Götter zu den ersten Menschen, so steigen wir (physisch und geistig den Kindern Riesen) zu den Kleinen herab und ziehen sie groß oder - klein.
Jean PaulMan mag an jedem Menschen so lange suchen, bis man den individuellen Punkt ausfindet, wo er originell ist.
Jean PaulErbärmlich ist's freilich und zwar sehr, wie oft die Menschen einander nur halb vernehmen und ganz mißverstehen.
Jean Paul